Anzeige

Studie Antike Globalisierung: Griechen rekrutierten Söldner aus weiter Ferne

Antikes Massengrab
Massengrab aus der Schlacht von Himera im Jahr 409 v.Chr.
© Stefano Vassallo and the Soprintendenza Archeologica di Palermo
Schon in der Antike setzten die Griechen bei Kriegen auf fremde Hilfe. Sie heuerten Söldner aus ganz Eurasien an, wie Genanalysen verraten. Das brachte ihnen anscheinend mitunter entscheidende Vorteile

Schon in der Antike haben die Griechen für ihre Heere in großem Stil Söldner aus ganz Europa und Vorderasien angeworben. Das zeigen genetische Analysen von Soldaten aus Gräbern der antiken Stadt Himera auf Sizilien - einer griechischen Siedlung, die im 5. Jahrhundert vor Christus zerstört wurde. Demnach stammte ein großer Teil der Kämpfer aus der Ferne - etwa dem Ostseeraum, dem Kaukasus und der zentralasiatischen Steppe.

In historischen Quellen sei die Rolle von Söldnern in griechischen Heeren oft heruntergespielt worden, schreibt das internationale Forschungsteam um Laurie Reitsema von der University of Georgia und Alissa Mittnik von der Harvard University. Die Studie zeigt demnach, dass in der klassischen Antike nicht nur Handel zu Kontakten zwischen weit entfernten Kulturen führte, sondern auch bewaffnete Konflikte. Söldner hätten damals zu den weitestgereisten Menschen der griechischen Welt gehört - möglicherweise zusammen mit Sklaven, schreibt die Gruppe in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS").

Erbgut der Krieger deutet auf Wurzeln in Europa und Asien hin

Die Stadt Himera wurde um 648 vor Christus von griechischen Siedlern an der Nordküste Siziliens gegründet. Dort führten die Bewohner im 5. Jahrhundert v.Chr. zwei große Schlachten gegen Armeen der nordafrikanischen Metropole Karthago. In der ersten Schlacht im Jahr 480 v.Chr. siegten die Griechen, doch in der zweiten Schlacht im Jahr 409 v.Chr. wurden sie vernichtend geschlagen, und die Stadt wurde zerstört.

Das Team analysierte nun die Genome von 54 Menschen, die zwischen dem 8. und 5. vorchristlichen Jahrhundert in Himera beigesetzt wurden - unter anderem 21 in Massengräbern beigesetzte Kämpfer aus den beiden Schlachten. Bei den bestatteten Zivilisten zeigen die Analysen erwartungsgemäß, dass sie überwiegend Nachkommen der ursprünglichen sizilianischen Bevölkerung mit Migranten aus der Ägäis waren. Zudem fand das Team genetische Einflüsse unter anderem aus Vorderasien und auch von der Iberischen Halbinsel.

Von den 16 untersuchten Soldaten, die nach der Schlacht von 480 v.Chr. beigesetzt wurden, waren 7 zumindest teilweise griechischer Abstammung - ebenso wie alle 5 analysierten Gefallenen der zweiten Schlacht von 409 v.Chr. Auch sie waren Nachfahren von griechischen Siedlern auf Sizilien.

Archäologische Ausgrabungen in Himera
Archäologische Ausgrabungen in der westlichen Nekropole von Himera an der Nordküste Siziliens
© Stefano Vassallo and the Soprintendenza Archeologica di Palermo

Deutlich vielfältiger war dagegen die Abstammung der übrigen 9 untersuchten Soldaten, die 480 v.Chr. gefallen waren: Bei zwei von ihnen deutet das Erbgut auf Wurzeln im westlichen oder zentralen Europa hin - Spanien, Frankreich, Tschechien oder Ungarn. Zwei weitere Soldaten stammten von Nordosteuropäern ab, vermutlich aus dem Baltikum. Ein Kämpfer hatte Ahnen aus dem Kaukasus, möglicherweise Armenien, zwei weitere stammten von Menschen aus der zentraleurasischen Steppe ab, vermutlich aus dem damaligen Skythien, das für seine Bogenschützen berühmt war.

"Während die genetische Zusammensetzung eines Menschen Einblick erlaubt in die Herkunft seiner Vorfahren, kürzlich oder vor vielen Generationen, gibt sie nicht Auskunft über die geografische Region, wo die Person lebte", schränkt das Team ein. Dies prüften die Forscher anhand von Analysen der Strontium- und Sauerstoff-Isotope. Diese Verhältnisse sind gewissermaßen chemische Fingerabdrücke bestimmter Regionen, die Isotope der Elemente werden mit Wasser und Nahrung aufgenommen und lagern sich in Knochen und Zähne ein.

Diese Analysen zeigten, dass fast alle Individuen mit griechischem Ursprung tatsächlich in Sizilien gelebt hatten - die neun Soldaten anderer genetischer Abstammung dagegen nicht. Die Forscher werten das als "zwingenden Beleg dafür, dass viele Soldaten, die in der Schlacht von 480 v.Chr. kämpften, aus Regionen kamen, die von der griechischen Welt weit entfernt lagen".

Ruinen griechischer Tempel des Sieges in Himera
Ruinen griechischer Tempel des Sieges in Sizilien in der archäologischen Stätte von Himera, erbaut nach der Schlacht von Himera im Jahr 480 v. Chr.
© Britney Kyle

Dafür sprechen noch weitere Indizien: Zum einen wurden die griechischen Siedlungen auf Sizilien von Alleinherrschern regiert, die die finanziellen Mittel aufbringen konnten, Söldner anzuwerben und zu bezahlen. Hinzu kommt, dass die neun aus der Ferne stammenden Soldaten in einem anderen, größeren Massengrab beigesetzt waren als die Kämpfer lokaler Herkunft, deren Gräber kleiner waren und auch Beigaben enthielten.

Ferner waren die mutmaßlichen Söldner wesentlich jünger: Sie hatten ein Alter von durchschnittlich knapp 30 Jahren - im Vergleich zu 45 Jahren bei den lokalen Kämpfern. "Eine solch extreme genetische Vielfalt in einem einzigen Bestattungskontext ist beispiellos für diese Periode der klassischen Geschichte", sagt Erstautorin Mittnik, die inzwischen am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht.

Die Studie belegt zudem, dass eigens angeworbene Kämpfer in Kriegen mitunter eine entscheidende Rolle spielen konnten: Während das von Söldnern unterstützte griechische Heer 480 v.Chr. den Sieg davontrug, unterlag das rein griechische Heer gut 70 Jahre später gegen eine karthagische Söldnerarmee.

Walter Willems, dpa

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel