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Ernährung Wie gesund ist vegan?

Vegane Ernährung
Brokkoli, Paprika und Co. sind gesund. Nur für Kleinkinder ist vegane Ernährung nicht geeignet
© mauritius images / Cultura / Grant Squibb
Rund eine Million Menschen in Deutschland verzichten auf sämtliche Tierprodukte. Sie ernähren sich nur von Obst und Gemüse, Getreide und Nüssen. Das kann gesund sein - wenn man bestimmte Regeln beachtet

Die Nische ist jetzt überall. Keine Ausnahme mehr, sondern fast schon Mainstream: Rund eine Million Menschen in Deutschland ernähren sich heute vegan, schätzt der Vegetarierbund Deutschland auf Grundlage von Umfragen. Allein in Berlin gibt es inzwischen rund 50 vegane Restaurants, in München serviert selbst das Oktoberfest neben Fleisch nun tierfreie Holzfäller-Grillsteaks und veganen Leberkäse, und im Jahr 2016 verzeichnete der deutsche Buchmarkt mehr als 200 Neuerscheinungen veganer Kochbücher.

Der Verzicht auf alle tierischen Produkte - Nahrungsmittel ebenso wie Wollpullover oder Lederschuhe - ist für die Mehrheit der Veganer eine Gewissensentscheidung. Aber Gesundheitsgründe sind längst nicht mehr nur Nebeneffekt: Immer mehr Neu-Veganer setzen die Ernährungsumstellung als Selbstmedikation ein, gegen Hautprobleme, Verdauungsbeschwerden, Migräne oder Gicht.

Veganismus ist wenig erforscht

Ob und wie Veganer von ihrer Ernährung gesundheitlich profitieren, ist noch vergleichsweise wenig erforscht. Gesichert ist immerhin, dass sich der Verzicht auf tierische Lebensmittel bei einer sonst ausgewogenen Ernährung nicht schädlich auswirkt - allerdings kostet das etwas Aufwand: Um Mangelerscheinungen zu vermeiden, müssen sich Neu-Veganer einiges Wissen über Nahrungsmittel und ihre Inhaltsstoffe aneignen.

Doch gerade daran hapert es oft, klagen Ernährungswissenschaftler. Zwar sind Veganer mit einer Reihe von Nährstoffen wie Beta-Carotin, Vitamin C oder Folsäure meist deutlich besser versorgt als der Bevölkerungsdurchschnitt - doch weisen sie zugleich häufig Defizite bei Eisen, Kalzium und einigen essenziellen Fettsäuren auf, obwohl sich der Bedarf auch über pflanzliche Lebensmittel ausreichend decken ließe. Gute Quellen für Kalzium sind Sesam, Mandeln, Grünkohl, Rucola, Spinat, getrocknete Feigen, angereicherte Sojaprodukte und manche Mineralwassersorten. Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D verbessert zudem die Aufnahme von Kalzium aus der Nahrung.

Auch die Aufnahme von Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln lässt sich mit gleichzeitiger Zufuhr von Vitamin C oder anderen organischen Säuren aus Obst und Gemüse gezielt steigern (Tee und Kaffee hemmen dagegen die Eisenaufnahme). Viel Eisen liefern Linsen und Kichererbsen, getrocknete Aprikosen und Pfirsiche, Kürbiskerne oder Pistazien sowie Haferflocken, Hirse und der getreideähnliche Amarant. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren finden sich vor allem in pflanzlichen Ölen, Walnüssen, Leinsamen und einigen Mikroalgen, die auch als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich sind. Mediziner empfehlen für Veganer besonders den regelmäßigen Verzehr von Lein- und Rapsöl, um die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren zu verbessern.

Veganer leben meist gesünder

Die zuweilen schlechtere Versorgung mit bestimmten Nährstoffen führt bei Veganern allerdings nichts zwangsläufig zu Mangelerscheinungen. Da sie meist gesund leben, nicht rauchen, kaum Alkohol trinken und sich mehr bewegen, haben sie oft einen geringeren Nährstoffbedarf als die Durchschnittsbevölkerung: Sie müssen mit Vitaminen und Mineralstoffen weniger schädliche Einflüsse kompensieren als ihre Mitmenschen.

Größtes Risiko für Veganer ist die Unterversorgung mit Vitamin B12, das an Zellteilung, Blutbildung und der Funktion des Nervensystems beteiligt ist und nahezu ausschließlich in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vorkommt. Weil die körpereigenen Speicher drei bis fünf Jahre reichen, macht sich ein Mangel an Vitamin B12 meist erst spät bemerkbar - aber er kann zu bleibenden neurologischen Schäden führen.

Veganer müssen ihren Bedarf deshalb über Nahrungsergänzungsmittel, angereicherte Lebensmittel oder eine speziell entwickelte Vitamin-B12-Zahncreme decken. Bei Gruppen mit besonders hohem Nährstoffbedarf wie Säuglingen, Kleinkindern, Schwangeren und Stillenden raten viele Mediziner wie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von veganer Ernährung bislang ab.

Mit keiner anderen Ernährungsweise verlieren Menschen mehr Gewicht

Für alle anderen gilt: besser nicht zu viel Verzicht auf einmal. Wer dauerhaft vegan leben will, sollte sich dem Ziel schrittweise annähern, rät der Bioethiker Erwin Lengauer, der an der Universität Wien das internationale Forschungsprojekt „Vegstudies“ koordiniert - denn eine radikale Umstellung hielten Untersuchungen zufolge die meisten Menschen nicht lange durch.

Langfristig empfehlen Studien die Umstellung auf vegane Ernährung als effektives Mittel gegen Übergewicht: Mit keiner anderen Diät verloren Probanden mehr Kilos. Weil der Verzicht auf tierische Produkte zu geringerem Körpergewicht, niedrigerem Blutdruck und besseren Blutfettwerten führt, eignet sich vegane Ernährung auch als Therapie für bestimmte chronische Krank- heiten wie rheumatische Arthritis.

Für die Behandlung von Diabetes, das zeigen Untersuchungen aus den USA, ist die pflanzenbasierte Ernährung - etwa bei der Kontrolle des Blutzuckers und der Blutfettwerte - sogar wirksamer als eine konventionelle Ernährungstherapie. Dadurch kann die Dosis an Medikamenten, die den Blutzuckerspiegel regulieren, oft deutlich reduziert werden. Zudem verbessert die vegane Kost auch Blutzirkulation und Schmerzempfinden bei Patienten, die unter Diabetes-typischen Nervenschäden leiden.

Auch präventiv scheint der Verzicht auf alle tierischen Produkte zu wirken: Vor Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die oft durch Übergewicht und Bluthochdruck entstehen, sind Veganer möglicherweise noch besser gefeit als Vegetarier. Besonders Männer profitieren von diesem Schutzeffekt, wie US-Forscher in einer Auswertung mehrerer Langzeitstudien festgestellt haben. Allerdings sind in dem westlichen Kulturkreis derzeit noch weitaus mehr Frauen als Männer Veganer.

Auch Bessergebildete und Großstädter sind bislang überrepräsentiert. Selbst wenn der Totalverzicht auf Tierprodukte noch nicht als gesellschaftlicher Großtrend gilt - ein Wirtschaftsfaktor ist er längst. Und inzwischen sogar Studienfach: 2016 startete an einer deutschen Fachhochschule mit dem Bachelor-Angebot „Vegan Food Management“ der erste Veganismus-Studiengang.

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