Anzeige

Nach Austrocknung Giftiger Staub aus dem Aralsee verteilt sich über Zentralasien – und beeinflusst sogar das Wetter

Wüstenlandschaft
Zwischen 1985 und 2015 haben sich die Staubemissionen aus der wachsenden Aralkum-Wüste von 14 auf 27 Millionen Tonnen nahezu verdoppelt
 
© Dietrich Althausen / TROPOS
Aus dem Grund des ehemals viertgrößten Sees der Erde ist eine Wüste geworden. Ihr Staub enthält Salze und Giftstoffe, ist noch in Tausenden Kilometern Entfernung nachweisbar – und lässt Gletscher schneller schmelzen

Der Aralsee war einst der viertgrößte See der Erde. Noch Anfang der 1960er-Jahre erstreckte sich die Wasserfläche über 68.000 Quadratkilometer: eine Fläche annähernd so groß wie Bayern. Doch in der Sowjetzeit wurden für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen die beiden wichtigsten Zuflüsse, die Flüsse Amudarya und Syrdarya abgezweigt. Die exzessive Nutzung blieb nicht ohne Folgen: Der Aralsee verdampfte buchstäblich, schrumpfte auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Fläche. Wo sich früher Fische tummelten, erstreckt sich heute eine rund 60.000 Quadratkilometer große Wüste.

Das bringt ein bislang wenig beachtetes Problem mit sich: Der aus der noch jungen Wüste aufgewirbelte Staub – die Aralkum-Wüste gilt als eine der größten vom Menschen verursachten Staubquellen der Erde – verteilt sich weiträumig in Zentralasien, wie ein Forschungsteam vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und der Freien Universität Berlin berichtet. Innerhalb von nur drei Jahrzehnten, zwischen 1985 und 2015, haben sich demnach die Staubemissionen aus der wachsenden Wüste von 14 auf 27 Millionen Tonnen nahezu verdoppelt.

Schiffe auf dem Trockenen: Der Staub aus der Aralkum-Wüste gilt als gesundheitsschädlich, weil er auch Rückstände von Düngemitteln und Pestiziden aus der sowjetischen Landwirtschaft enthält
Schiffe auf dem Trockenen: Der Staub aus der Aralkum-Wüste gilt als gesundheitsschädlich, weil er auch Rückstände von Düngemitteln und Pestiziden aus der sowjetischen Landwirtschaft enthält
© Dietrich Althausen, TROPOS

Das hat nicht nur Auswirkungen für die Menschen in der Region. Selbst in den rund 800 Kilometer entfernten Hauptstädten von Tadschikistan und Turkmenistan, Duschanbe und Asgabat, sei der Staub noch zu spüren, schreiben die Autoren der Studie. Da er neben Salzen auch Rückstände von Düngemitteln und Pestiziden enthält, ist er deutlich gefährlicher als der Staub aus den benachbarten Wüsten wie der Karakum.

Der Staub bestimmt das Wetter in der Region

Doch der Staub hat auch auf das Wetter in der Region großen Einfluss. So sorgt er tagsüber für Abkühlung, weil er die Sonneneinstrahlung – und damit das Aufheizen der Landmasse – verringert, wie die Wissenschaftler*innen in einer neuen, vorab veröffentlichten Studie berichten. Nachts dagegen hat der Staub den gegenteiligen Effekt. Boden und Luft kühlen sich dann langsamer ab, weil die Staubpartikel die Wärmestrahlung des Bodens zurückwerfen.

Auch das großräumige Wettergeschehen beeinflusst der Staub: So fanden die Forschenden Hinweise darauf, dass die mineralischen Partikel aus der Aralkum-Wüste den Luftdruck am Boden erhöhen – was das sibirische Hoch im Winter stärken und das zentralasiatische Wärmetief im Sommer schwächen könnte.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass Staubwolken eine Ausdehnung von 400 mal 40 Kilometern erreichen können. Nachweisbar sind die Partikel sogar noch in Entfernungen von mehr als 2000 Kilometern, etwa im Pazifischen oder im Arktischen Ozean – oder im Himalaya. Hier tragen der tonige Staub und die Salze dazu bei, dass die Gletscher schneller schmelzen. Was absehbar die Trinkwasserversorgung in den vom Schmelzwasser abhängigen Regionen verschlechtern wird.

Die Autor*innen unterstreichen, dass, vor allem im Nahen Osten und in Zentralasien, die fortschreitende Wüstenbildung nicht nur ein regionales Problem ist. Ironischerweise verstärkt sie ihre eigene Ursache: das Abschmelzen der Hochgebirgsgletscher.

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel