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Zugreisen Wie ein Vater-Sohn-Gespann die Fernreise zum nachhaltigen Erlebnis machen möchte

Elias Bohun
Elias Bohun reiste selbst per Zug nach Asien. Nun ermöglicht er dieses Erlebnis auch anderen Menschen
© PR
Der 19-jährige Österreicher Elias Bohun hat mit seinem Vater ein Reisebüro für Langstreckenzugreisen gegründet – und glaubt an die Zukunft des langsamen Reisens

GEO Saison: Fliegen Sie nie?

Elias Bohun: Nein, nicht mehr, früher bin ich viel geflogen, weil ich ein Jahr in England zur Schule gegangen bin.

Sie hätten auch mit der Bahn fahren können ...

Ich kam gar nicht auf die Idee. Fliegen war billig. Meine Generation kannte das Bahnfahren ja gar nicht mehr. Das ändert sich zum Glück gerade, die Klimadebatte hat uns die Augen geöffnet.

Und jetzt sind Sie nicht nur größter Zugfan für Langstreckenreisen, sondern haben gleich ein Reisebüro gegündet. Was ist passiert?

Nach dem Abitur wollten meine damalige Freundin und ich wie so viele nach Asien. Wir hatten Zeit, wollten möglichst wenig CO2 verursachen. Und dachten, wir machen mal was ganz Verrücktes. Drei Monate haben wir jeden Tag drei bis vier Stunden recherchiert, geplant, verworfen, bis die Reise stand.

Warum war das so kompliziert?

Von Österreich nach Vietnam durchquert man sechs Länder, darunter die Ukraine, Russland, China, jedes Land hat seine eigenen Bahngesellschaften, viele Tickets kann man nur im Land kaufen, allerdings bekommt man das Visum erst, wenn man ein Ticket hat. Wir mussten Leute vor Ort finden, die uns helfen. Wir überwiesen das Geld, sie kauften die Tickets und hinterlegten sie für uns. Selbst unterwegs war es noch eine Zitterpartie, weil wir nicht wussten, ob alles geklappt hat.

Und?

Es hat funktioniert. Tagsüber haben wir uns Städte wie Kiew und Almaty angeschaut. Nachts fuhren wir Bahn, oft im Liege- oder Schlafwagen. Manchmal haben wir für die Nacht im Zug nur 20 Euro bezahlt.

Die Bahnreise war aber letztlich teurer als der Flug ...

Ungefähr 650 Euro, One Way pro Person. Dafür fing die Reise schon in Wien an, in dem Moment, als wir losrollten. In russischen Speisewagen haben wir mit Chorsängern Karten gespielt, in Kasachstan holte ein Schaffner ein goldenes Mikrofon samt Verstärker unter einem Sitz hervor und sang Volkslieder. Jeden Morgen waren wir in einer anderen Stadt, es wurde wärmer, die Luft wurde feuchter. Der Weg Richtung Asien war für uns fast wie eine Kreuzfahrt. Als wir in Hanoi ausstiegen, waren wir nur noch Traveller unter Travellern. Den Einheimischen waren wir in der Bahn deutlich näher.

Waren alle Züge pünktlich?

Oh ja. Je weiter wir Richtung Osten fuhren, desto besser klappte alles. Die Züge dort sind Staatsbahnen, auf die man stolz ist. Sie haben einen sozialen Wert. Russland und China sind die pünktlichsten Bahnländer der Welt, teils sind sehr neue Züge unterwegs. Und in der Ukraine fuhren wir einen toprenovierten Zug aus den 1970ern, in dessen Abteilen alles aus Holz und Leder war, fast wie im Orientexpress.

Sie wollten danach eigentlich Chemie studieren, haben stattdessen aber Ihr Reisebüro für Fernbahntickets gegründet: "Traivelling"

Das hat sich so ergeben, weil uns hinterher alle ausgefragt haben und wir mitbekamen, dass so eine Bahnreise genau den Nerv der Zeit trifft. Nur organisieren will das niemand. Also übernehmen wir jetzt den Job. Früher konnte man ein Ticket samt Reservierung bis nach Peking einfach am Schalter kaufen. Dies geht nun nicht mehr und online schon gar nicht. Die meisten Bahngesellschaften arbeiten nur noch national. Und die Bahnverbindungen samt extrem knapper Umsteigezeiten spuckt ein Algorithmus aus, der nur auf Daten basiert. Aber ich als Mensch mit meiner Reiseerfahrung kann checken, ob das Sinn macht, auf Sonderwünsche eingehen. Die meisten Verbindungen zwischen Europa und Asien kann ich inzwischen auswendig. Und wenn irgendwo ein neuer Kurswagen angekoppelt wird oder eine Baustelle geplant ist, weiß ich das durch meine Kontaktpersonen auch meist ziemlich früh.

Sie betrieben auch ein Notfalltelefon für Ihre Kunden ...

Stimmt, aber bisher hat niemand angerufen. Noch haben alle Reisen geklappt.

Bis Corona ausbrach - Wie überstehen Sie die Krise?

Ich glaube, dass uns diese Pause nachhaltig vor Augen geführt hat, wie wichtig es ist, die Gegenwart mehr und intensiver zu genießen und Zeit mit unseren Liebsten und Freunden zu verbringen – auch eine Chance für das Slow Travelling. Vielleicht werden wir uns, wenn der stressige Alltag wieder losgegangen ist, sogar nach der Ruhe, Entspannung und auch nach der Langeweile sehnen, die Corona uns aufgezwungen hat. Eine Bahnreise durch Europa oder eine Zugweltreise könnte dann vielleicht genau das Richtige sein.

Haben Sie viele Kunden, die wie Sie nach Hanoi reisen möchten?

Wir hatten schon einige Buchungen nach Asien. Aber die meisten wollen innerhalb Europas Langstrecke fahren, nach England, Portugal oder Spanien. Eigentlich ein Trauerspiel, dass selbst in unserem kleinen, gut vernetzten Europa das Bahnfahren so schwierig geworden ist.

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