Anzeige
von GEO EPOCHE

Margarethe I. Eine Frau vereinte ganz Skandinavien – mit Geschick und Freundlichkeit

Maragrethe I.
Die dänische Königstochter wird als Kind mit dem norwegischen Herrscher vermählt, soll eigentlich im Hintergrund bleiben. Doch als ihr Vater, Mann und Sohn sterben, reißt Margarethe die Macht an sich
© Gunnar Menander/Skissernas Museum/Lund University Art Collection
Mit der Union Dänemarks, Schwedens und Norwegens schmiedet Margarethe I. im Jahr 1397 ein gewaltiges Reich – nach harten persönlichen Schicksalsschlägen

Freundlichkeit, das ist das Geheimnis ihrer Macht. Damit schmiedet sie eines der größten Reiche Europas, die erste und einzige politische Union, die ganz Skandinavien vereint. Niemals darf sie sich wirklich Königin nennen – und doch steigt die Dänin Margarethe I. auf zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Mittelalters. Indem sie nett ist – und manchmal unerbittlich.

Dänemark befindet sich Mitte des 14. Jahrhunderts im Aufschwung. König Waldemar IV. hat das zuvor durch Misswirtschaft und Erbfolgekriege geschwächte Reich konsolidiert. Der im königlichen Heer immer öfter geflaggte Dannebrog – weißes Kreuz auf rotem Grund – wird allmählich das Zeichen eines selbstbewussten Landes.

Auch Norwegen und Schweden sind schon lange zu Königreichen erwachsen. Doch das eine steht nach einer verheerenden Pestepidemie vor dem Ruin, das andere, Schweden, wird erschüttert durch innere Konflikte.

Margarethes Leben nimmt eine unerwartete Wendung

Waldemars Tochter Margarethe ist für eine typische weibliche Rolle vorgesehen: Durch Heirat soll sie gute Beziehungen zu den Nachbarreichen sichern. 1363 wird sie im Alter von zehn Jahren mit König Haakon vermählt, der anfangs in Personalunion Schweden und Norwegen regiert, später nur noch den norwegischen Thron innehat.

Doch drei Schicksalsschläge geben Margarethes Leben bald eine unerwartete Wendung. Zunächst sterben in kurzer Folge Vater und Ehemann. Weil ihr einziger Sohn Olaf als legitimer Thronfolger sowohl in Dänemark als auch in Norwegen gilt, aber noch minderjährig ist, erlangt sie als dessen Vormund die Regentschaft in beiden Reichen. Dann verstirbt auch Olaf – und damit erlischt für Margarethe als Frau jeglicher Anspruch auf die Macht. Eigentlich.

Denn nun setzt die inzwischen 34-Jährige ihr großes Verhandlungsgeschick ein: Hinter einer stets freundlichen, milden Fassade kann sie enorme Überzeugungskraft entwickeln. Und so bringt sie die mächtigsten dänischen Adeligen nur eine Woche nach dem Tod ihres Sohnes dazu, sie gegen die Konvention zur alleinigen Herrscherin zu wählen.

Ganz Skandinavien steht unter ihrer Hoheit

Am 10. August 1387 ernennt eine Versammlung der Großen des Reiches Margarethe zur "allmächtigen Dame für das ganze Königreich Dänemark". Bald darauf gelingt ihr das Gleiche auch in Norwegen. Hat sie da längst eine Vision für ein neues nordisches Großreich?

In jedem Fall wendet sie sich nun nach Schweden. Dort ist der Reichsrat unzufrieden mit dem amtierenden Herrscher, der sich immer mehr Besitz des Adels aneignet. Margarethe verbündet sich mit zwölf der mächtigsten schwedischen Edlen und lässt sich im März 1388 zur Regentin wählen. Als sich der Machthaber wehrt, zieht sie in den Kampf. Durch den Sieg in der Schlacht bei Åsle erobert Margarethe Schweden für sich.

Ganz Skandinavien steht damit unter ihrer Hoheit, auch Island, die Färöer sowie die Shetland- und Orkneyinseln zählen zum gewaltigen Machtbereich. Eine Krönung allerdings bleibt ihr als Frau weiterhin versagt. Doch abermals findet sie eine Lösung: 1389 nimmt sie den in Pommern aufgewachsenen Enkel ihrer Schwester bei sich auf und gibt ihm den nordischen Königsnamen Erik. 

Schnell wird der Junge in Norwegen als Herrscher akzeptiert, mit 15 ebenso in Dänemark und Schweden zum König erhoben. Fortan lenkt Margarethe über Erik die Geschehnisse, auch bei ihrem bedeutendsten Projekt: einer Union, die Dänemark, Schweden und Norwegen unter einer Krone vereinen soll.

Das Versprechen von Frieden und Stabilität überzeugt die Adelsräte aller drei Länder. In einer feierlichen Zeremonie ernennen sie am 17. Juni 1397 Erik zum König der Union, später benannt nach der südschwedischen Stadt Kalmar, in der sie geschlossen wird.

Erik ist vor allem für die gemeinsame Außenpolitik zuständig. Im Inneren behalten die Mitglieder Unabhängigkeit, etwa in der Gesetzgebung. Zwar erreicht der Bund nie volle Gültigkeit, weil nicht alle Gremien ihn ordnungsgemäß besiegeln. De facto aber prägt er Skandinavien über Jahrhunderte, wird zum Signum des Zusammenhalts. Erst 1523 verlässt Schweden die Union, Norwegen hingegen bleibt noch bis ins frühe 19. Jahrhundert mit Dänemark verbunden.

Ihre Urheberin, schon zu Lebzeiten in ganz Europa geachtet, erliegt 1412 während einer Reise auf einem Schiff im Flensburger Hafen einer unbekannten Krankheit. Margarethes Leichnam erhält einen der ehrenvollsten Plätze des Nordens: Er wird bestattet in der Kathedrale von Roskilde. Direkt hinter dem Altar.

Erschienen in GEO Epoche Nr. 112 (2021)

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel