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Tanger Die marokkanische Stadt zwischen den Meeren

Blick vom Kasbah-Viertel in Tanger
Tanger liegt auf der nordafrikanischen Spitze gegenüber von Gibraltar und zwischen dem Mittelmeer sowie dem Atlantik
© mauritius images / robertharding / Neil Farrin
In der marokkanischen Stadt Tanger zwischen den Meeren und den Welten lebt leise der Mythos der Beatniks und Künstler fort, während die Zukunft sich ankündigt. Eine Zeitreise an die aufregende Nordspitze Afrikas

Tanger: Reisetipps für die Künstlerstadt

Ahmed balanciert gleich zehn Gläser mit bitter-süßem thé à la menthe in einem Drahtkorb über steile Stufen zu seinen Gästen. Die Terrassen des legendären Café Hafa sind direkt an den Felsen gebaut. Unten schillert das Meer in triumphierendem Blau. Der Blick geht über die Straße von Gibraltar bis hinüber zur spanischen Küste. Junge Männer spielen Parchís, eine Art Menschärgere-dich-nicht, ein Hauch Haschisch liegt in der Luft.

An diesem Ort wirkt Tanger wie ein – traumhaft schönes – Klischee seiner selbst, jene Stadt zwischen zwei Meeren und zwei Kontinenten, zwischen Orient und westlicher Welt. Seit seiner Gründung 1921 hat sich das "Café Hafa" kaum verändert, Ahmed brachte als einer der dienstältesten Kellner schon Schriftstellern wie Paul Bowles oder Musikern wie Mick Jagger den Minztee (in einer Seitengasse der Av. Hadj Mohamed Tazi). Doch die Neuzeit kündigt sich mit lautem Rumpeln an: Unten am Meer zeichnen Bagger die Konturen eines luxuriösen Jachthafens samt Einkaufsmeile. Tanger, einst Ort auch zweifelhafter Verheißung, ist auf dem Weg zu einem Wandel an der Nordspitze Afrikas.

Das Kasbah-Viertel von Tanger

Der älteste Teil Tangers ist das festungsartige Viertel Kasbah an der höchsten Stelle der Medina. Das östliche Stadttor Bab Haha führt zum Kasbah-Museum, einem alten Sultanspalast, in dem Besucher die Geschichte der Region erkunden und im Garten unter Mandarinen- und Feigenbäumen eine Pause machen können (Place du Mechoir).

Bougainvillea umrankt die schmalen weißen Gassen der Kasbah. Vorbei an einer Moschee aus dem 17. Jahrhundert und sorgfältig restaurierten Häusern geht es Richtung westliches Stadttor, Bab Kasbah, wo Vergangenheit und neues Tanger aufeinandertreffen: zum Beispiel im EL Morocco Club, in dem Gäste tagsüber unter einem riesigen Ficus ihren Kaffee trinken und abends in der Pianobar Jazz hören können (Place du Tabor).

Oder aber im Concept Store las Chicas. Dort zeigen die Filmregisseurin Farida Benlyazid (Ihre "Die List der Frauen" war auch bei uns zu sehen), die Schmuckdesignerin Yasmine Durner Hurel und die Kostümbildnerin Ayda Diouri, wie sie die marokkanische Kultur neu interpretieren: mit ausgefallener Mode, orientalisch inspiriertem Schmuck und frischen würzigen Gerichten im "Salon de Thé".

"Tanger steckt so voller Kreativität", sagt Ayda und sieht mit ihren energischen Locken und dem offenen Lachen so aus wie der lebende Beweis ihres Satzes. "Und die besten Ideen und Produkte wollen wir bei uns präsentieren" (Rue Kacem Guenoun 52, Tel. 00212-5-39 37 45 10).

Aus der Zeit der Internationalen Zone, als Tanger und das Umland zwischen 1923 und 1956 als selbstverwaltetes Territorium Anziehungspunkt für Schmuggler und Geschäftemacher, Glücks- und Sinnsucher, Künstler und Spione war, sind nur noch wenige Spuren zu finden. Das altehrwürdige Grand Café de Paris aber hat sich über die Zeiten gerettet (Place de France).

Wo früher Grillen in den Bäumen zirpten, schrillen heute vor der Tür die Trillerpfeifen der Polizisten, die den Verkehr zu bändigen versuchen. Männer in traditionellen Djellabas, langen Kapuzengewändern, trinken neben Geschäftsleuten im Anzug ihren Kaffee oder Minztee. "Die Alten da, die könnten dir von den wilden Jahren erzählen", sagt Hans Tischleder, selber in eine Djellaba gehüllt, und weist auf den Nachbartisch. "Aber was sollen die alten Geschichten?"

Seit 1990 lebt der ehemalige Werbefachmann in Tanger, leitet als Direktor die Deutsch-Marokkanische-Gesellschaft Nord, einen kulturellen Außenposten, in dem junge Marokkaner Deutsch lernen (Rue de Belgique 11). Und knüpft so an eine Tradition an, die er für eine Ausstellung erforscht: Bis zum Kriegsausbruch 1914 spielten Deutsche in Tanger eine wichtige Rolle: So baute Adolf Renschhausen den alten Hafen von Tanger aus, der marode Renschhausenkomplex im spanischen Kolonialstil (am nördlichen Teil der Av. Mohamed VI) erinnert ebenso wie die Reste eines deutschen Friedhofs im Mendoubia-Park (Rue d’Italie/Av. Hassan I) an diesen Teil der Geschichte.

Das moderne Tanger

Das neue Tanger wächst – sechs Kilometer zieht sich die palmengesäumte Promenade am Mittelmeer und der Bucht von Tanger entlang, mit Beachclubs wie dem Beachclub 555, in dem abends DJs auflegen (Av. Mohammed VI), bis hin zum Casino Tanger im luxuriösen "Mövenpick"-Hotel (Route de Malabata).

An den Atlantikstränden unterhalb des Kap Spartel mit seinem weißen Leuchtturm entstehen Feriensiedlungen, im neuen Hafen Tanger-Med werden Autos verladen, produziert im 2012 eröffneten Renault-Nissan-Werk, das fast 5000 Menschen beschäftigt. Doch das Herz Tangers schlägt noch immer am Grand Socco, offiziell Place 9 Avril 1947, Schnittpunkt zwischen Neustadt und Medina mit ihren Gassen voller kleiner Läden mit Gewobenem und Geknüpftem, Genähtem und Gesticktem, Geschmiedetem und Getöpfertem, Gebratenem und Gezuckertem.

In der Cinémathèque de Tanger diskutieren Studenten über den jüngsten Vampir-Film von Jim Jarmusch, "Only Lovers left alive", der teilweise in Tanger gedreht wurde (Grand Socco). Denn Künstler zieht es noch immer – und in diesem Fall trifft das Wort wirklich – magisch an diesen Ort. Etwa zum Jazzfestival Tanjazz. Motto in diesem Jahr: "Die Stimmen des Jazz", passend zu dieser Stadt, in der sich Mythen der Vergangenheit und Pläne für die Zukunft zu einem aufregenden Heute vermischen.

Tanger: Rund eine Millionen Menschen leben inzwischen in Tanger, auch Tangier genannt
Rund eine Millionen Menschen leben inzwischen in Tanger, auch Tangier genannt
© Kreuels/laif

Essen und Trinken: Restaurants & Cafés in Tanger

Einen preiswerten Mittagstisch mit Gerichten wie Couscous oder Tajine, dem traditionellen Eintopf der Berber mit Gemüse und Huhn, sowie unschlagbarem Zitronenkuchen als Dessert serviert die Fraueninitiative Darnaim Patio ihres Hauses (Rue Jules Cott, zu der eine Treppe vom Grand Socco führt, täglich 12–15 Uhr).

Wem der Besuch des überbordenden Fischmarkts (Rue Salah Eddine el Ayoubi) Appetit macht, der ist im Restaurant Populaire Saveur de Poisson bestens aufgehoben: Fischsuppe aus einem großen Tontopf, mit Kräutern gefüllter gegrillter Fisch, umwerfend süße Nachspeisen und Fruchtsaft (Escalier Waller 2, eine Treppe, die von der Rue de la Liberté abgeht, Tel. 00212-5-539 33 63 26).

Gute marokkanische Weine mit französisch inspirierter Küche serviert Remi Tulloue im Relais de Paris (Rue de Hollande 42, Tel. 00212-0-539 33 18 19, Menü ab ca. 14 €).

Remis Partner Philippe Morin toppt den Genuss imRestaurant l'Ocean noch durch den Ausblick auf weiten Strand und den Atlantik (Plage Sidi Kacem, Tel. 00212-5-39 33 81 37).

Besser schlafen: Schöne Unterkünfte in Tanger

An das alte Tanger erinnert das 1865 eröffnete, charmante, aber etwas verstaubte Hotel Continental (Rue Dar Baroud 36, Tel. 00212 -5-39 93 10 24, DZ/F ab 50 €).

Eine Dachterrasse, ein Hamam, zehn individuell gestaltete Zimmer und eine familiäre Atmosphäre zeichnen La Tangerina aus, das der Deutsche Jürgen Leinen und seine marokkanische Frau Farida in der Kasbah restauriert und ausgebaut haben (Rue Riad Sultan 19, in der Kasbah, Tel. 00212-5-39 94 77 31, DZ ab 45 €; mein Tipp: Zimmer 8 mit Meerblick, ab 100 €).

Direkt am Stadtstrand steht das moderne Vier-Sterne-Hotel Atlas Almohades mit Pool im Garten und Nachtclub auf dem Dach (Av. Mohamed VI 43, Tel. 00212-5-39 94 07 55, DZ ab 125 €).

Tangers Traditionshotel El Minzah wirkt wie ein luxuriöser maurischer Palast, Caid's Bar soll das Vorbild für "Rick’s Cafe" im Film-Klassiker "Casablanca" gewesen sein (Rue de la Liberté 85, Tel. 00212-5-39 33 34 44, DZ/F ab 150 €).

GEO SAISON Nr. 09/2014 - GEO Saison - Deutschland für ein Wochenende

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