Anzeige

Straßburg vor 400 Jahren Eine Revolution zum Lesen: Wie die erste Zeitung der Welt entstand

Strassburg Ansicht
Wohlhabend und günstig an Verkehrsrouten gelegen ist Straßburg um 1600: ideal für Produktion und Vertrieb eines Nachrichtenblatts
© Prisma Archivo / dpa
So wie heute die Digitalisierung beschleunigt um 1600 der Ausbau des Postnetzes den Alltag in den deutschen Landen: Immer schneller gelangen Nachrichten von Ort zu Ort. Der Straßburger Drucker Johann Carolus weiß dies zu nutzen - und begründet 1605 die erste Zeitung der Welt

Er, Johann Carolus, nicht älter als 30, Sohn eines protestantischen Pfarrers, hat schon viel erreicht, als das Jahr 1605 anbricht. Seine Heirat mit der Straßburgerin Anna Frölich, sechs Jahre zuvor, hat ihm die Bürgerrechte in der 25 000-Einwohner-Stadt eingebracht. Damit gehört er zur etwa 4000-köpfigen Elite, die unter anderem über das aktive und passive Wahlrecht für den Rat verfügt. Und seit dem 21. Juli 1604 ist der gelernte Buchbinder Besitzer einer Druckerei. Drei Druckerpressen gehören ihm nun, ein Schriftenvorrat an beweglichen Lettern im Gesamtgewicht von 34 Zentnern, dazu 60 Ballen Papier mit jeweils 5000 Bogen sowie bereits gedruckte Bücher im Umfang von ganzen 130 Ballen Papier.

Allerdings hat Carolus dafür einen Kredit aufnehmen müssen. Zehn Jahre Laufzeit bei fünfprozentiger Verzinsung. Und er ist nicht der einzige Druckereibesitzer in der elsässischen Metropole, die ihrer Nähe zum Rhein die Prosperität und Liberalität einer Handelsstadt verdankt. Carolus muss sich anstrengen, die Produktivität des Ehepaars – Anna Frölich wird zehn Kinder gebären – auch beruflich zu erhöhen.

Neben dem Verlegen von Büchern, darunter religiöse und historische Werke, Dichtung und satirische Schriften, auch Bände zur Astronomie, zur Zoologie oder Büchsenmacherei, versucht er sich noch in einer zweiten Profession: Er lässt von auswärts eintreffende Nachrichten handschriftlich vervielfältigen, um sie gegen eine "Ergötzlichkeit“, eine Vergütung, an "ettliche Herren“ der Straßburger Gesellschaft zu verteilen, vielleicht ein Dutzend Größen der Stadtpolitik, gelehrte Köpfe, reiche Kaufleute.

Wandel dank Setzkasten und Druckerpresse 

Nur: Es ist die Profession der "Novellanten“, auch "Avisenschreiber“ oder "Zeitunger“ genannt, die es in ihren allerersten Ursprüngen so bereits seit einem Jahrhundert gibt. Und sie ist mühsam, zeitaufwendig. "Dieweil es mit dem Abschreiben langsam zugangen“ ist, wie Carolus beklagt, kommt ihm eine Idee, die für ihn womöglich nur ein kleiner Schritt ist. Aber aus Sicht der Nachwelt nicht weniger als eine Revolution: Am Platz bei der Sankt-Thomas-Kirche zu Straßburg erscheint wohl im September des Jahres die erste gedruckte Zeitung der Welt.

Mehr zum Thema