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Müll in Ozeanen Helfer aus dem Meer: Bakterium lässt Plastik verschwinden

Eine Mülltüte im Meer
Eine Mülltüte im Meer: Jährlich sterben durch Plastik 135.000 Meeressäuger
© Ardea/ Imago
Geschätzte 100 bis 150 Millionen Tonnen Plastik schwimmen aktuell in unseren Ozeanen – und töten Tiere. Fachleute konnten in einer Studie belegen, dass manche Bakterien Plastik abbauen können. Doch das ist nicht die Lösung

In den Meeren treiben riesige Mengen an Kunststoff. Plastikmüll ist ein riesiges Problem. Laut des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) kosten "die Überbleibsel unserer Wegwerfgesellschaft jedes Jahr bis zu 135.000 Meeressäuger das Leben". Es ist also dringend notwendig, etwas zu unternehmen. Bis das Plastikabkommen steht, sollte jeder einzelne versuchen, Plastik zu reduzieren.

Aus dem Meer könnten wir dabei ein bisschen Hilfe bekommen. Denn Forschende fanden jetzt heraus: Ein Meeresbakterium kann sich Kunststoff einverleiben und ihn verdauen. Das hat ein niederländisch-deutsches Forschungsteam in einem Laborversuch nachgewiesen.

Bakterium verstoffwechselt etwas mehr als ein Prozent des Kunststoffs zu CO2

Die Gruppe um Maaike Goudriaan vom Royal Netherlands Institute of Sea Research (NIOZ) auf der Nordseeinsel Texel brachte das Bakterium Rhodococcus ruber mit einem speziellen Polyethylen (PE) zusammen und maß das dabei entstehende Kohlendioxid (CO2). Auf ein Jahr hochgerechnet verstoffwechselt das Bakterium etwas mehr als ein Prozent des Kunststoffs zu CO2 – andere Stoffwechselprodukte sind dabei nicht berücksichtigt.

Bekannt war, dass Rhodococcus ruber in der Natur einen Biofilm auf Kunststoff bilden kann. Zudem wurde bereits gemessen, dass Plastik unter diesem Biofilm verschwindet. "Aber jetzt haben wir wirklich gezeigt, dass die Bakterien das Plastik tatsächlich verdauen", wird Goudriaan in einer Mitteilung ihres Instituts zitiert. Die Forscherin wertet die Ergebnisse als eine Antwort auf die Frage, wohin ein kleiner Teil des Kunststoffs im Meer verschwindet. Aber sie betont: "Das ist sicherlich keine Lösung für das Problem der Plastiksuppe in unseren Ozeanen."

Jährlich verschwinden zwei Prozent des Plastiks im Meer

Goudriaan und Kollegen verwendeten für ihre Experimente ein speziell hergestelltes Polyethylen: Der Kohlenstoff darin liegt als Isotop C-13 vor, das nur zu 1,1 Prozent in der Natur vorkommt. Durch das C-13-Polyethylen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass der Kohlenstoff aus dem gemessenen CO2 tatsächlich aus dem Kunststoff stammt und nicht von einem anderen Prozess im Reaktionsgefäß.

Andere Reaktionsprodukte, wie Methan, Zucker oder Proteine, können mit dieser Methode allerdings nicht gemessen werden. Deshalb ist das Ausmaß des Stoffwechsels größer als es die rund ein Prozent CO2 pro Jahr aussagen.

In den Reaktionsgefäßen bildete die Gruppe die Verhältnisse im Meer nach: Das Wasser war etwas salzig und das Gefäß bestrahlten sie mit ultraviolettem Licht, wie es in Sonnenlicht vorkommt. "Die Behandlung mit UV-Licht war notwendig, weil wir bereits wissen, dass Sonnenlicht Plastik teilweise in mundgerechte Brocken für Bakterien zerlegt", erklärt Goudriaan. Eine kürzlich erschienene Studie von Forschern desselben Instituts hatte ergeben, dass jährlich etwa zwei Prozent des sichtbaren Plastiks im Meer wegen der Zerlegung durch Sonnenlicht verschwinden.

Die Wissenschaftler untersuchten auch, ob es einen Unterschied macht, wenn Kunststoff an der Oberfläche schwimmt oder vollständig im Wasser untergetaucht ist. Im Ergebnis entstand in den Gefäßen mit dem Kunststoff an der Oberfläche etwas mehr CO2 – 1,24 Prozent pro Jahr – als in den Gefäßen mit dem untergetauchten Polyethylen – 1,04 Prozent pro Jahr. Beides war jedoch erheblich mehr CO2, als in den Kontrollgefäßen ohne R. ruber-Bakterien entstand, vermutlich als Folge die UV-Einstrahlung, wie das Team im Fachjournal "Marine Pollution Bulletin" schreibt.

Plastik wird auch in der Natur abgebaut

Die Forscher wollen nun untersuchen, ob dieser Prozess auch in der Natur stattfindet und haben dazu bereits Versuche mit Schlick aus dem Wattenmeer unternommen. "Die ersten Ergebnisse dieser Experimente deuten darauf hin, dass Plastik auch in der Natur abgebaut wird", berichtet Goudriaan.

Vielleicht werde man irgendwann genau bestimmen können, wie viel Kunststoff durch Bakterien abgebaut wird. Doch selbst dann sei es erheblich besser, Vorsorgemaßnahmen gegen das Einbringen von Kunststoff zu treffen, als hinterher das Meer zu säubern, betont die Forscherin. Insgesamt seien zwischen 1950 und 2015 Schätzungen zufolge 117 bis 320 Millionen Tonnen Plastik in den Meeren gelandet, schreibt die Gruppe um Goudriaan.

Stefan Parsch, dpa

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