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Putztypen Die Psychologie des Reinemachens: Was Ihr Putzstil über Sie verrät

Putzlappen und Handschuhe an einer Leine
Putzen kann uns den Geheimnissen der eigenen Existenz, aber auch den Abgründen der Endlichkeit näherbringen 
© Adobe Stock
Putzen kann die Seele reinigen, sogar eine klärende Funktion bei inneren Konflikten haben, meditativ-entspannend wirken. Aber wissen Sie, zu welchem Putztyp Sie zählen? Eine Philosophin hat die uralte Kulturtechnik des Putzens durchleuchtet 

Zugegeben, es ist schon etwas spät: Der Frühling ist bereits eine Weile im Land und damit die Zeit, in der traditionell Fenster und Spiegel poliert werden, zum Staubwedel gegriffen und die Höhle nach dem Winter erneut in Form gebracht wird. Putzen ist eine uralte Kulturtechnik, die kaum jemand emotionslos verrichtet, ja, die das Innenleben tangiert. 

Die einen hassen die Putzerei, weil das ewige Wischen gefühlt niemals aufhört. Sie leiden putztechnisch gesehen an der "ewigen Wiederkehr des Gleichen". Kaum haben sie Staub aufgewirbelt, legt sich neuer Schmutz auf Schränke, Kommoden und Deko-Objekte. Die anderen wiederum lieben das Reinemachen, sie putzen nahezu meditativ. Es gibt sogar Menschen, die überzeugt sind, dass allein das Selberputzen glücklich machen könne, dass sich die Aufgabe also nicht beliebig an Putzpersonal delegieren lässt. Warum aber könnte es Menschen glücklich stimmen, Staub zu saugen, Oberflächen zu polieren und matte Spiegel erneut zum Strahlen zu bringen?

Kathartisches Reinigungserlebnis 

Nicole C. Karafyllis ist Philosophin und Biologin und hat ein Buch über die Kulturtechnik des Putzens geschrieben. Darin bekennt sie sogleich, trotz guter Einkommensverhältnisse und entsprechenden Delegationsmöglichkeiten ein Fan des Selberputzens zu sein. Denn: Was Putzen und Philosophie eint, ist die Klarheit, die sich bei ihrer Ausübung über ein Problem (im Fall des Putzens über den herumfliegenden Schmutz) erlangen lässt. Putzen hat eine "innerlich reinigende" Funktion, vergleichbar der Klarheit, die sich ein Denker durch philosophische Betrachtung über ein Problem verschafft. Vorbild für die gedankliche Reflexion wiederum könne metaphorisch gar der blankgeputzte Spiegel sein, der streifenfrei reflektiert und zurückwirft, was Sache ist. 

Viele Putz-Fans berichten dann auch, dass sie es als "besonders befriedigend" empfinden, wenn sie in einer unklaren Lebenssituation stecken, über ein Problem grübeln oder sich von etwas Altem lösen wollen. Während sie den Universalreiniger also in Wasser auflösen, um mit der wohltemperierten Lauge den Boden zu wischen, gerät auch in ihnen innerlich etwas in Lösung, das Behandeln des Schmutzes zieht bei innerlichen Konflikten und in unübersichtlichen Lebenssituationen eine kathartische, ja reinigende und erlösende Wirkung nach sich. 

Kommt es zu einer putzenden Avantgarde? 

Trotz all dieser psychologisch günstigen Aspekte wird Putzen in der allgemeinen Wahrnehmung jedoch entwertet und belächelt. Es gilt vielen als minderwertige Tätigkeit. Leider wird es ungebrochen noch als weibliche Zuständigkeitsdomäne betrachtet. Karafyllis hat beobachtet und arbeitet heraus, dass die wenigen putzenden Männer eher Spezialreiniger kaufen würden, Frauen hingegen zu Universalreinigern greifen. Entlarvend, wie sie findet. Denn das entspricht ihrer Meinung nach der männlichen Strategie, Tätigkeiten aufzuwerten, indem sie professionalisiert und verkompliziert werden: Man denke an den männlichen Einsatz am Herd, der oft unter Zuhilfenahme von teurem Spezialequipment abläuft und bei dem große Expertise und Kennerschaft demonstriert werden. 

Dabei geht das Putzen alle an, wie die Philosophin mit Verve fordert. Und es mache geradezu Spaß. Möglicherweise werde es sogar einmal Lifestyle-Status erlangen, wie das Kochen es bereits geschafft hat, moderne Menschen würden es womöglich eines Tages als sinnstiftende Tätigkeit erleben und eine "putzenden Avantgarde" bilden.

Sollten Sie Ihren Frühjahrsputz also dieses Mal genießen wollen und mit zielgerichtetem Ehrgeiz putzen, ist es für das bestmögliche Erlebnis zentral zu wissen, zu welchem Putztyp Sie eigentlich gehören: Sind Sie Hobbie-Hygieniker, Ästhet, Funktionalist oder gar Putz-Analytiker?

Putztypen und ihre Passionen 

Der Hobbie-Hygieniker putzt vor allem aus Angst. Er ist ein misstrauischer Putztyp, glaubt nicht an das, was er sieht, sondern an unsichtbar lauernde Gefahren, weshalb für ihn oberflächliche Sauberkeit keineswegs zufriedenstellend ist. Dabei mangelt es ihm nicht an Fantasie, in der Regel jedoch an naturwissenschaftlicher Bildung. Sein Vorbild ist nichts Geringeres als die Sterilität des idealen Krankenhauses. Zwangsläufig ist er Enttäuschungen gewohnt. Schließlich verkündet bereits die Sagrotanflasche, dass nur 99,9 Prozent der Bakterien sicher abgetötet werden. Möchte man einen Hygieniker stressen, ist folgendes Gedankenspiel geeignet: Sinnen Sie mit ihm darüber nach: "Was, wenn sich die aus Krankenhäusern bekannte Antibiotikaresistenz einmal zu einer Sagrotanresistenz im Haushalt ausweiten würde?" Das wäre für ihn ein GAU, wie Karafyllis schreibt. Natürlich trägt dieser Typ beim Putzen Handschuhe aus Plastik. 

Diesem neurotischen Putztyp gewissermaßen diametral entgegen steht der Ästhet. Ihn interessiert keinesfalls die keimfreie Reinheit seiner Wohnung, sondern er möchte sich selbst als geschmackvoll zum Glänzen bringen. In erster Linie putzt er also für andere und für Besuch – beziehungsweise er lässt putzen, wie Karafyllis schreibt, um sich selbst als "glanzvolle Persönlichkeit" zu präsentieren. Für ihn ist wichtig: Nur die Oberflächen müssen funkeln. Tiefere Reinigung interessiert ihn kaum. Karafyllis analysiert: "In der Wohnung des Ästheten sieht es nie schmutzig aus, aber sauber ist es auch nicht." Daher sei er mit einer Putzhilfe gut beraten. Denn abgesehen vom schönen Schein ist ihm das Reinigen an sich als Zeitvertreib zu profan. Wenn er sich dieser banalen Tätigkeit zuwendet, dann nur mit Designkopfhörern und einem Hörbuch aus der Weltliteratur auf den Ohren.  

Ein in den Augen von Philosophin Karafyllis sympathischer und häufig anzutreffender Putztyp ist der sogenannte Funktionalist. Dieser hält instand und säubert, was in der Wohnung benutzt wird. Sein Problem ist jedoch, dass er sich nicht dem Schmutz widmet, der nebenbei auf allem rundherum entsteht. So etwa übersieht er gern die Fenster, da diese im eigentlichen Sinn nicht benutzt werden, was einem Ästheten nun wirklich niemals passieren würde. Bevorzugte Werkzeuge des Funktionalisten sind Staubsauger und Spülmaschine, in die er auch Utensilien einsortiert, um diese "funktional" zu reinigen. Menschen mit der Putzhaltung Funktionalist verzichten wiederum gern auf Staubfänger in der Wohnung. Eine Denkweise, die einem Ästheten gänzlich unbekannt sein dürfte. 

Besonders sensibel und melancholisch präsentiert sich wiederum der Putz-Analytiker. Ihm geht es darum, Schmutz in den hintersten Ecken aufzuspüren und ihn ausgiebig zu "behandeln". Gedanklich ist er viel in der Vergangenheit unterwegs und grübelt gern darüber, wie der Schmutz entstehen konnte. Jeder Schmutz erzählt zugleich eine Geschichte, weswegen dieser Typ selten renoviert und sich zuweilen entscheidet, dass "wertvoller Schmutz" auch mal bleiben darf. Versteht sich von selbst, dass er gern sammelt und Erinnerungsstücke bewahrt. Sein Naturell ist eher melancholisch. Am liebsten widmet sich der Reinigungsanalytiker dem Keller, in dem er Abgründe vermutet. Gern holt er von dort Gegenstände nach oben, um sie liebevoll zu reinigen, denn er vermutet auch in alten Dingen eine ihnen innewohnende Seele. Ein Partner braucht nach Karafyllis viel Verständnis und kann die Rolle eines "Supervisors" oder einer "Supervisorin" einnehmen und verständnisvoll fragen, warum gerade dieser Schmutz ihn so beschäftigt. 

Putzen wappnet all diese Typen aber nicht nur wie beim jährlichen Frühjahrsputz für die kommenden Monate und kann immens klärende Effekte für das Selbst haben: Es konfrontiert Funktionalisten, Ästhetiker, Hygieniker wie Analytiker zu jedem Zeitpunkt im Jahr durch den Umgang mit dem Schmutz mit der Endlichkeit und Sterblichkeit der eigenen Existenz. Putzen ist daher wirklich nichts für Feiglinge. Und ein Dasein ohne (notwendige) Putzerei eigentlich kaum möglich und auch nicht wünschenswert. Karafyllis schließt ihr Plädoyer für die alte Kulturtechnik: "Seien Sie also froh, wenn Sie noch lange putzen können, bis unwiderruflich Ordnung herrscht und es heißt: Asche zu Asche. Staub zu Staub."

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