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Tiny Houses Leben auf kleinem Fuß

Tiny Houses: Vorübergehendes Wohnen in bester Lage: das deutsch-italienische Fincube-Konzept
Vorübergehendes Wohnen in bester Lage: das deutsch-italienische Fincube-Konzept
© Hannes Meraner
Aus Amerika kommt der Trend zum Wohnen auf wenigen Quadratmetern. Tiny Houses heißen die reduzierten, oft mobilen Eigenheime. Die Bewegung findet immer mehr Anhänger - auch in Deutschland

Das erste Minihaus Deutschlands

Steve Areen baute sich sein Traumhaus in nur sechs Wochen: ein rundes, orangefarbenes Minihaus auf einer thailändischen Mangofarm. Für umgerechnet 6500 Euro. Die Bilder seines Minihauses wurden bei Facebook über 100.000 Mal geteilt. Offenbar hat der US-Amerikaner einen Nerv getroffen.

Tiny Houses sind zwischen zehn und 55 Quadratmeter groß, haben ursprünglich eine konventionelle Form mit einem Satteldach und sind oftmals auf Rädern montiert. In Zeiten steigender Mieten werden alternative Wohnmodelle immer interessanter. Auf kleinem Raum lebt es sich kostengünstig und zugleich umweltverträglicher. Ideen dazu liefert die Tiny-House-Bewegung, die in den USA seit Anfang des Jahrhunderts das Downsizing propagiert.

Ein Trend, der auch in Europa angekommen ist - online zumindest. Denn noch verhindern komplizierte Bauvorschriften, Genehmigungspflichten und Straßenverkehrsverordnungen die Ausbreitung der Tiny Houses. Klaus Toczek aus Braunfeld in Hessen ließ sich davon nicht abschrecken - und baut zur Zeit das erste Tiny House in Deutschland.

Tiny Houses: Komfortabel, trendy, mobil: das Tiny House von Klaus Toczek
Komfortabel, trendy, mobil: das Tiny House von Klaus Toczek
© Daniela Singhal

Kosten für ein Tiny House: etwa 20.000 Euro

Sein neues Zuhause soll gerade mal 15 Quadratmeter groß werden: ein kleines, kompaktes Holzhaus auf Rädern, in dem Küche, Bad und Bett Platz finden sollen. Seit März werkelt der 60-jährige IT-Berater an seinem neuen Zuhause. "Ich möchte einfach in der Natur und autark leben", sagt der Hobby-Häuslebauer.

Eine besondere Herausforderung: Jeder Quadratmeter muss optimal durchdacht werden. Am Ende soll sein Haus 3,20 Meter hoch sein und nicht mehr als 3,3 Tonnen wiegen. "Ich habe bestimmt 30 verschiedene Grundrisse durchgeplant und wieder verworfen, bis mein heutiger Entwurf stand", so Toczek.

Kosten soll das Ganze rund 22.000 Euro. "In einem Tiny House zu leben bedeutet für mich persönliche Freiheit. Ich spare Geld für den Bau und den Unterhalt. Ich verschwende weniger Energie, weniger Wasser und weniger Land."

Interessierte können den Bau auf seiner Webseite verfolgen; bis zu 100 Klicks pro Tag verzeichnet Toczek: "Das Interesse ist sehr groß. Es gibt viele, die sich auch gerne so ein Haus bauen würden, aber sich von den Vorschriften in Deutschland abschrecken lassen."

Toczek nutzt für sein Minihaus jede noch so kleine Gesetzeslücke: "Mein Haus ist kein Haus, weil es kein Fundament hat und kein Wohnmobil, sondern nur Ladegut auf einem Anhänger. Außerdem steht es auf einem gepachteten Grundstück, auf dem das Baurecht nicht gilt."

Tiny Houses in Deutschland

Bauberaterin Isabella Bosler ist ebenso fasziniert von der Idee vom Wohnen auf kleinem Raum. Deshalb gründete die Bauberaterin das Infoportal tiny-houses.de: Hier sammelt sie Informationen und Bilder der weltweiten Tiny House-Bewegung. "Der Zuspruch, den wir bekommen, ist enorm", sagt Bosler. Viele Menschen seien fasziniert von dem Thema, aber die wenigsten könnten sich vorstellen, tatsächlich dauerhaft so zu leben. "Wir sind kulturell ganz anders geprägt als die Menschen in den USA", sagt Bosler "Es gibt mehr und mehr das Bedürfnis, vereinfachter zu leben. Auch bei uns geht der Trend hin zum Downsizing. Aber die typischen Tiny Houses, also wirklich winzige Häuser mit um die 15 qm Wohnfläche, die vielleicht auch mobil sind, sucht man hier aber vergebens." 15 Quadratmeter - das sei vielen Deutschen einfach entschieden zu wenig Patz. Zwar gäbe es auch in Deutschland eine zunehmende Nachfrage nach Kleinhäusern. Die haben aber im Vergleich zu den Tiny Houses etwa 80 Quadratmetern Wohnfläche.

Leben im Bauwagen

Feststehende kleine Häuser gibt es in Deutschland so gut wie gar nicht. Denn einfach mal so ein kleines Haus irgendwo hinzubauen, das erlauben die deutschen Gesetze nicht. Bauexpertin Bosler erklärt: "Wenn ein Raum nicht nur als Gartenhütte benutzt wird, braucht man eine Baugenehmigung. Und das ist in Deutschland kompliziert."

Die Schwierigkeit, einen geeigneten Bauplatz zu finden, halte viele Menschen vom Schritt zum eigenen, wirklichen Minihaus mit Strom, Wasser und Sanitäranlagen ab. "Man muss in Deutschland so viele Dinge beachten, dass es sich als Hauptwohnsitz für die meisten nicht lohnt."

Alternativ ziehen manche Menschen in ihre Schrebergartenhütte. Oder sie entscheiden sich für ein Leben im Bauwagen. Bauwagen-Siedlungen gibt es mittlerweile in vielen deutschen Städten. In Deutschland soll es zwischen 150 und 200 Wagenplätze geben. Etliche Bauwagen-Besitzer entscheiden sich auch für einen Platz auf dem Land.

Tiny Houses: Bauwagen im Fläming: Selbst aus- und umgebaute mobile Häuser liegen im Trend
Bauwagen im Fläming: Selbst aus- und umgebaute mobile Häuser liegen im Trend
© Daniela Singhal

So wie Olaf Bergmann (Name von der Redaktion geändert) aus Brandenburg, der sich vor zwei Jahren ein Heim auf Rädern in einem Ort im Fläming baute. Zwei Monate tüftelte er mit einem befreundeten Tischler an dem Wagen; der Bau kostete insgesamt 17.000 Euro. "Das war richtig harte Arbeit", sagt Bergmann.

Auf 20 Quadratmetern hat er alles untergebracht, was er zum Leben braucht: Sein Bett, seine Bücher, seine Küche. Es gibt ein Kompostklo, aber keine Dusche. "Man kann sich ja auch so waschen", sagt Bergmann, der sich bewusst gegen den Komfort entschieden hat. "Die Einfachheit ist mir wichtig. Viele Dinge zu besitzen, das bedeutet nicht mehr Lebensqualität."

Eine rechtliche Grauzone?

Bergmann lebte lange in einer Gemeinschaft. Dann wollte er etwas Neues ausprobieren. Eine Freundin brachte ihn auf die Idee mit dem Wohnwagen. Heute steht sein Wagen auf einer grünen Wiese, umgeben von Apfel- und Mirabellenbäumen. "In dieser Region gibt es viele Menschen, die in einem Bauwagen wohnen", sagt Bergmann.

Leben im Bauwagen - das ist in Deutschland immer noch eine rechtliche Grauzone. "Eigentlich ist es illegal, so zu wohnen", sagt Bergmann. "Deshalb muss man schon couragiert sein und dahinter stehen."

Tischlermeister Richard Wandel ist mittlerweile Experte für Bauwagen. Er hat aus seiner Leidenschaft das Unternehmen Wandel Wagen gegründet und baut ehemalige Bauanhänger aus DDR-Zeiten zu Wohnwagen um. Auf alte Fahrgestelle montiert er einen komplett neuen Wagen zum Wohnen. Je nach Länge des Fahrgestells entsteht ein Wohnraum zwischen 20 bis 23 Quadratmetern. Der Innenausbau kann individuell gestaltet werden. Auf Wohnkomfort müssen seine Kunden nicht verzichten: "In meinen Wagen hat man alles, was man braucht." Beim Modellwagen gehören eine voll funktionsfähige Küche, Schränke, ein Wohnzimmer mit Ofen, ein Bad - einschließlich Waschmaschine und Dusche - zur Ausstattung. Das kostet dann je nach Komfort zwischen 20.000 und 100.000 Euro.

Wandel ist sich sicher, dass es potenzielle Kunden längst in allen sozialen Schichten gibt: "Reduziertes Wohnen im Grünen, das ist eine Lebensform, die nicht mehr nur bei Aussteigern oder den 68ern beliebt ist", meint der Tischlermeister. Er beobachte, dass sich immer mehr Rentner für ein Leben im Bauwagen entscheiden.

"Das sind Menschen, die sich jetzt ihren Kindheitstraum vom selbstbestimmten Leben erfüllen wollen." Für ihn bedeutet das vor allem: Selber entscheiden, wo und wie man lebt. Wandels Wagen steht an einem schönen Platz im brandenburgischen Fläming mit Blick auf den Kiefernwald.

Klaus Toczek will nächstes Jahr in sein Minihaus einziehen. Auch seine Frau ist mittlerweile von dem kleinen Haus begeistert. "Ich freue mich auf das autarke Leben in der Natur", schwärmt Toczek, der sich vor Baubeginn über minimalistische Lebensweisen informierte. "Es ist ein bisschen verrückt. Aber die Idee, zukünftig nur noch einen kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, finde ich fantastisch."

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