Lange Zeit waren die größten Konstruktionen im Dienste des menschlichen Wissensdursts Schiffe. Sie trugen ihre Besatzung dem Horizont entgegen, zu fernen Orten und unbekannten Ufern. Ihren Bug zierte dabei häufig ein Frauenname. Die genauen Wurzeln dieser Tradition liegen im Dunkeln – vielleicht sollten Göttinnen den Reisenden sicheres Geleit geben. Oder das Schiff sollte seine Crew wie eine Mutter wiegen und beschützen.
Heute sind die Instrumente des Erkenntnisgewinns vielfältiger. Wir schicken Raumsonden in die Weiten des Alls oder schauen mit Hilfe gigantischer Beschleuniger ins Innere der Materie. Wir bauen Teleskope in die Wüste und Messstationen in Gebirgsmassive. Doch noch immer taufen wir unsere Gerätschaften. Mal nach mythologischen Gestalten, mal nach menschlichen Tugenden (man denke an die Marsrover "Curiosity", Neugier, und "Perseverance", Beharrlichkeit). Doch auch Frauennamen stehen weiterhin hoch im Kurs.
Dahinter steht vielleicht Traditionsbewusstsein, vielleicht aber auch nur die Jagd nach einem schmissigen Akronym. Das sind Abkürzungen, die aus den (Anfangs-)Buchstaben einer längeren Bezeichnung zusammengestoppelt werden. Da viele Projekte lange und sperrige Namen tragen, werden Forschende bei der Kurzform gern kreativ. "Katrin" etwa steht für "KArlsruhe TRitium Neutrino Experiment", "Petra" für "Positron-Electron Tandem Ring Accelerator". Zufällig enthalten viele Projektnamen in der Physik und Astronomie als letzten Begriff ein Wort, das mit "A" beginnt. Etwa "Antenna" (Antenne), "Accelerator" (Beschleuniger) oder "Array" (Verbund mehrerer Messgeräte). Abkürzungen erhalten dadurch automatisch einen weiblichen Zungenschlag.
Um für mehr Abwechslung zu sorgen, schlagen wir vor, den Spieß umzudrehen: Erst wird der Spitzname gewählt, dann das passende Projekt dazu entwickelt. Welches Phänomen könnte wohl ein Experiment namens "Horst" erforschen? Und was misst eine Raumsonde namens "Herbert"?