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Evolutionstheorie Bibliothek von Charles Darwin vollständig rekonstruiert: Was der Wissensrevolutionär gelesen hat

Der Naturforscher Charles Darwin sitzt, umgeben von Büchern, am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer
Charles Darwin inmitten von Büchern, am Schreibtisch des Arbeitszimmers in seinem Haus in der Grafschaft Kent. Der Forscher schöpfte seine Kenntnisse unter anderem aus einer gewaltigen Bibliothek von Tausenden von Titeln (Ölgemälde von Victor Eustaphieff)
© Victor Eustaphieff / Alpha Galileo / dpa
Forscher in Singapur haben erstmals die komplette private Bibliothek eines der bedeutendsten Wissenschaftler aller Zeiten ergründet: Mit welcher Lektüre Charles Darwin das Denken über die Welt umstürzte, lässt sich nun nachvollziehen

Der britische Naturforscher Charles Darwin (1809-1882) hat das Wissen der Menschheit revolutioniert. Mit seinem Hauptwerk "On the Origin of Species (Über die Entstehung der Arten)" von 1859 begründete er maßgeblich die Evolutionstheorie, die unser Denken bis heute leitet.

Ein Schock für die Zeitgenossen

Darwin veränderte die Sicht auf die Welt, auf Mensch und Natur radikal: Alles Leben sei in einem kontinuierlichen biologischen Prozess entstanden, kein Gott habe irgendwann den Anfang gesetzt, Mensch und Tier unterlägen den gleichen biologischen Gesetzmäßigkeiten, teilten sogar die Vorfahren. Ein Schock, nicht nur für die besonders religiösen unter den damaligen Zeitgenossen. Doch auch der Neuerer Darwin entwickelte seine bahnbrechenden Thesen nicht aus dem Nichts – sondern auf Basis eines großen Wissensfundus, der jetzt entschlüsselt wurde.

Erstmals haben Forschende von der National University of Singapore (NUS) den Bestand von Darwins privater Bibliothek nun mutmaßlich vollständig rekonstruiert. Demnach besaß der Wissenschaftler 7400 Titel mit insgesamt 13 000 Bänden einschließlich Büchern, Schriften und Magazinen. 

Eine Radierung zeigt das Arbeitszimmer Darwins, die Wände und der Schreibtisch voller Bücher und Schriften
Neben seinen Forschungsreisen studierte Darwin eine breite Auswahl von wissenschaftlichen Schriften. Aber auch Kunstbände und Romane fanden sich in den Bücherregalen des Wissenschaftlers (Blick in das Arbeitszimmer, historische Darstellung)
© Alpha Galileo / dpa

Das Forschungsteam hat eine 300 Seiten lange Liste erstellt, die alle Posten aufführt und ab sofort online öffentlich verfügbar ist (siehe hier). Die Liste, die einen einmaligen Einblick in Darwins intellektuellen Gesichtskreis erlaubt, ist zudem mit 9300 Links versehen, die zu kostenlos verfügbaren digitalen Kopien der einzelnen Werke führen. 

18 Jahre flossen in das einzigartige Projekt

Geleitet wurde das Projekt von dem Wissenschaftshistoriker John van Wyhe des Instituts für Biowissenschaften an der NUS. Frühere Bestandslisten hatten, so van Wyhe, nur etwa 15 Prozent der Literatur umfasst, die Darwin verwendete. Weil nur ein Teil der Bibliothek im Nachlass des Evolutionstheoretikers überdauert hat, mussten die Experten für ihre ambitionierte neue Mammutliste häufig detektivisch vorgehen, werteten auch Notizen und Kladden aus, entzifferten Abkürzungen, rekonstruierten Quellenangaben in Darwins Schriften, durchstöberten sogar die Tagebücher seiner Frau Emma. 18 Jahre haben die Forscher aus Singapur an ihrem Projekt gearbeitet.

Beim größten Teil der aufgelisteten Werke handelt es sich nicht überraschend um naturwissenschaftliche Schriften, besonders aus den Bereichen Biologie und Geologie. Weitere befassen sich mit Landwirtschaft, dem Züchten von Tieren, ihrem Verhalten und ihren Verbreitungsgebieten. 

Auch viele deutsche Werke finden sich

Doch Darwins Interesse war offenbar sehr breit: Auch philosophische und religiöse Themen sind zu finden, ebenso Werke zu Kunst, Geschichte, Reisen und Sprachen. Der größte Teil der Bücher war auf Englisch verfasst, beinahe die Hälfte aber auch in anderen Sprachen, insbesondere Deutsch, Französisch und Italienisch.

Vier historische Fotos von mit dem Mikroskop beobachteten Bakterien
Auch Teil der nun veröffentlichten vollständigen Bestandsliste von Darwins Bibliothek: eine deutsche Wissenschaftszeitschrift aus dem späten 19. Jahrhundert, die diese ersten veröffentlichten Fotos von Bakterien enthält
© Alpha Galileo / dpa

Und nicht alle Bücher hatten wissenschaftliche Zwecke. So gehört zu den bislang nicht in Darwins Bibliothek verorteten Büchern etwa ein opulenter Kunstband für den Coffee Table im Hause der Darwins. Ebenfalls auf der Liste: der Roman "Wives and daughters" von Elizabeth Gaskell von 1880 – das wohl letzte Buch, das dem sterbenden Großforscher vorgelesen wurde.

dpa geo.de

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