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von GEO EPOCHE

Streik 1973 Aufruhr der Ausgenutzten: Als die "Gastarbeiter" von Ford den Ausstand wagten

Streikende mit Plakaten ziehen über das Gelände des Autobauers Ford in Köln
Als die Leitung des Ford-Werks in Köln rund 300 Arbeiter entlassen will – und das Produktionstempo beibehält –, formieren sich in erster Linie türkische Beschäftigte Ende August 1973 zum Protest, angeführt von ihrem Kollegen Baha Targün (mit Megafon)
© Gernot Huber / Laif
Sie wurden angeworben, um Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu füllen. Lebten in schäbigen Unterkünften, übernahmen Tätigkeiten, die die Einheimischen längst nicht mehr ausüben wollten, plagten sich im Takt der Fließbänder. Bis es genug war. Im Sommer 1973 streikten vor allem türkische "Gastarbeiter" in Köln


Nur 50 Sekunden hat der Arbeiter, um auf seiner Seite des Fließbands zwei Räder an das Auto zu montieren. Währenddessen läuft die Förderanlage weiter, transportiert den nächsten Wagen heran. Wieder hat der Mann 50 Sekunden für zwei Räder. Sieben Stunden und 40 Minuten immer dieselben Bewegungen: Etwa 550-mal wuchtet er an einem normalen Werktag das Vorder- unddas Hinterrad auf die jeweilige Achse, dreht die Muttern auf die Bolzen, die der Kollege am Platz nebenan festschrauben wird.

Rund 5000 Männer arbeiten in der Halle Y des Kölner Ford-Werks im Takt der Bänder. Auf einer Fläche von 20 Fußballfeldern bauen sie Räder und Scheinwerfer, Deckenverkleidungen, Armaturen und Pedale ein. Aus der riesigen Herzkammer der Fabrik kommen 72 marktfertige Fords heraus. In der Stunde.

Ford kündigt rund 300 Arbeitern - fristlos

Doch am 24. August 1973, einem Freitag, fällt den Männern zu Beginn der Spätschicht gegen 16 Uhr eine außergewöhnliche Unruhe in der Halle auf. Rund 300 Leute haben Kündigungen erhalten, die meisten hier in der Y-Halle. Fristlos. Die Abteilung soll dennoch das übliche Pensum schaffen.

Viele der Männer lassen sich zunächst nichts anmerken. Aber einige finden den Mut, sich bei ihren Meistern zu beschweren. Ihre Wut wirkt schnell ansteckend. Bald diskutieren immer mehr Arbeiter mit, weigern sich immer heftiger, die verschärften Bedingungen zu akzeptieren. Schließlich kommt die Produktion zum Erliegen.

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