Auf einer kleinen Anhöhe im Südosten Brandenburgs wollen sie ein Windrad errichten, das höher ist als alle anderen. 300 Meter über dem Erdboden soll seine Nabe prangen, die Spitzen seiner Rotorblätter noch einmal 65 Meter darüber kreisen. Der Berliner Fernsehturm, das höchste Gebäude Deutschlands, ist nur drei Meter höher.
Der Prototyp soll Windenergie in Höhen ernten, die bislang unerreichbar waren. Bald schon, so die Hoffnung der Planer, könnten Dutzende solcher Riesenräder in bereits bestehenden Windparks Strom erzeugen. Als eine Art zweites Stockwerk sollen sie der deutschen Energiewende einen entscheidenden Schub verleihen.
Ein solcher wäre bitter nötig, denn besonders an Land stockt der Windkraftausbau. Zwar ersetzen Betreiber viele ihrer alten Turbinen derzeit durch neue, leistungsstärkere Anlagen. "Repowering" allein jedoch reicht nicht. Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien decken. Um das zu schaffen, so berechnet es die Bundesregierung, braucht es einen jährlichen Zuwachs von zehn Gigawatt installierter Leistung durch Windenergie an Land. 2023 waren es dreieinhalb. Was fehlt, sind neue Windkraftanlagen.
Ausgerechnet in Schipkau, dieser vom Tagebau geprägten Gemeinde in der Lausitz?
Bis deren Bau jedoch genehmigt ist, vergehen laut dem Bundesverband Windenergie vier bis fünf Jahre. Und dass danach tatsächlich ein Windrad errichtet wird, ist längst nicht ausgemacht. Denn wo ein geeigneter Standort gefunden wurde – mickrige 0,8 Prozent ihrer Flächen weisen die Bundesländer im Schnitt für Windkraft aus –, wehren sich Bürgerinnen und Naturschützer gegen neue Anlagen in der Nachbarschaft. Sie fürchten verschandelte Landschaften, den nervenden Schatten der Rotorblätter, Gefahr für ohnehin bedrohte Vogelarten. Im Prinzip stehen Windräder für saubere und fortschrittliche Energiegewinnung. Vor der eigenen Haustür will sie trotzdem kaum jemand.
Nun also soll ein 365 Meter hohes Windrad helfen. Es wäre das höchste der Welt, über einhundert Meter höher als der bisherige Rekordhalter in Deutschland und aus weiter Ferne zu sehen. Stehen soll es ausgerechnet im ostbrandenburgischen Schipkau, einer 7000-Einwoher-Gemeinde zwischen Cottbus und Dresden. Bis vor Kurzem baggerten riesige Schaufelradbagger hier Braunkohle aus der Erde. Man könnte meinen, der Ort habe die Nase voll von den unschönen Seiten der Energiegewinnung. Doch das Gegenteil ist der Fall.