Von der dreibeinigen Strumpfhose bis zur Flugzeugtür: Rund 60 000 Anträge reichen Erfinder und Unternehmen jedes Jahr beim Deutschen Patent- und Markenamt ein. Dort überprüfen der Elektrotechniker Thomas Späth, 44, und seine Kollegen, ob die Idee wirklich neu ist. Im Interview erzählt er, wozu ein Patent gut ist und welche verrückten Erfindungen auf seinem Schreibtisch landen
GEOlino extra: Herr Späth, was genau ist das - ein Patent?
Thomas Späth: Es ist der Nachweis, dass ich eine Idee zuerst hatte und damit der Besitzer dieser Idee oder Erfindung bin - so wie ein Fahrzeugbrief belegt, dass ich der Besitzer eines bestimmten Autos bin.
Und wozu braucht ein Erfinder das Patent?
Um sich gegen Nachahmer zu schützen. Wenn ich ein Patent habe, kann ich anderen entweder verbieten, diese Idee zu nutzen. Oder ich kann Geld für deren Nutzung verlangen.
Hier seht ihr einige Zeichnungen von Patenten
Was passiert, wenn jemand meine Idee trotzdem nutzt?
Zunächst einmal muss der Erfinder selbst bemerken: Hoppla, da baut jemand genau das nach, was ich erfunden habe. Dann kann er den Ideendieb verklagen. Und wenn das Gericht dem Erfinder recht gibt, muss der Dieb die kopierten Produkte vernichten. Die werden also nicht weiterverkauft. Gefälschte MP3-Player etwa werden containerweise plattgewalzt.
Wer kann ein Patent einreichen?
Jeder kann einen Antrag stellen, es gibt keine Altersbeschränkung.
Wie sieht so ein Antrag aus?
Es gibt Anmeldeformulare, und dann sollte auf jeden Fall noch eine Beschreibung dabei sein, in der steht, was genau die neue Idee ist. Wenn die Erfindung etwas komplizierter wird, lohnt es sich, eine Zeichnung mit abzugeben.
Und was passiert dann?
Ich prüfe zunächst, ob eine Erfindung wirklich neu ist. Dazu durchsuche ich mit den passenden Stichwörtern eine Datenbank, in der alle Patente und Patentanmeldungen auf der ganzen Welt stehen. Etwa 50 bis 60 Millionen Einträge sind das. Und wenn ich dort nichts gefunden habe, durchforste ich Fachbücher und -zeitschriften. Darin steht etwa, dass jemand etwas ganz Tolles erfunden hat; patentieren lassen hat er es sich aber nicht. Wenn dann übermorgen ein anderer genau das zum Patent anmelden will, dann kommt er damit nicht durch. Dann ist seine Idee nicht neu, sondern war schon bekannt.
Wo leben die eifrigsten Erfinder?
61.311 Patente meldeten Firmen und private Erfinder 2012 in Deutschland an. 14.725 davon stammen aus dem Ausland, 46.586 aus dem Inland. Spitzenreiter war 2012 Bayern, dicht gefolgt von Baden-Württemberg.
Überprüfen Sie noch anderes?
Wir stellen außerdem die Frage: Handelt es sich um eine besondere Idee, auf die man nicht einfach so kommt? Ein Beispiel: Nehmen wir an, die Teile einer Maschine werden normalerweise mit Schrauben verbunden. Kommt jetzt ein Maschinenbauer auf die Idee, statt der Schrauben Nieten zu verwenden, dann ist das naheliegend und nicht erfinderisch. Hat allerdings ein Mediziner den Einfall, bei der Behandlung eines Beinbruchs Nieten statt Schrauben einzusetzen, ist das ziemlich unüblich und damit erfinderisch.
Woher wissen Sie denn, ob etwas üblich ist oder nicht?
Auch wir Patentprüfer sind jeweils Experten für eine bestimmte Sache. Ich bearbeite etwa nur Anträge, die mit Prothesen oder Messverfahren zu tun haben, und kann deshalb einschätzen, ob etwas erfinderisch ist oder nicht. Am Schluss schicke ich dem Erfinder einen Bescheid, in dem steht, ob er ein Patent bekommt oder nicht - und warum.
Was ist die ungewöhnlichste Erfindung, die Ihnen bislang begegnet ist?
Ich bin bei einer Recherche zufällig mal auf eine dreibeinige Strumpfhose gestoßen. Da war oben im Bund ein Ersatzbein eingeknüllt. Wenn ein Bein eine Laufmasche bekommt, kann man das Ersatzbein aus- und das kaputte einrollen.
Ist der Antrag durchgekommen?
Nein.
Warum nicht? War das nicht anspruchsvoll genug?
Doch, das schon: Eine Erfindung muss die Lösung für ein Problem sein – und das war ja der Fall. Der Antrag wurde aus einem ganz anderen Grund abgelehnt.
Aus welchem?
Das Patent gab es schon.
Fakten rund um Patente
- Von 1000 Patentanmeldungen
- werden nur ungefähr sechs
- zu erfolgreichen Produkten.
- Der Elektronik-Hersteller
- Bosch meldete 3602 Patente im Jahr
- 2011 in Deutschland an – mehr als
- jedes andere Unternehmen.
- Allein in der Cockpit-Tür
- des Airbus A380 stecken mehr als
- 60 patentierte Erfindungen.
- Etwa 30 bis 50 Prozent aller
- Anträge werden tatsächlich zum
- Patent.
- 3200 Patente gibt es derzeit
- für Spielzeug.
- Unter dem Stichwort Fußball findet
- die Patentdatenbank 340 Treffer –
- sogar eine Drehscheibe zum Ablesen
- des Spielstands.
- 61.311 Patente wurden 2012 in
- Deutschland angemeldet, die meisten
- davon im Bereich Fahrzeuge.
- Ein Patent für 20 Jahre kostet den
- Erfinder rund 13.500 Euro.