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Klimwawandel Keine natürlichen Schwankungen: Mittelalter-Warmzeit war kühler als gedacht

Um die Mittelalter-Temperaturen zu rekonstruieren, untersuchten die Forschenden unter anderem abgestorbene Waldkiefern
Um die Mittelalter-Temperaturen zu rekonstruieren, untersuchten die Forschenden unter anderem abgestorbene Waldkiefern
© Håkan Grudd
Die Behauptung, im Mittelalter sei es wärmer gewesen als heute, ist falsch. Das belegt eine Baumring-Studie aus Skandinavien, die die damaligen Temperaturen detailliert rekonstruiert. Die Forschenden schließen natürliche Schwankungen als Ursache für heutige Erderhitzung quasi aus

Die Mittelalterliche Warmzeit war einer Studie zufolge in Nordeuropa bei Weitem nicht so ausgeprägt wie bisher vermutet – und die damaligen Temperaturen lagen deutlich unter den heutigen. Das belegt eine detaillierte Analyse von Baumringen zumindest für die skandinavische Halbinsel. Die Daten zeigten, dass die gegenwärtige klimatische Entwicklung dort zumindest für die vergangenen 1200 Jahre beispiellos sei, schreibt ein internationales Forschungsteam im Fachjournal "Nature". Damit sei eine natürliche Klimaschwankung als Ursache für die aktuelle Erwärmung praktisch ausgeschlossen.

Das widerspricht der These, während der sogenannten Mittelalterlichen Klimaanomalie, die von etwa 950 bis 1250 reichte, sei es in Europa ähnlich warm oder möglicherweise sogar wärmer gewesen als während des 20. Jahrhunderts. Diese Darstellung beruht auf früheren Analysen von Baumringen. Die damalige Warmzeit wird daher von manchen Gruppen, die die menschengemachte Klimaerwärmung infrage stellen, als Argument angeführt, dass die heutigen Temperaturen im Bereich natürlicher Schwankungen liegen würden.

Allerdings sorgen diese früheren Resultate auf der Basis von Baumringen in der Fachwelt für Staunen, da sie sich physikalisch nicht erklären und sich in Klimamodellen nicht abbilden lassen.

Jeder Baumring speichert klimatische Informationen

Das Team um Jesper Björklund von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf (Kanton Zürich) hat sich nun erneut mit Baumringen aus dem Mittelalter beschäftigt – und kommt zu anderen Ergebnissen. "Bisherige Rekonstruktionen beruhen auf der Breite oder Dichte der Jahrringe", wird Studienleiter Georg von Arx in einer WSL-Mitteilung zitiert. "Beide Eigenschaften werden zwar sehr stark von den Temperaturen beeinflusst, aber meist spielen auch andere Faktoren eine Rolle dabei, wie breit oder dicht ein Jahrring wird."

Das Forschungsteam maß nun in den Jahresringen die Dicke der Zellwand der Holzzellen. "Jede einzelne Zelle in jedem Baumring speichert klimatische Informationen, unter denen sie entstanden ist", erläutert Erstautor Björklund. Die Zellwände vermaß das Team für etwa 50 Millionen Zellen von 188 Waldkiefern (Pinus silvestris), die von der Skandinavischen Halbinsel stammten. Daraus leiteten die Forscher die Sommertemperaturen – also während der Wachstumsphase der Bäume von Mai bis August – über 1170 Jahre ab, von 850 bis 2019.

Die Daten zeigen zwar für die Jahre von 850 bis 1100 höhere Temperaturen als in den folgenden Jahrhunderten. Sie liegen jedoch deutlich unter den Temperaturen des 20. Jahrhunderts. Das zeige, dass die aktuelle Erwärmung in dieser Region die natürliche Variabilität zumindest des vergangenen Jahrtausends weit übertrifft. Die gegenwärtige Erwärmung sei zumindest für die vergangenen 1200 Jahre beispiellos, schreibt das Team. Das bestätige, dass Treibhausgase und damit letztlich der Mensch für den gegenwärtigen Trend verantwortlich seien.

Das Resultat gelte für Nordeuropa, nicht aber für andere Weltregionen, räumt die Gruppe ein. Daher sollten künftige Studien mit dem neuen Verfahren auch das Klima anderer Erdteile rekonstruieren, insbesondere auf der Südhalbkugel, für die es bislang nur wenig Daten gebe.

Walter Willems dpa

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