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von GEO EPOCHE

Erster Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa: Herrscher ohne Furcht und Gnade

Portrait von Frederick I Barbarossa
Sechs Mal zieht Kaiser Friedrich I. (1122-1190) aus der Stauferdynastie, der wegen seines rötlichen Bartes "Barbarossa" genannt wird, über die Alpen, um seine Autorität bei den zum Reich gehörenden italienischen Städten durchzusetzen
© Georgios Kollidas / Adobe Stock
Kaiser Friedrich I. Barbarossa herrscht ab 1155 über das "Heilige Römische Reich deutscher Nation". Es erstreckt sich bis zum Südrand der Toskana. Doch die italienischen Reichsgebiete widersetzen sich immer wieder der Autorität des Herrschers. Darauf reagiert Barbarossa mit maßloser Gewalt

Ein Mann von niederem Stand, ein gemeiner Reitknecht schließlich ist es, der des endlosen Wartens müde wird. Ganz allein, nur mit Schwert und Schild bewaffnet, stürmt er den Wall zur Stadt hinauf und schlägt sich mit einem kurzen Beil Stufen in den steilen Untergrund. Er achtet nicht auf die Steinbrocken, die von den Katapulten seiner Männer in seinem Rücken gegen die Mauern der Befestigung geschleudert werden. Kümmert sich nicht um die Wurfspieße und Steine der Belagerten, die von vorn auf ihn niederprasseln.

Bis an die Spitze des Walls klettert der Mann hinan, wo sich ein jahrhundertealter Turm aus Ziegelstein erhebt, von den Geschossen der Angreifer nun schon halb zerstört. Dort streckt der Reitknecht, so berichtet es später ein Chronist, "in mannhaftem Kampf einen bewaffneten Ritter durch seine Streiche zu Boden" und kehrt sodann ins Feldlager zurück, unversehrt und wohlbehalten. Wie sich herausstellt, ist es nicht die Gier nach Ruhm, die den Mann zu seinem Heldenstück getrieben hat. Denn als der König ihn zu sich holen lässt, um ihn mit dem Rittergürtel auszuzeichnen, winkt er ab. Er sei mit seinem Los und Stand zufrieden, nur "der langen Belagerung überdrüssig geworden".

Mag sein, dass die Geschichte vom selbstmörderisch tapferen Reitknecht eine Legende ist, eine Ausschmückung des Chronisten. Aber sie versinnbildlicht den Gemütszustand, in dem sich die Krieger des Königs nach wochenlangem Ausharren vor der Stadt befinden müssen. Und vor allem die Verfasstheit des Königs selbst: Friedrich I. Barbarossa.

Barbarossa will nach Rom – sitzt aber in der Lombardei fest

Am 14. Februar 1155 ist der deutsche Herrscher mit seinem Heer vor den Mauern Tortonas aufgezogen, einer kleinen Handelsstadt in der Lombardei, auf halbem Wege zwischen Genua und Mailand. Eigentlich war Barbarossa mit dem Ziel nach Italien aufgebrochen, in Rom die Kaiserkrone in Empfang zu nehmen. Nun aber muss er Krieg führen. Schon beim ersten Angriff konnten seine Männer die Unterstadt der Siedlung überrennen und Klöster, Mühlen, Scheunen niederbrennen. Nur dank eines heraufziehenden Unwetters vermochten sich die meisten der Bewohner von Tortona in die Oberstadt mit der Burg zu retten, die gut geschützt auf einem Berg mit jäh abfallenden Seiten liegt.

Doch seither ist der Ansturm ins Stocken geraten. "Unverzüglich wurden Maschinen und Geschütze verschiedener Art gebaut, und Bogenschützen und Schleuderer behielten die eingeschlossene Burg im Auge", berichtet der Chronist. "Alles versuchte der energische König, und wo er schwächere Stellen der Burg entdeckte, griff er mit stärkerer Mannschaft an." Aber Tortona will nicht fallen. Und Barbarossa sitzt nun in der Lombardei fest.

Aufgeben? Unmöglich für einen Herrscher wie Barbarossa 

Statt sich vom Papst in der prächtigen Peterskirche salben und krönen zu lassen, rennt er mit seinen Rittern gegen Mauern an. Statt in den Palästen Roms zu tafeln, kampiert er auf einem Hügel östlich von Tortona, in Schmutz und Schlamm. Rings um ihn, auf Äckern und in Gärten, lagern die Großen des Reiches, die ihn nach Rom begleiten wollten: die Erzbischöfe von Köln und Trier, die Bischöfe von Bamberg, Worms und Konstanz, die Herzöge von Sachsen, Burgund und Zähringen. Dazu 1800 Ritter, die Barbarossa aus den deutschen Landen nördlich der Alpen gefolgt sind und nun ohnmächtig vor einer unbedeutenden, doch stark befestigten Stadt stehen. Mit jeder weiteren Woche der Belagerung verliert Barbarossa Männer bei den Scharmützeln vor den Toren, verliert er Proviant für sein Heer. Verliert er vor allem Zeit.

Erster Italienzug Kaiser Friedrichs I.
Im Oktober 1154 bricht Barbarossa zum Zug über die Alpen auf, um sich in Rom zum Kaiser krönen zu lassen. Anfangs empfangen ihn die Abgesandten der italienischen Städte mit Geschenken. Doch schon bald kommt es zu Zusammenstößen
© akg-images

Aber dem König bleibt keine Wahl, er kann die Belagerung unmöglich aufgeben. Denn Tortona hat seine Autorität herausgefordert. Hat sich - angeklagt von einer anderen italienischen Stadt - geweigert, zur Verhandlung vor seinem Hofgericht zu erscheinen. Hat gar nicht erst sein Urteil abgewartet, sondern ihn, der als römisch-deutscher König auch höchster Richter des Reiches ist, von vornherein der Befangenheit bezichtigt. "Seht, ihr Ritter", soll Barbarossa daraufhin zu den Fürsten gesagt haben: "In unserem eigenen Reich werden wir gering geschätzt. Die königliche Majestät und Macht wird verachtet. Eine kleine Stadt widersetzt sich meinen Befehlen. Was werden die großen Städte und mächtigen Einwohnerschaften tun?"

Barbarossa muss ein Zeichen setzen. Wie steht es auf der Reichskrone, die ihm der Erzbischof einst in Aachen überreicht hat? "Die Ehre des Königs liebt den gerechten Urteilsspruch." Und nun wagt es diese Stadt, seine Gerechtigkeit anzuzweifeln - und damit nicht weniger als seine Ehre. Drei Jahre ist es her, dass Friedrich I. Barbarossa in Aachen zum römisch-deutschen König gekrönt worden ist. Dass er auf dem Marmorthron Karls des Großen die Reichskrone, das Zepter und den Reichsapfel in Empfang genommen und den Eid geschworen hat, "dem ganzen uns anvertrauten Volk Gesetz und Frieden zu schaffen".

Rothaarige wie Barbarossa gelten als bösartig und jähzornig

Wohl 29 Jahre ist Barbarossa damals alt, ein mittelgroßer, athletischer Mann mit einem einnehmenden Gemüt: "Sein Antlitz war heiter, und immer schien er lächeln zu wollen", so beschreibt ihn eine Chronik. Doch die Augen sind scharf und durchdringend, die Lippen schmal. Die Ohren liegen frei, weil des Königs Barbier Haupthaar und Bart "aus Rücksicht auf die Würde des Reiches" regelmäßig stutzt. Rotblond der Schopf, rot der Bart.

Den Namen Barbarossa, Rotbart, geben ihm die Italiener. Wohl auch deshalb, weil im Mittelalter Rothaarige als bösartig und jähzornig gelten - und ebendiese Charaktereigenschaften schreiben sie dem König zu. Denn etwas stimme nicht mit ihm, finden die Südeuropäer: Zwar spreche er häufig in scherzhaftem Ton, aber er sei auch geübt darin, das eine zu sagen "und anderes im Herzen zu bergen". Für falsch und verschlagen halten ihn seine Gegner, für gerissen seine Anhänger. Schon den Thron habe er "listig wie ein Fuchs" errungen.

Friedrich I. ist der Abkömmling einer lange Zeit unbedeutenden Adelsfamilie, der erst unter Heinrich IV. der Aufstieg unter die Großen des Reiches gelingt: Der römisch-deutsche König erhebt Barbarossas Großvater 1079 zum Herzog von Schwaben und gibt ihm seine Tochter zur Frau.

Barbarossa lernt das Kämpfen – aber niemals Lesen

Das geschieht allein aus Machtpolitik: Heinrich IV. benötigt einen treuen Vasallen in Süddeutschland, weil dort mehrere Fürsten gegen seine Herrschaft opponieren. Friedrichs Großvater ist es auch, der auf dem Bergkegel des Hohenstaufen am Rand der Schwäbischen Alb eine Burg errichtet, die der Dynastie später ihren Namen gibt: die Staufer.

Der neue Herzog von Schwaben und seine Söhne werden zu wichtigen Vertrauten der deutschen Herrscher. 1138 wählt die Versammlung der Fürsten sogar einen Staufer auf den Königsthron: Konrad III., Barbarossas Onkel.

Barbarossa wächst derweilen wohl auf, wie es für einen jungen Adeligen üblich ist: Er erlernt den Umgang mit Schwert und Lanze, mit Pferd und Jagdfalken, jedoch niemals Lesen und Schreiben, erst als alter Mann Latein. Er beweist seine Tapferkeit zunächst bei ritterlichen Turnieren, dann in blutigen Fehden mit verfeindeten Adelsfamilien.

Der junge Adlige giert nach Ruhm – und vergisst keine Beleidigung

Ein aufbrausendes Temperament bescheinigen ihm die Zeitgenossen, immer nach Ruhm gierend, immer angriffslustig, mit einem langen Gedächtnis für erlittene Beleidigungen. Einen "Freund der Kriege" nennt ein Chronist den Staufer, der noch als Greis von fast 70 Jahren in vorderster Linie an der Seite seiner Ritter kämpfen wird - "keiner mehr bereit, sich Gefahren auszusetzen".

Mit wohl 24 Jahren vermählt sich Barbarossa mit Adela, der Tochter eines bayerischen Markgrafen. Die Ehe bleibt kinderlos, später als König wird Barbarossa sich von der nicht mehr standesgemäßen Gattin scheiden lassen und Beatrix heiraten, eine Tochter des Grafen von Burgund, die ihm drei Töchter und acht Söhne gebiert, darunter seinen Nachfolger Heinrich VI.

Gegen den Willen des Vaters begleitet Barbarossa im Mai 1147 seinen Onkel, König Konrad III., auf einen Kreuzzug ins Heilige Land. Auch hier berichten die Chroniken von seiner maßlosen Wesensart: Als ein Ritter in einer Herberge auf dem Weg ermordet wird, schickt Konrad den Neffen zurück, um Rache zu üben. Barbarossa kehrt um und lässt "sinnloserweise das ganze ehrwürdige Kloster, zu dem die Herberge gehört hat, in Flammen aufgehen".

Niemand rechnet damit, dass Barbarossa König wird

Die Heerfahrt endet in demütigenden Niederlagen, aber Barbarossa macht zum ersten Mal Erfahrungen in der großen Politik: Als Gesandter trifft er auf den französischen König, in Byzanz erlebt er die Konflikte mit dem oströmischen Kaisertum. Vor allem wird er seinem Onkel zum wichtigen Begleiter.

Trotzdem rechnet niemand damit, dass Barbarossa zum König der Deutschen werden könnte, als Konrad nach der Rückkehr überraschend stirbt, wahrscheinlich an Malaria. "Bald darauf schied König Konrad aus dem Leben und hinterließ die Königsherrschaft seinem Neffen Friedrich", heißt es knapp und auffallend harmlos in einem zeitgenössischen Geschichtswerk.

Aber wenn die Nachfolge im besten Einvernehmen geregelt ist - warum dann die Eile, mit der Barbarossa zu Werke geht? Schon 17 Tage nach Konrads Tod versammeln sich die Fürsten in Frankfurt, um ihn zu küren. Wenig später trifft er in Aachen zur Krönung ein. Die Hälfte der Strecke zwischen den beiden Städten, 150 Kilometer, legen er und sein Gefolge in zwei Tagen zu Pferd zurück, ein kaum vorstellbarer Gewaltritt.

Der Grund für die Hast: Konrad hatte eigentlich den eigenen, achtjährigen Sohn als Nachfolger vorgesehen und noch vor seinem Tod das Treffen in Aachen für dessen Krönung einberufen. Aber Barbarossa ist es binnen Kurzem gelungen, die wichtigsten Bischöfe und Fürsten, darunter das mit ihm verwandte Geschlecht der Welfen, mit Zugeständnissen auf seine Seite zu ziehen und den Königssohn zu verdrängen.

Der neue König gilt als "leutselig und freigiebig"

Als "scharfsinnig und rasch im Entschluss" beschreibt ihn ein Beobachter, erkennt zudem in Friedrich die Fähigkeit, Anhänger zu gewinnen und Menschen für sich einzunehmen: "Leutselig und freigiebig" sei der neue Herrscher.

Denn Barbarossa weiß sehr wohl, dass es nicht genügt, nur diejenigen unter den Fürsten mit Land und Titeln zu belohnen, die ihn bei dem Griff nach der Krone unterstützt haben - er muss auch Rücksicht auf die Ehre der Großen nehmen, die nicht zu seinem Lager zählen.

So überträgt er zwar später das Herzogtum Bayern an Verwandte aus der Welfen-Dynastie, als Lohn für ihren Beistand - doch zugleich bildet er aus einem Teil davon ein neues Herzogtum mit dem Namen Österreich, um damit den bisherigen Herrscher zu entschädigen. Schon wenige Wochen nach der Krönung erlässt er Bestimmungen über einen "Landfrieden", der die immer wieder aufflackernden Fehden zwischen den Adeligen begrenzen soll - ein deutliches Zeichen für seinen Willen, als Herrscher Recht und Eintracht durchzusetzen.

Außerdem reist er im Verlauf von neun Monaten durch alle Reichsteile nördlich der Alpen, um Konflikte unter den Fürsten zu schlichten. Und so kann er dank der nun geordneten Verhältnisse Vorbereitungen für seinen Zug nach Rom treffen. Denn seit der Kaiserkrönung Ottos I. im Jahr 962 ist es Tradition, dass dem römisch-deutschen König auch die Kaiserkrone zusteht.

Der Kaiserkrönung Barbarossas scheint sicher. Doch es kommt anders

Mit dem Papst haben Gesandte des Reichs schon alles besprochen: Der Heilige Vater sei bereit, so wird signalisiert, den Staufer "ohne Schwierigkeit und Widerspruch" zum Kaiser zu krönen. Doch dann treten auf einem Hoftag 1153 zwei Bittsteller mit einem Ansinnen vor den König, das seinem Italienzug eine völlig neue Wendung gibt.

Ein bemerkenswerter Auftritt: Aus einer nahen Kirche haben sich die zwei Männer Kreuze auf die Schultern geladen, um sich nun weinend und wehklagend zu Barbarossas Füßen in den Staub zu werfen. Sie kämen aus der Stadt Lodi, um Klage gegen Mailand zu erheben, das ihren Heimatort seit Langem unterdrücke und beraube und nun auch noch ihren Markt verboten habe, wodurch "viele Menschen von Lodi in Mittellosigkeit gesunken" seien. Der König als Wahrer des Rechts müsse den Mailändern befehlen, den Markt wieder wie früher auszurichten.

Es ist das erste Mal, dass Barbarossa von den Verhältnissen in der Lombardei erfährt. Und noch weniger kann er ahnen, dass ihn der Streit über das Verbot eines bedeutungslosen Markts in einen jahrzehntelangen Krieg mit den Städten Oberitaliens verstricken wird.

Die beiden Orte liegen nur 30 Kilometer voneinander entfernt in der Lombardei, dem ehemaligen Reich der Langobarden. Bereits Otto I. hat 951 deren Krone errungen und sie mit seiner Königswürde verbunden. Traditionell gehört die Region seither zum römischdeutschen Herrschaftsgebiet. Doch die Autorität des Monarchen ist südlich der Alpen eher Anspruch als Realität.

Die Lombardei ist eine nicht klar umrissene Region - im Norden begrenzt von den Alpen, im Süden vom Po -, zu der in jener Zeit auch das heutige Piemont und das schweizerische Tessin zählen. (Mittelitalien wird im Wesentlichen vom Papst beansprucht, und normannische Könige halten den Süden besetzt).

Barbarossas Vorgänger haben sich in den Jahrzehnten zuvor nur selten in Oberitalien aufgehalten und den Entwicklungen dort nicht viel Beachtung geschenkt, auch nicht dem Erstarken Mailands, das in ständigen Kriegen immer mehr Städte und Landstriche erobert hat. Dennoch: Die Mailänder sind nach wie vor Untertanen des Königs und das eigenmächtige Verbot eines Marktes ist ein Eingriff in sein Hoheitsrecht.

Die Mailänder beleidigen Barbarossas Gesandten

Barbarossa schickt den Mailändern den Befehl, den Markt von Lodi wieder zuzulassen. Doch die Oberen der Stadt, anstatt demütig zu gehorchen, werfen "ganz erregt von Zorn und Wut, den Brief mitsamt dem Siegel auf den Boden", so der Chronist, und "zerknüllen und zertreten ihn mit ihren Füßen". Auch der königliche Gesandte wird gedemütigt. Weder beschenkt noch geehrt, muss er Mailand bei Nacht verlassen.

Der König und die Fürsten können es nicht glauben, als sie davon erfahren: Denn wer einen Gesandten Barbarossas beleidigt, beleidigt ihn selbst. Wer sein Siegel zertritt, führt ihm symbolisch seine Machtlosigkeit vor Augen.

Was ist nur in die Herren dieser italienischen Stadt gefahren? Welche Kräfte wirken in der Lombardei? Lange Zeit stützte sich die Herrschaftsgewalt des Reiches in Oberitalien auf Bischöfe, die wie weltliche Fürsten das Land verwalteten. Aber die fruchtbaren Böden, der rege Handel und wachsender Wohlstand ließen die Städte aufblühen und machten deren Bürger selbstbewusster.

Seit dem späten 11. Jahrhundert forderte die städtische Führungsschicht immer mehr Teilnahme an der Herrschaft ein und gründete "Kommunen", die von gewählten Konsuln geführt wurden. Die römisch-deutschen Könige und Kaiser hielten sich in der Regel nördlich der Alpen auf. Mächtige Stadtstaaten bildeten sich in Italien, die Nachbarn unterwarfen und sich gegenseitig in einem Netz aus Bündnissen und Feindschaften bekriegten.

Die stärkste dieser Städte ist 1153 Mailand. Und obwohl ihre Führer den König theoretisch als den höchsten Herrscher des Reiches und damit auch der Lombardei anerkennen, wollen sie ihm nicht zu viel Einfluss zugestehen. Schließlich hat sich jahrzehntelang kein Herrscher an der Autonomie der Kommunen gestört, auch nicht an der Macht Mailands, das sich Städte wie Lodi unterworfen hat. Der Brief mit den Befehlen Barbarossas erscheint den Konsuln daher wie eine Anmaßung.

Die Mailänder hoffen auf die Aussöhnung mit Barbarossa

Anfang Oktober 1154 bricht Barbarossas Heerzug nach Rom auf, wo der Deutsche zum Kaiser gekrönt werden soll, und erreicht Ende des Monats die Lombardei. Viele Kommunen dort schicken ihm Gesandte und Geschenke entgegen - auch Mailand. Offenbar sind die Einwohner der Stadt gespalten in der Frage, wie mit dem Staufer umzugehen sei. Eine Gruppe von Konsuln glaubt noch an eine Aussöhnung. Verhandlungen beginnen, man einigt sich auf die Zahlung von 900 Kilo Silber an den König, um ein Bündnis einzugehen. Auf der Seite Mailands erhofft man sich damit, dass die bestehenden Machtverhältnisse anerkannt werden und der Konflikt beigelegt wird.

Aber noch vor der Geldübergabe kommt es zu einem weiteren Zwischenfall: Mailänder Bürger sollen Barbarossas Zug ein Stück begleiten, sich um Lagerplätze und Versorgung des Heeres kümmern, wie es für die Städte Pflicht ist. Tatsächlich aber, so zumindest berichten es die (königstreuen) Quellen, führen die Männer die Truppen drei Tage lang durch ödes Gebiet fernab von Siedlungen und Märkten - wohl, um Mailänder Besitz zu schützen: Denn wenn einem Heer die Vorräte ausgehen, versorgen sich die Soldaten aus dem Land, durch das sie ziehen, plündern Siedlungen, Gärten, Felder, rauben Futter für ihre Pferde und Nahrungsmittel für sich.

Der Furor Barbarossas kennt keine Grenzen

Barbarossa bebt vor Wut. "Es steigerte seinen Zorn noch mehr", berichtet ein Chronist, "dass das ganze Heer infolge starker Regengüsse so erbittert gewesen sein soll, dass wegen dieser doppelten Belastung durch Hunger und schlechtes Wetter alle, so viel sie konnten, den König gegen die Mailänder aufhetzten." Eine schwierige Situation für den Herrscher: Erbost umringen ihn die Fürsten, nass und hungrig erwarten die Ritter den nächsten Schritt. Erneut hat Mailand ihn beleidigt. Sein Ansehen ist in Gefahr, seine Ehre steht auf dem Spiel.

Barbarossas Truppen ziehen auf Mailand zu
Mailand ist die mächtigste italienische Kommune. Ihre selbstbewussten Bürger weigern sich, den Befehlen Barbarossas zu gehorchen. Daraufhin lässt der Kaiser die stark befestigte Stadt von seinen Truppen belagern
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Und die ist zu jener Zeit im Zentrum des ritterlichen Denkens. Nur wer die Verletzung seiner Ehre rächt, hat Anspruch auf Gefolgschaft. Als Herzogssohn, der nicht zum König vorgesehen war und seine Eignung für den Thron den anderen Fürsten immer aufs Neue beweisen muss, reagiert Barbarossa besonders reizbar auf jeden Angriff seines Rangs. Ein Kompromiss ist von nun an ausgeschlossen.

Die Mailänder weigern sich, "den Nacken zu beugen"

Als Erstes lässt er einen Ort plündern, um sein Heer zu versorgen. Die Gruppe jener Mailänder, denen an einem Ausgleich mit dem Staufer gelegen ist, reißt daraufhin demonstrativ das Haus eines der Männer nieder, die das königliche Heer in die Irre geführt haben. Barbarossa ist nicht besänftigt. Er ordnet an, das Umland der Stadt zu verwüsten und Brücken zu zerstören. Nun erscheinen Unterhändler Mailands mit dem vereinbarten Silbergeld, doch er jagt sie fort und fordert die Unterwerfung unter sein Hofgericht. Das aber will die Kommune nicht akzeptieren: Sie setzt jene Konsuln ab, die sich für eine Einigung mit ihm eingesetzt haben, und weigert sich, "den Nacken zu beugen". Als Reaktion darauf schleifen Barbarossas Krieger zwei Burgen: Wie bei einer Fehde zwischen zwei Rittern schraubt sich der Konflikt immer weiter in die Höhe.

Mailand treibt vor allem das Vertrauen auf die eigene militärische Überlegenheit zum Widerstand. Die Metropole mit wohl 150 000 Einwohnern kann 3000 Ritter und 9400 Mann Fußtruppen aufbieten - deutlich mehr Soldaten, als mit Barbarossa über die Alpen gezogen sind. Schließlich ist der Staufer ja wegen der Kaiserkrönung nach Italien gekommen, den Kampf mit Mailand hat er nicht erwartet. Daher wagt er es auch nicht, die Metropole direkt anzugreifen.

Bald strahlt der Konflikt auch auf andere Städte aus. Barbarossa wird in die Zerwürfnisse der lombardischen Kommunen verstrickt. Schon erheben die Stadtväter von Pavia, Feinde Mailands, Klage gegen das mit Mailand verbündete Tortona, das Pavia immer wieder angreift.

Der Konflikt in der Lombardei weitet sich aus

Das Vertrauen auf den mächtigen Partner macht die Tortonesen leichtsinnig: Als Barbarossa sie auffordert, vor seinem Gericht zu erscheinen, verweigern sie den Gehorsam, erklären ihn für parteiisch. Schon dafür müsste sie der König bestrafen. Zudem sieht er die Chance, Mailand nun indirekt zu treffen.

Seine ganze Wut richtet sich daher jetzt gegen den schwächeren Verbündeten der Metropole: Tortona. Doch die Stadt ist wehrhafter als gedacht. Zum einen liegt sie gut geschützt auf einem steilen Berg rücken. Zum anderen schickt Mailand Hilfe: 100 Ritter und 200 Bogenschützen erreichen Tortona noch vor Barbarossas Kriegern. Eine zweite Streitmacht aber kommt zu spät, Barbarossas Belagerungsring hat sich da schon eng geschlossen.

Über Wochen berennt das Heer des Königs nun die Festung. Mit Mauerbrechern, metallbeschlagenen Stoßbalken, versuchen die Krieger, Breschen in Tore und Mauerwerk zu schlagen. Leichte und schwere Wurfmaschinen schleudern unablässig Steine und Pfeile über die Zinnen der Mauern. Einer der Felsbrocken aus den Katapulten ist so gewaltig, dass er mit einem Schlag drei Ritter Tortonas tötet, die sich neben der Domkirche beraten haben.

Barbarossas Männer legen sogar Tunnel an, in denen sie sich bis an die Fundamente der Türme vorarbeiten wollen, um die zum Einsturz zu bringen - doch die Grabenden werden verschüttet. Um den Willen der Eingeschlossenen endlich zu brechen, lässt der König Gefangene in Sichtweite der Festung aufhängen sowie den Fluss vergiften, der die Stadt mit Trinkwasser versorgt: Seine Knechte werfen verwesende Leichen in den Fluss, dann "Fackeln mit Flammen aus Schwefel und Pech", die das Wasser endgültig ungenießbar machen.

Das gibt den Ausschlag. Nicht Waffengewalt, sondern Durst, Hunger, Krankheiten und Pestgestank besiegen die Tortonesen. Am 18. April 1155, neun Wochen nach Beginn der Belagerung, ziehen die Bewohner, "leichenblass, als ob sie aus den Gräbern hervorkämen", aus der Stadt hinaus in Barbarossas Lager, um sich zu unterwerfen.

Barbarossa verspricht den Unterlegenen Milde. Und zerstört dann ihre Stadt

Im Gegenzug ist ihnen vom König zugesagt worden, "dass sie wenig oder nichts an Sach- und Personenschäden haben" und "auch die Befestigungen nicht zerstört würden". So jedenfalls steht es zu lesen in der Schrift eines anonymen Autors, wohl eines Geistlichen aus Tortona, der die Belagerung seiner Heimatstadt selbst miterlebt.

Mit einem Lächeln - und das ist es, was den Berichterstatter besonders empört - nimmt der König die Einwohner wieder in seine Huld auf. Am nächsten Morgen aber lässt er Tortona plündern, niederbrennen und bis auf die Grundmauern zerstören.

Hat er dieses Versprechen vielleicht nie gegeben, wie es in staufernahen Quellen steht? Oder hat er die Stadt betrogen, um endlich nach Rom ziehen zu können? Oder überschätzt der Autor aus Tortona vielleicht des Königs Spielraum? Denn neben den deutschen Rittern haben sich auch Kämpfer aus Pavia an der Belagerung beteiligt. Und wahrscheinlich haben sie darauf bestanden, die Stadt zu vernichten.

Mit der Zerstörung Tortonas zeigt sich zum ersten Mal das Dilemma des Staufers: Er besitzt nicht die militärische Macht, um als überparteilicher Richter und Friedenswahrer in Oberitalien aufzutreten. Wie die römisch-deutschen Könige und Kaiser nach ihm braucht er Verbündete unter den Kommunen, die er wiederum für ihre Treue belohnen muss - und wird so unweigerlich hineingezogen in den Streit der italienischen Städte untereinander. Jede Allianz des Königs wird so zu einer Parteinahme, die diese Rivalitäten weiter schürt.

Heimlich schleicht Barbarossa zum Papst, um sich krönen zu lassen

Mitte Juni erreicht er endlich Rom. Aber auch hier regieren Konsuln, und wie in den Kommunen im Norden ringen sie hier ebenfalls mit dem Bischof um die Macht in der Stadt; im Falle Roms ist das freilich der Papst: Hadrian IV. Das Selbstbewusstsein der Konsuln ist derart groß, dass sie Barbarossa - für eine enorme Geldsumme - die Krone aus der Hand der römischen Bürger anbieten statt aus der des Papstes.

Die Kaiserwürde gegen Bezahlung und verliehen vom gemeinen Volk? Barbarossa lehnt empört ab. Aber wegen der offenen Feindseligkeit der zahlenmäßig weit überlegenen Römer ist er gezwungen, heimlich und in der ersten Stunde des Sonnenaufgangs in die Peterskirche zu schleichen, um sich von Hadrian IV. salben und krönen zu lassen.

Doch noch während des Festmahls am Mittag stürmen Bürger über die Brücke an der Engelsburg im Osten und von Süden her gegen die Mauern der päpstlichen Residenz und attackieren das Heer des Staufers. 1000 Angreifer sollen von den deutschen Rittern an diesem Tag getötet worden sein, berichten die kaisernahen Chronisten. Italienische Quellen zeichnen ein anderes Bild: Die Streitkräfte der Römer sind viel stärker als erwartet, an eine Eroberung der Stadt ist nicht zu denken.

Barbarossa zieht aus Rom ab – und der Papst muss fliehen

Denn genau das war eigentlich Teil der Absprache mit dem Papst: Im Gegenzug für die Kaiserkrone sollte Barbarossa mit seinen Kriegern dem Heiligen Vater die Herrschaft über das rebellische Rom sichern. Die Stadt nun zu belagern, kommt wegen Versorgungsschwierigkeiten des Heeres nicht infrage, zudem herrscht drückende Sommerhitze. Barbarossa beschließt, seine Truppen abzuziehen. Der Papst, ohne den Schutz der Deutschen seines Lebens nicht mehr sicher, flieht ebenfalls aus Rom.

Krönung zum Kaiser in Rom durch Papst Hadrian IV
Papst Hadrian IV. krönt Friedrich I. zum Kaiser. Noch während der Feierlichkeiten rebellieren die Römer gegen den Deutschen. Dem neuen Imperator bleibt keine andere Wahl, als mit seinen Rittern aus der Ewigen Stadt zu fliehen
© Sammlung Rauch / Interfoto

Immerhin: Der Staufer hat sein Ziel erreicht. Er kann sich nun Kaiser des römisch-deutschen Reiches nennen, obwohl er die Metropole keine 24 Stunden nach der Krönung fluchtartig verlassen hat. Seine Chronisten geben sich alle Mühe, in ihren Berichten zu betonen, die Zeremonie sei "ordnungsgemäß erfolgt".

Für die Rückkehr löst sich das kaiserliche Heer auf, und die Fürsten treten über verschiedene Alpenpässe die Heimreise an. Barbarossa, der sich für den Weg über den Brenner entscheidet, gerät mit seinen Truppen an einer Engstelle in einen Hinterhalt: Ritter aus Verona blockieren mit mehr als 500 Männern den Pass und fordern Geld für freien Durchzug.

Bald erkennt Barbarossa: Südlich der Alpen fehlt ihm die Autorität

Doch ortskundigen Angehörigen des kaiserlichen Heeres gelingt es, die Wegelagerer zu umgehen und zu überwältigen. Den gefangenen Gegnern lässt der zornige Kaiser Gliedmaßen und Nasen abschneiden, Rädelsführer ungeachtet ihres Standes aufhängen. Barbarossa, in den deutschen Landen geachtet und gefürchtet, muss endgültig erkennen, dass er südlich der Alpen wenig gilt: seine Ehre beleidigt, seine Rechte nicht anerkannt, seine Autorität als höchster weltlicher Richter zermahlen zwischen den Rivalitäten der Stadtstaaten.

Mailand ist noch immer ungestraft, das zerstörte Tortona wird in seinem Rücken längst wieder aufgebaut, der heilige Akt der Kaiserkrönung endete in einem Blutbad. Wie ist Italien beizukommen? Der Deutsche entscheidet sich für den Krieg. Drei Jahre später tritt er seinen nächsten Zug über die Alpen Richtung Süden an, diesmal mit einem zehnmal so starken Heer: Wohl mehr als 15 000 Ritter sammeln sich unter seiner Fahne.

Mit einem großen Heer unterwirft Barbarossa die aufmüpfigen Mailänder

Barbarossa hat die Zeit genutzt, um sich Bundesgenossen gegen Mailand zu sichern. So sendet etwa Herzog Vladislav von Böhmen Truppen im Gegenzug für das Versprechen auf die böhmische Königswürde - ein Privileg, das Barbarossa als Kaiser gewähren kann. Nach kurzer Belagerung unterwirft er Mailand seinem Willen, diesmal beugt sich die Stadt seiner militärischen Macht und sichert ihm ihre Loyalität zu. Damit entgeht sie einer dauerhaften Besetzung.

Barbarossa zieht in Mailand ein
Nach zehnmonatiger Blockade kapituliert Mailand. Barbarossa lässt ein Exempel statuieren, die Mauern schleifen und die Stadt verwüsten. Die italienischen Reichsteile regiert der Kaiser fortan wie ein Besatzer
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Aber dieser Triumph reicht dem Herrscher nicht. Er will die politischen Verhältnisse in Oberitalien endgültig ordnen, denn der Konflikt hat sich ja vor allem an der Frage seiner Autorität entzündet: Die kaiserlichen Hoheitsrechte sind bislang nicht systematisch erfasst worden. Es existieren keine Gesetzeswerke, nur mündliche Traditionen, die jeder in seinem Sinne aufzufassen vermag. Daher bestellt er die Konsuln und Adeligen der Lombardei, darunter auch eine Abordnung aus Mailand, für den 11. November 1158 zu einem Hoftag in Roncaglia ein, einer Siedlung nahe Piacenza an den Ufern des Po.

Vier berühmte Juristen aus der Rechtsschule von Bologna, die vom Kaiser protegiert werden und alles andere als unabhängig sind, ziehen dort die Schriften des spätantiken Imperium Romanum zurate und formulieren in Anlehnung an die Rechte vergangener Imperatoren die Ansprüche des gegenwärtigen Kaisers. Die "roncalischen Gesetze" sind ein Gelehrtenwerk ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, ein höchst einseitiger Text, der so gut wie alle Macht dem Staufer zuspricht.

Barbarossa verlangt absolute Kontrolle über die Fürsten

Während im deutschen Teil des Reichs der König stets im Konsens mit den Fürsten zu herrschen sucht (und die auch großen Einfluss auf seine Regierung ausüben), lesen sich die Bestimmungen von Roncaglia wie das Verdikt eines Besatzers. Alle Gerichtsbarkeit sowie die Gewalt, Urteile durchzusetzen, sollen allein beim Kaiser und seinen Verwaltern liegen. Er soll das Recht haben, allgemeine Steuern zu erheben (was vor ihm noch kein mittelalterlicher Kaiser in Italien getan hat), Zölle, Münz- und Marktrechte festzulegen und, wo es ihm beliebt, Pfalzen zu errichten, also Stützpunkte.

Die Kommunen der Städte sollen zwar bestehen bleiben, müssen aber einen Treueeid auf den Staufer leisten und dürfen sich künftig nicht mehr in Bündnissen zusammenschließen. Aus Sicht Barbarossas handelt es sich um altes, nun lediglich niedergeschriebenes "Reichsrecht" - aus Sicht der italienischen Städte aber um einen maßlosen Eingriff in ihre Eigenständigkeit, zumal das Bilden von Allianzen für sie überlebenswichtig ist.

Als die Mailänder sich erneut auflehnen, ist Barbarossas Rache fürchterlich

Als sich Mailand als mächtigste Kommune wegen der Beschlüsse von Roncaglia erneut gegen den deutschen Herrscher auflehnt, lässt Barbarossa alle Bewohner der Stadt zu Reichsfeinden erklären und mobilisiert seine Truppen, erhält sogar Verstärkung von nördlich der Alpen. Seine Rache trifft Mailands Umland zuerst. Die Soldaten des Kaisers vernichten die Flachsernte, verbrennen das Getreide, fällen Obstbäume und Weinstöcke, schlachten das Vieh, töten Bauern, schänden deren Frauen. Zudem lässt Barbarossa alle Verbindungen in die Metro pole kappen, blockiert oder zerstört alle Brücken und Furten der Flüsse Adda und Po, in deren Mitte Mailand liegt.

Die Belagerer kontrollieren die Straßen und hacken jedem, der die Stadt mit Waren beliefern will, die rechte Hand ab (25 Hände sollen es an einem einzigen Tag gewesen sein). Wer aus Mailand zu entkommen sucht, und sei es nur, um Holz zu sammeln, erleidet das gleiche Schicksal. Die Versorgung der Stadt bricht zusammen.

Barbarossa erhöht den Druck auf die Eingeschlossenen, setzt auf systematischen Terror: Er lässt Gefangene öffentlich hinrichten, anderen die Nasen abschneiden und die Augen ausstechen, dann schickt er die Entstellten zurück in die Stadt. Die Mailänder sind besonders entsetzt darüber, weil es sich bei den Verstümmelten um Adelige und Bürger höheren Standes handelt, die in Gefangenschaft sonst in der Regel mit Respekt behandelt werden.

Selbst Zeitgenossen halten Barbarossas Brutalität für grausam

Schon zeitgenössische Berichterstatter bemerken die besondere Grausamkeit des Deutschen sowie die Brutalität, mit der er seine Gegner einschüchtern und zur Aufgabe zwingen will: Andernorts lässt er unter anderem Geiseln als lebende Schutzschilde an einen Belagerungsturm binden und auf die Mauern zuschieben. Zehn Monate kann Mailand standhalten, dann kapitulieren die Bürger.

Barbarossa inszeniert nun eine öffentliche Unterwerfung, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat: Über den Zeitraum von mehr als einer Woche müssen sich in genau festgelegter Ordnung erst die Konsuln und Ritter Mailands, dann das Fußvolk und die Bürger vor dem Kaiser niederwerfen, in Bußgewändern und mit Asche auf dem Haupt, und ihm die Füße küssen.

Dann lässt der Kaiser die Mauern schleifen und die verhasste Stadt weitgehend zerstören. Die Einwohner werden in Dörfer umgesiedelt, die Schatzkammern geplündert. Der Kanzler des Herrschers, der auch als Erzbischof von Köln wirkt, erhält die größte sakrale Kostbarkeit Mailands zum Geschenk: die (angeblichen) Reliquien der Heiligen Drei Könige, die der Erzbischof in seine Heimatstadt überführen lässt.

Hofdichter vergleichen den Untergang Mailands mit dem von Karthago oder Troja. Spätere Jahresangaben in den kaiserlichen Urkunden werden noch lange mit dem Zusatz "nach der Zerstörung Mailands" datiert. Fortan regiert Barbarossa Oberitalien von seinen Pfalzen nördlich der Alpen aus mit harter Hand. Seine Verwalter überbieten sich gegenseitig darin, die Kommunen auszupressen. Alle Städte, die Widerstand leisten, werden bestraft.

Die Italiener nennen Barbarossa den "Rothaarigen König, Anführer des deutschen Zorns"

"Rothaariger König, Anführer des deutschen Zorns": So nennen die Menschen in Italien den Staufer. Sogar dem Kaiser verbundene Städte wie Pavia bezichtigen ihn der Tyrannei. Und so beschließen mehr als ein Dutzend norditalienische Kommunen 1167, dass es besser sei, "in Ehre zu sterben, als in Schimpf und solcher Schande zu leben": Sie gründen den Lombardischen Städtebund, stellen ein gemeinsames Heer auf und unterstützen einander gegen die Forderungen des Kaisers.

Zudem trägt Barbarossa noch einen zweiten Konflikt aus: mit dem neuen Papst - zumindest einem der beiden. Denn nach dem Tod Hadrians IV., von dem der Staufer einst gekrönt worden ist, haben sich die Kardinäle auf Druck des deutschen Herrschers in zwei Fraktionen gespalten: eine kaiserfreundliche und eine, die dessen Einfluss auf Italien und die Kurie eindämmen will. Beide Seiten haben jeweils einen eigenen Pontifex maximus gewählt.

"Wer hat die Deutschen zu Richtern über die Völker bestimmt?"

Der englische Geistliche Johannes von Salisbury wendet sich wortgewaltig gegen Barbarossas Einmischung: "Wer hat die Deutschen zu Richtern über die Völker bestimmt? Wer gab diesen plumpen und ungestümen Menschen die Autorität, einen Fürsten als Schiedsrichter über die Häupter der Menschenkinder zu setzen?" Alexander III., der Papst der Kaisergegner, schließt noch 1167 einen Pakt mit dem Lombardischen Städtebund. Daraufhin zieht Barbarossa erneut mit seinen Rittern nach Rom, erobert die Stadt, vertreibt den Gegenpapst und setzt seinen eigenen Kandidaten ein.

Doch dann bricht im Heer eine Epidemie aus, vermutlich die Ruhr. Innerhalb von nur einer Woche fordert sie Tausende Tote. Überstürzt führt der Kaiser seine Truppen wieder zurück nach Norden. Auf dem Rückweg muss Barbarossa erkennen, dass es in der Lombardei inzwischen zu einer offenen Rebellion gegen ihn gekommen ist. Sein ohnehin stark dezimiertes Heer wird von den Kämpfen mit den aufständischen Stadtstaaten auseinandergerissen, der Kaiser kann sich am Ende kaum mehr als zwei oder drei Tage am gleichen Ort aufhalten und muss eines Nachts sogar in der Verkleidung eines Pferdeknechts aus seinem Quartier fliehen, weil man einen Anschlag auf sein Leben plant. Aber es gelingt ihm, in die deutschen Lande zu entkommen.

Schließlich unterliegt Barbarossa den lombardischen Truppen

Neun Jahre später zieht er noch einmal nach Italien, es wird sein letzter Heerzug dorthin sein. Wieder kommt es zu einer Schlacht mit dem Lombardischen Städtebund, wieder sind die Truppen des Kaisers zu schwach. Während der Kämpfe wird Barbarossa vom Pferd gestoßen und "verschwand, vom Sattel gefallen, aus den Augen aller". Er kann zwar entkommen, aber die Niederlage bedeutet das Ende seiner Gewaltherrschaft in Oberitalien.

Im Jahr darauf kommt es zum Ausgleich mit Alexander III. Barbarossa erkennt ihn als rechtmäßigen Papst an. Teil des Vertrags ist auch ein Waffenstillstand mit dem Städtebund. Sechs Jahre später, im Juni 1183, einigen sich die beiden Parteien auf einen echten Frieden. Der Kaiser lässt mitteilen, "dass wir den Bund und ihre Anhänger in die Fülle unserer Huld wieder aufgenommen und ihnen alle Beleidigungen und jede Schuld, durch die sie uns zur Entrüstung herausgefordert hatten, milde erlassen".

Tatsächlich ist das Abkommen alles andere als ein einseitiger Gunsterweis: Barbarossa muss die meisten Gesetze von Roncaglia zurücknehmen und den Kommunen ihre Selbstverwaltung zurückgeben. Umgekehrt geloben die Städte, seine Ehre als Kaiser zu respektieren.

Kaiser Barbarossa schüttelt einem Mann die Hand
Erst 1183 schließt der Kaiser (o. r.) Frieden mit den oberitalienischen Städten. Nach fast drei Jahrzehnten der Grausamkeiten sind beide Seiten zu erschöpft, um den Krieg, in dem es keinen klaren Sieger gibt, noch weiterzuführen
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Der Frieden trägt die ganze verbleibende Herrschaft Barbarossas über. Erst sein Enkel Friedrich II. wird rund 50 Jahre später wieder Krieg mit den lombardischen Städten führen - weil sie seine Ehre beleidigt haben. Historiker rätseln bis heute über Barbarossas Motive seiner Italienpolitik: Sind die Angriffe gegen die reichen Städte in der Lombardei Raubzüge? Wohl nicht, denn die Heerfahrten des Kaisers kosten mehr, als sie einbringen.

Barbarossas Motive bleiben rätselhaft. Geld oder Ehre?

Ist es ein Kampf der Monarchie gegen ein Herrschaftssystem, das demokratischen Charakter hat? Oder gar ein Konflikt zwischen Deutschen und Italienern? Beides lässt sich ebenfalls ausschließen, denn die Menschen des Mittelalters kennen weder die Idee konkurrierender Regierungsformen, noch denken sie in nationalen Dimensionen. Tatsächlich verfolgt Barbarossa wohl kein politisches Konzept, sondern wird hineingerissen in einen Konflikt, in dem es um Ehre und Rang, Beleidigung und Würde geht.

Männer knien vor Kaiser Barbarossa
Die Italiener verpflichten sich im Friedensvertrag von 1183, die Ehre des Kaisers zu respektieren - dafür muss Barbarossa seine Gewaltherrschaft südlich der Alpen beenden und die faktische Autonomie der aufständischen Städte anerkennen
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Was wäre geschehen, fragt der Barbarossa-Biograf Knut Görich, wenn es nicht auch noch geregnet hätte, als die Mailänder das kaiserliche Heer in die Irre führten? Wenn die Ritter zwar hungrig, aber wenigstens nicht nass und frierend auf die angemessene Antwort ihres Herrschers gewartet hätten? Vielleicht wäre die gesamte Italienpolitik des Staufers, die vor allem eine Geschichte der Eskalation war, dann anders verlaufen.

Bis zum Ende des Mittelalters werden die römisch-deutschen Könige den Weg zur Kaiserkrönung nach Rom auf sich nehmen: So lange ist die Erhebung durch den Papst üblich. Der Habsburger Karl V. wird der letzte Kaiser sein, der vom Heiligen Vater gesalbt und gekrönt wird. Doch das geschieht 1530 schon nicht mehr in der Ewigen Stadt am Tiber, sondern in Bologna. Erst da löst sich das Band, das Kaiser und Papst seit Karl dem Großen aneinandergefesselt hat. Der sakrale Aspekt weicht weltpolitischer Notwendigkeit.

Mit fast 70 Jahren macht sich Barbarossa auf ins Heilige Land

Im Jahr 1189 nimmt Barbarossa noch einmal das Kreuz, um auf Heerfahrt ins Heilige Land zu ziehen: ein inzwischen greiser Mann von fast 70 Jahren. Von Regensburg aus zieht er mit 3000 gepanzerten Rittern und 12 000 Mann Fußvolk ins Byzantinische Reich und setzt über nach Kleinasien. Doch in der kargen anatolischen Ebene kann sich der riesige Heerzug nicht versorgen, die Krieger essen Rinderhäute, trinken das Blut ihrer Pferde und schleppen sich "in der Hitze ermattet in ihrer verrosteten Rüstung voran".

Vor allem, um wieder an Vorräte zu gelangen, erobern und plündern die Ritter Konya, die Hauptstadt der Rum-Seldschuken. Dabei soll der greise Barbarossa sich auf seinem Streitross als Erster auf die Feinde gestürzt und sie in die Flucht geschlagen haben.

"Dieser berühmte Mann", so beschreibt ihn einer der Kreuzfahrer, "hatte rötlichblondes Haupthaar und einen roten Bart, beides schon altersgrau meliert, markante Augenbrauen, brennende Augen, kurze und breite Wangen." Am auffallendsten aber sei sein standhaftes Gemüt, "immer gleichbleibend und unveränderlich, weder von Trauer verdüstert noch vom Zorn verzerrt noch von der Freude gelöst". Am Morgen des 10. Juni 1190 begibt sich der römisch-deutsche Kaiser im Königreich Kleinarmenien mit ein paar Fürsten und ortskundigen Führern auf einem Pfad hinab zum Fluss Saleph.

Der Tod ereilt Barbarossa ohne Vorwarnung

So steil ist der Weg, dass die Männer von den Pferden steigen und zeitweise auf allen vieren kriechen müssen. Was dann geschieht, erzählt jeder Chronist auf seine Weise: Vielleicht will Barbarossa den Fluss durchschwimmen oder zu Pferd ans andere Ufer reiten, vielleicht auch nur in der Sommerhitze ein Bad nehmen.

Mehrere Männer tragen die Leiche von Barbarossa aus einem Fluss
Noch in hohem Alter geht der streitbare Kaiser auf Kreuzzug. Doch die Stätten des Heiligen Landes erreicht Friedrich I. Barbarossa nicht: Er stirbt 1190 am Fluss Saleph in Kleinasien
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Vielleicht verlassen den alten Mann die Kräfte, vielleicht reißt ihn die Strömung fort oder wirft seinen Körper gegen einen Felsen. In jedem Fall: Er kommt in dem Fluss um. Ein schmähliches Ende für einen Kaiser. Ein italienischer Rhetor sieht denn auch in Barbarossas Sterben eine "gerechte und verdiente Strafe Gottes", die den Staufer getroffen habe wegen seiner Kriege gegen die Städte Italiens.

Wie ein Fuchs habe Barbarossa das Königtum erlangt, heißt es in einer Sentenz, die bald nach seinem Tode aufkommt, und regiert habe er wie ein Löwe. Gestorben aber sei er wie ein Hund.

Erschienen in GEO Epoche Nr. 70 "Karl der Große und das Reich der Deutschen" (6/2014)

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