Beim ersten Mal versetzte es mich in Angst und Schrecken. Es passierte im Jahr 2012, nachdem meinem damals siebenjährigen Sohn bei einem Autounfall der Kopf zerschmettert worden war. Die Operation war gut verlaufen, jetzt lag er im Krankenhausbett, sediert. Er sah friedlich aus. Bis er erwachte.
Der Chefarzt hatte mich vorgewarnt. Sein Erwachen werde nicht sein wie in einer Vorabendsendung, Augen auf und alles gut. Nein, wahrscheinlich komme das "Durchgangssyndrom". So nannten sie das damals auf der Kinderintensivstation in Dessau. Ich hatte noch nie davon gehört. Später erfuhr ich, dass es die umgangssprachliche Bezeichnung für ein "Delirum", kurz "Delir", ist.
Mein Kind kommt langsam zu sich, ich sitze neben ihm, seine Arme sind fixiert. Damit es sich die Schläuche nicht herausreißen kann, hat der Arzt mit bedauerndem Stirnrunzeln gesagt. Mein Sohn blinzelt. Vor ihm stehen Fremde und blicken auf ihn herab. Er will mit der Hand tasten, ich halte sie, streichle ihn und sage: "Du hattest einen Unfall, am Kopf, du bist im Krankenhaus und hast vier Tage geschlafen." Sein Körper spannt sich, sein erster Satz ist: "Ich will ein Mensch sein!"
Dann: "Ich will nach Hause, zu meiner Mami." Er schiebt die Unterlippe vor, aggressiv: "Lasst mich gehen!" Ich halte ihn fester und sage: "Ich bin da, du musst keine Angst haben, alles wird gut." Plötzlich reißt er den Kopf vor und schreit: "Pass auf, da kommt was von hinten, pass auf, es kracht gleich, da kommt ein Tornado!" Es ist, als wäre seine Seele im Unfall stecken geblieben, als müsste sie jetzt aufholen. Er tobt, in Panik, Wut, Schrecken.