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Kuba Che Guevara: Ein Held, der keiner war

Che Guevara
Berufsrevolutionär: Das Barett legt Che auch nach dem Sieg selten ab und tritt am liebsten in grüner Uniform auf
© The LIFE Picture Collection/Getty Images
Am 9. Oktober 1967 stirbt Kubas berühmtester Guerillero im Dschungel Boliviens. Ernesto "Che" Guevara wollte von dort aus die Weltrevolution entfesseln. Stattdessen findet der fragwürdige Held den Tod

Che Guevara: Das Ende einer Legende

Der Tote hat große Ähnlichkeit mit Jesus Christus, darin sind sich die Nonnen des Krankenhauses und die Frauen des Ortes einig. In dem Gewimmel aus Reportern, Fotografen, Soldaten und Schaulustigen beugt sich immer wieder jemand zu dem Aufgebahrten hinunter und schneidet sich eine Strähne der Haare ab, als Talisman.

Die erloschenen Augen stehen offen. Sie wirken seltsam lebendig, die Gesichtszüge sanft. Der Bart gestutzt, das Kinn hochgebunden. In den Hals hat ein Arzt einen Schnitt gesetzt und Formaldehyd in die Schlagader gespritzt, damit der Leichnam nicht so schnell verwest. Jemand hat ihn gewaschen und gekämmt.

Der Mann sieht im Tod besser aus als in den letzten Wochen seines Lebens. Besser auch als seine Mitstreiter, die verkrampft auf dem Boden lagen, bevor man sie verscharrte. Oder die entstellt und aufgedunsen erst nach Tagen aus einem Fluss gezogen wurden.

Kugeln haben Arme und Beine des Mannes getroffen, der letzte, tödliche Schuss hat sich ihm in die Brust gebohrt: Sein Henker hat darauf geachtet, das Gesicht nicht zu treffen. Denn die Männer, die den Toten am Nachmittag des 9. Oktober 1967 der Öffentlichkeit präsentieren, im Waschhaus hinter dem Hospital Nuestro Señor de Malta in Vallegrande im Hochland Boliviens: Sie werden verbreiten, der Mann sei im Kampf gestorben.

Und sie wollen keinen Zweifel zulassen an seiner Identität. Der Tote hat viele Namen getragen in seinem 39 Jahre währenden Leben: geboren als Ernesto, Ende 1966 in La Paz angekommen als Adolfo Mena González, von seinen Kameraden im bolivianischen Dschungel Fernando genannt oder Ramón.

Die Welt aber, die bald die Fotos sehen wird von der christusgleichen Leiche, kennt ihn unter dem Kampfnamen, den er sich vor einem Jahrzehnt in der Kubanischen Revolution erworben hat: Comandante Che Guevara. Am nächsten Abend wird man ihm zwei Totenmasken und die Fingerabdrücke abnehmen, man wird ihm die Hände abschneiden und sie in Formaldehydlösung einlegen.

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