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Transplantation Mit Tierorganen gegen den Spendermangel: Erster Patient erhält eine Schweineniere

Krankenschwester hebt Gefäß mit roter Flüssigkeit aus einer Box
Krankenpflegerin Melissa Mattola-Kiatos hebt die Schweineniere aus der Transportbox, um sie für die Transplantation vorzubereiten
© Massachusetts General Hospital
Viele Menschen warten jahrelang auf eine lebensrettende Organspende – manche vergeblich. Forschende wollen den Bedarf mit Organen gentechnisch veränderter Schweine decken. Zwei Schweineherzen wurden bereits verpflanzt. Nun erhält ein US-Patient erstmals eine Schweineniere

Erstmals weltweit ist einem Menschen erfolgreich eine Schweineniere als Ersatzorgan eingesetzt worden. Der 62-Jährige litt an einer lebensgefährlichen Nierenkrankheit und lebte bereits mit einer menschlichen Spenderniere, die jedoch im vergangenen Jahr versagt hatte. Er habe das genetisch veränderte Organ am Samstag eingepflanzt bekommen, teilte das Massachusetts General Hospital in Boston am Donnerstag mit. Die Operation habe vier Stunden gedauert, der Patient erhole sich gut und könne wohl bald entlassen werden. 

Die Transplantation könnte Hoffnung für Zehntausende Menschen bedeuten, die auf Spenderorgane angewiesen sind. Die sogenannte Xenotransplantation wird seit den 1980er-Jahren erforscht. Besonders gut geeignet als Spendertiere sind Schweine, weil ihr Stoffwechsel dem der Menschen ähnelt. Wissenschaftler*innen versuchen seit geraumer Zeit, Organe von Schweinen nutzbar zu machen. Damit das möglich ist, müssen sie allerdings unter anderem das Erbgut der Spendertiere verändern. Ohne genetische Anpassung käme es bei der Übertragung auf den Menschen zu einer sofortigen schweren Abstoßungsreaktion. 

Zuletzt wurden in den vergangenen Jahren an der Universitätsklinik in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland zwei schwerkranken Patienten Schweineherzen als Ersatzorgane eingepflanzt. Beide Patienten starben jedoch mehrere Wochen nach der Operation – einer von ihnen an einer Infektion mit einem versehentlich übertragenen Schweine-Herpesvirus.

Auch in Deutschland sind in absehbarer Zeit entsprechende Eingriffe geplant. So züchtet die Münchner Firma xTransplant genetisch veränderte Schweine, um Spenderherzen für Menschen zu produzieren. Mit der Genschere Crispr/Cas werden den Tieren dazu einige Gene entfernt: Die Proteine, die nach ihrer Anleitung gebaut werden, würde das menschliche Immunsystem als fremd erkennen und angreifen. Im Gegenzug wird das Erbgut um zwei menschliche Gene ergänzt. Erste Empfänger sollen Patient*innen sein, die an Herzversagen im Endstadium leiden.

Ärzte während einer Operation im OP-Saal
Das chirurgische Team des Massachusetts General Hospital während der vierstündigen Transplantation der Schweineniere
© Massachusetts General Hospital

Ein Teil des Teams, das nun am Massachusetts General Hospital die Schweineniere verpflanzt hat, hatte im Oktober 2023 bereits über präklinische Versuche mit Javaner-Affen berichtet. 21 Affen erhielten damals Nieren genetisch veränderter Yukatan-Minischweine. Fünf von ihnen lebten mit dem artfremden Organ länger als ein Jahr. Ein Affe wurde sogar mehr als zwei Jahre alt, wie das Team in der Fachzeitschrift "Nature" berichtete. Andere hingegen starben nur Tage bis Wochen nach dem Eingriff. 

Die Forschenden hatten drei Schweinegene entfernt und sieben menschliche Gene ergänzt. Außerdem hatten sie die DNA von 59 Viren herausgeschnitten, die sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte ins Erbgut der Schweine integriert hatte. 

Können auch Schweinelebern Menschenleben retten?

Auch die Verpflanzung von Schweinelebern wird derzeit erforscht. Vor wenigen Tagen berichtete ein chinesisches Forschungsteam, einem hirntoten Patienten für zehn Tage das Stoffwechselorgan eines Minischweins eingesetzt zu haben. Die Leber habe jeden Tag mehr als 30 Milliliter Galle produziert, verkündete das medizinische Team des Xijing-Hospitals.

Offen ist jedoch, ob eine artfremde Leber die vielfältigen und komplexen Stoffwechselaufgaben ihres menschlichen Pendants übernehmen kann. Das müsste sie jedoch, um das Leben schwerkranker Patient*innen zu verlängern. Fachleute schätzen die Erfolgschancen bei der Xenotransplantation von Nieren und Herzen deshalb höher ein. 

Nora Saager dpa

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