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Archäologie Spielesammlung aus dem Mittelalter entdeckt: Schach war eine ritterliche Tugend

Spielfiguren aus dem Mittelalter
Die Spielfiguren sowie der Würfel stammen aus dem 11. oder 12. Jahrhundert und wurden aus Geweih geschnitzt
© Victor Brigola/ Universität Tübingen
Ein archäologisches Team hat in einer Burganlage in Süddeutschland eine Spielesammlung aus dem Mittelalter entdeckt. Darunter: eine Schachfigur. Die Forschenden erhoffen sich nun neue Einblicke in die Wurzeln des europäischen Schachspiels

Eine Schachfigur, mehrere blütenförmige Spielsteine und ein Würfel mit sechs Seiten: Ein archäologisches Team hat bei Grabungen in Baden-Württemberg eine Spielesammlung aus dem Mittelalter entdeckt. Die Forschenden der Universität Tübingen, des Landesamtes für Denkmalpflege und des Deutschen Archäologischen Instituts stießen auf die Fundstücke, als sie im Landkreis Reutlingen Überreste der in Vergessenheit geratenen Burganlage "Burgstein" untersuchten. 

Vor allem die Schachfigur sticht heraus: Es handelt sich um eine vier Zentimeter hohe Pferdefigur mit plastisch ausgeformten Augen und Mähne, die als Springer eingesetzt wurde. Genau wie der Würfel und die Spielsteine wurde sie aus Geweih geschnitzt. 

Das Schachspiel fand seinen Weg vor mehr als 1000 Jahren nach Europa

Die Spielesammlung stammt aus dem 11. oder 12. Jahrhundert – einer Zeit, aus der gut erhaltene Funde von Figuren und Spielsteinen selten sind. Bereits vor mehr als 1000 Jahren fand das Schachspiel seinen Weg aus dem Orient nach Europa. "Das Schachspiel zählte im Mittelalter zu den sieben Fähigkeiten, die ein guter Ritter beherrschen sollte", sagt Dr. Jonathan Scheschkewitz vom Landesamt für Denkmalpflege.

Zu den anderen sechs ritterlichen Fertigkeiten gehörten, zumindest laut dem spanischen Arzt und Gelehrten Petrus Alfonsi, im frühen 12. Jahrhundert Reiten, Schwimmen, Bogenschießen, Faustkampf, Vogeljagd und Dichten. 

"Schach war im Hoch- und Spätmittelalter ein zentrales Element adeliger Kultur", sagt Dr. Lukas Werther vom Deutschen Archäologischen Institut. "Es wurde als Bestandteil der Erziehung, aber auch als Zeitvertreib verstanden – und sollte vermutlich auch strategisch-kriegerische Fertigkeiten schulen." Insofern verwundere es nicht, dass bekannte Schachfiguren-Funde meist von Burganlagen stammen. 

Laboranalysen von Farbresten an den Steinen zeigen, dass eine der Parteien mit Rot gespielt hat. Nutzungsspuren weisen darauf hin, dass der Springer schon damals beim Zug angehoben wurde. Den Forschenden zufolge verweise dies auf eine erstaunliche Kontinuität der Spielregeln. Von der detaillierten Auswertung der Funde erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Einblicke in die Spielewelt des mittelalterlichen Adels und die Wurzeln des europäischen Schachspiels.

mop

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