Es erscheint wie eine Ungerechtigkeit der Natur. Da sind jene Sechsjährigen, die bei der Einschulung schon erste Sätze lesen, einfache Rechenoperationen beherrschen, sich leicht motivieren lassen, aufgeschlossen sind und wissbegierig, fleißig, ordnungsliebend, fokussiert. Und auf der anderen Seite jene, denen es in dem Alter immer noch schwerfällt, sich flüssig zu artikulieren, die später im Unterricht nur mäßig vorankommen, fahrig sind, Aufgaben nicht zu Ende führen, keine rechte Freude am Lernen entwickeln, bei Tests regelmäßig schlecht abschneiden.
Kaum verwunderlich, dass viele Eltern in Sorge leben, ihr Kind könnte nicht schlau oder begabt genug sein, um in der Schule gute Leistungen zu erbringen – mit negativen Folgen für den gesamten weiteren Werdegang. Schließlich haben es ausnehmend intelligente Menschen ein Leben lang in vielem leichter: Sie sind meist sorgfältiger und fleißiger, besitzen in der Regel Empathie und können besser mit Risiken umgehen, sie üben (wie Studien belegen) die angeseheneren Berufe aus, haben höhere Einkommen, leben in stabileren sozialen Verhältnissen.
Ein hoher Intellekt ist folglich das, was sich Eltern für ihre Töchter und Söhne oftmals am sehnlichsten wünschen. Ihnen ist allerdings häufig gar nicht klar, wovon die mentale Entwicklung ihrer Sprösslinge überhaupt abhängt. Nicht wenige Väter und Mütter sind der Ansicht, dass intellektuelle Fähigkeiten ausschließlich naturgegeben sind, gleichsam schicksalhaft verteilt. Manche Kinder kämen eben mit besserem geistigen Rüstzeug auf die Welt, andere hätten von Beginn an das Nachsehen. Doch dies ist ein Trugschluss.