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Weltveränderer Amundsen

Amundsen lehnt am Schlitten, davor liegen Hunde.
© Imago
Wer erreicht als erster Mensch den Südpol? Gleich zwei mutige Männer brechen vor gut 112 Jahren dorthin auf: Der Engländer Robert Falcon Scott mit modernen Motorschlitten. Und der Norweger Roald Amundsen mit seinen Schlittenhunden. Sie starten in eines der mörderischsten Rennen der Geschichte!

Name: Roald Engelbregt Gravning Amundsen

Geboren: Am 16. Juli 1872 in Borge, Norwegen

Beruf: Seemann und Polarforscher

Lebensleistung: Er war der erste Mensch am Südpol 

Gestorben: Vermutlich am 18. Juni 1928

Die Rivalen

Sonntag, 26. November 1911: Fauchend jagt ein Schneesturm über die Antarktis und lässt Eiskristalle wie Nadeln durch die Luft schießen. Roald Amundsen und seine vier Begleiter halten die Hände vor die Gesichter, versuchen ihre Augen zu schützen. Sollen sie in ihren Zelten Unterschlupf suchen? Für den Norweger Amundsen kommt das nicht infrage. Er weiß: Irgendwo dort draußen ist sein Rivale, der Brite Robert Falcon Scott. Auch dieser will mit seinem Team als Erster den Südpol erreichen. Würde Scott das gelingen, wäre alles vergeblich. „Vorwärts!“, treibt Amundsen deshalb seine Schlittenhunde an. Die Tiere hetzen hechelnd durch die Kälte.

Es sind Grönlandhunde, die Amundsens Ausrüstung und Vorräte Tausende Kilometer durch die Antarktis ziehen. Die unermüdlich weiterrackern – bergauf, bei Temperaturen um minus 40 Grad Celsius, bei tobendem Sturm! Und die das grausame Rennen entscheiden. Aber wie kam es überhaupt dazu?

Der härteste Ort der Welt

Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Antarktis noch zum großen Teil unerforscht. Als südlichster Kontinent ist sie sturmumtost und von einem dicken Eisschild bedeckt. Im nachtschwarzen Winter können die Temperaturen auf unter minus 80 Grad Celsius fallen. Kurz gesagt: Die Antarktis ist einer der lebensfeindlichsten Orte der Erde.

Doch wie der höchste Berg der Welt oder die tiefste Stelle im Meer, so zieht auch die Eiswüste Abenteuerhungrige an. Viele träumen davon, sie zu erobern und als Erste zum südlichsten Punkt der Erde vorzudringen, dem Südpol. Erst wenige Jahre zuvor hatte sich der Brite Ernest Shackleton auf einer Forschungsreise sich bis auf rund 200 Kilometer an den sagenumwobenen Punkt vorgekämpft.

Ende 1909 bereitet sich der Engländer Robert Falcon Scott auf eine neue Expedition vor. Scott wirbt Geldspenden ein und stellt aus Tausenden Bewerbern ein Team der 65 besten Männer für seine Forschungsreise zusammen. Doch bei der Auswahl seiner Transportmittel macht der Engländer verhängnisvolle Fehler: Für die Schlepperei von Essen, Zelten und Brennstoff in der Eiswüste lässt er robuste Ponys aus China besorgen. Dazu neumodische Motorschlitten. Mit Schlittenhunden will Scott nur einen Teil der Lasten transportieren – weil er sie für „unbritisch“ hält.

Am 4. Januar 1911 legt sein Schiff am Kap Evans am Rand der Antarktis an, wo seine Männer eine Holzhütte errichten, um den nahenden Winter zu überstehen. Dieser dauert in der Antarktis von März bis Oktober. Scott ist angespannt. Durch ein Telegramm hat er erfahren, dass ganz unerwartet ein Konkurrent aus Norwegen aufgetaucht ist: Der Polarforscher Roald Amundsen.

Ausgerechnet Amundsen!

Kaum ein Forscher gilt als so furchtlos, ehrgeizig und als ein so großer Spezialist für eisige Regionen. Amundsen liebt die Kälte: Schon als Schüler streifte er über die winterlichen Berge seiner Heimat. Mit 24 Jahren nimmt er an seiner ersten Antarktis-Expedition teil, mit 33 durchsegelt er als erster Mensch die berüchtigte Nordwestpassage – den Seeweg um die Nordküste Kanadas und Alaskas.

1909 will Amundsen eigentlich als erster Mensch den Nordpol erreichen. Doch als ihm im September desselben Jahres zwei andere Forscher zuvorkommen, ändert er sein Ziel: Er beschließt, den Südpol zu erobern. Und zwar vor Scott!

Amundsen hält seinen Plan zunächst geheim: Er befürchtet, dass die norwegische Regierung ihm sonst das risikoreiche Abenteuer verbietet. So lässt er seinen Bruder das Reiseziel erst veröffentlichen, als sein Schiff schon unerreichbar auf See ist.

Am 14. Januar 1911 legen die Norweger in der Walfischbucht an. Eine schlaue Entscheidung: Der Ort liegt rund 110 Kilometer näher am Südpol als Scotts Landeplatz.

Den Winter über bereiten sich beide Teams nervös auf den Wettlauf vor. Auch Amundsen hat Zweifel: Er kann Scotts Motorschlitten nicht einschätzen. Werden die neumodischen Gefährte seinen Hunden davonrasen? Ungeduldig drängt er seine Männer schon am 8. September 1911 zum Aufbruch – viel zu früh! Am dritten Tag der Reise fallen die Temperaturen auf minus 56 Grad Celsius, dies ist selbst für die an Kälte gewöhnten Hunde zu eisig. Die Polarforscher müssen umkehren.

Amundsens Zelt am Südpol
© Imago

Ein zäher Kampf

Am 20. Oktober 1911 startet Amundsen seine zweite Forschungsreise. Diesmal läuft es besser: Wie der Wind flitzen seine 52 Schlittenhunde über das 800 Kilometer lange Ross-Schelfeis, eine gigantische, auf dem Meer schwimmende Eisplatte. Sie erklimmen das Trans-antarktische Gebirge. Kraxeln einen zerfurchten Gletscher hinauf und erreichen am 21. November 1911 die Hochebene der Antarktis – wo Amundsen die meisten Hunde erschießen lässt. Nun, wo der Weg leichter wird, kommt er mit 18 kräftigen Hunden aus. Die übrigen Tiere sind für den Abenteurer nur noch Ballast, die ihn bei seiner Rekordjagd bremsen. Außerdem braucht er das Hundefleisch als Nahrung für sein Team und die übrig gebliebenen Tiere.

Was Amundsen nicht weiß: Bei Scott läuft es deutlich schlechter. Gleich zu Beginn der Expedition gehen die Motorschlitten kaputt. Auch seine Ponys sind mit den Lasten und dem Klima überfordert. Die Männer müssen die Schlitten größtenteils selbst ziehen. „Es ist die schwerste Arbeit, die ich je getan habe“, notiert Henry Bowers, einer der Expeditionsteilnehmer, in seinem Tagebuch. Erst nach einem Monat erreichen die Briten den 80. südlichen Breitengrad. Amundsens Schlittenhunde haben bis dorthin gerade einmal fünf Tage gebraucht. Am Fuße des ersten Gletschers lässt Scott die Ponys erschießen, um sie später mit seiner Mannschaft als Proviant zu verzehren. Von nun an ziehen die Männer alle Schlitten selbst.

Das Rennen ist entschieden

Am 17. Januar 1912 erreichen der Engländer und vier seiner Begleiter den Südpol – zu spät! Im endlosen Eis flattert bereits die norwegische Flagge. „Das Furchtbare ist eingetreten“, schreibt Scott in sein Tagebuch, „Amundsen ist der Erste am Pol.“ Bereits am 14. Dezember 1911, 34 Tage vor Scott, war der Norweger mit seinen Männern am Südpol angekommen. Drei Tage später haben sie sich auf den Rückweg gemacht. Nach fünf weiteren Wochen erreichen sie wieder die Walfischbucht. Zusammen mit nur elf Hunden, die überleben. Scotts Truppe hingegen wird auf dem Rückweg wieder und wieder von Schneestürmen aufgehalten. Keiner der Männer schafft es zurück zum Schiff.

Roald Amundsen schreibt mit diesem verrückten Rennen Geschichte. Doch was viele oft vergessen: Ohne seine Schlittenhunde hätte er sein Ziel vermutlich nie erreicht.

 

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