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Tierschutz Revolution im Supermarkt? Weshalb die neue Kennzeichnung an der Fleischtheke wenig bringt

Seit dem 1. Februar 2024 muss die Herkunft auch von unverpacktem Schweinefleisch angegeben sein
Seit dem 1. Februar 2024 muss die Herkunft auch von unverpacktem Schweinefleisch angegeben sein
© Jens Kalaene / picture alliance
Seit dem 1. Februar muss auch auf unverpacktem Schweinefleisch das Herkunftsland angegeben werden. Doch entscheidet sich, wer deutsches Fleisch kauft, für "mehr Tierschutz", wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir meint?

Ob an der Supermarkttheke oder im Hofladen: Wer Fleisch kauft und an seiner Herkunft interessiert ist,  wird ab heute fündig: Seit dem 1. Februar muss das Herkunftsland nicht nur, wie bisher, auf verpacktem, sondern auch auf unverpacktem Fleisch von Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel angegeben werden. Wenn das Tier in verschiedenen Ländern gemästet und geschlachtet wurde, muss auch das vermerkt werden. "Eine gute Nachricht" sei das "für unsere Landwirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher", findet Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Die Menschen könnten sich so "aktiv für mehr Tierschutz, regionale Wertschöpfung und hohe Umweltstandards entscheiden".

Tatsächlich dürfte es bei dieser Kennzeichnungspflicht vor allem um den Punkt "regionale Wertschöpfung" gehen. Wer Produkte bevorzugt aus Deutschland kaufen will, für den wird das Einkaufen an der Fleischtheke ein bisschen einfacher. Was Özdemir allerdings mit einer "aktiven" Entscheidung für "mehr Tierschutz" und "hohe Umweltstandards" meint, bleibt zumindest unklar.

Mindeststandards sind kein Tierschutz

Beispiel Schwein: 99 Prozent der Tiere werden in Deutschland in konventionellen Betrieben gemästet, die lediglich den gesetzlichen Mindeststandards verpflichtet sind. Danach stehen einem bis zu 110 Kilogramm schweren Schwein nur drei Viertel eines Quadratmeters zu. Tageslicht, frische Luft, Auslauf im Freien, Spielmöglichkeiten, ein normales soziales Miteinander: Alles, was den Tieren ein auch nur annähernd artgerechtes Leben ermöglichen könnte – ist in der Regel Fehlanzeige. Schon dieses Basisniveau hat mit Tierschutz nichts zu tun. Aber es geht noch schlimmer. Wer starke Nerven hat, sollte sich mal durch die Datenbank Tierschutz-Skandale.de scrollen.

Öffentlich gemacht werden die krassesten Auswüchse, ob in den Mastställen oder im Schlachthof, meist von engagierten Tierschützenden, nicht etwa von den eigentlich zuständigen Veterinär*innen. Von denen gibt es viel zu wenige – und zu wenig engagierte. Mit Kontrollen müssen Tierhaltende nach Angaben der Bundesregierung im Schnitt nur etwa alle 17 Jahre rechnen – in der Regel nach vorheriger telefonischer Anmeldung. Immerhin: Nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft wurden 2022 in jedem vierten der besuchten Betriebe Verstöße gegen das Tierschutzrecht festgestellt.

Was also bringt die Herkunftskennzeichnung? Während die verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung, die ab 2025 – wenn auch zunächst nur für Schweine – eingeführt werden soll, tatsächlich mehr Transparenz schafft, lässt sich an der Herkunft allenfalls ablesen, ob das Tier vor seiner Tötung noch über Grenzen gekarrt wurde. Zudem wäre bei einer Schlachtung in Deutschland zumindest ausgeschlossen, dass dem Tier bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten wurde.

Nein, mit einer "aktiven Entscheidung für mehr Tierschutz" hat der Griff zu Fleisch aus Deutschland nichts zu tun. Das wäre erst dann der Fall, wenn die nationalen Mindeststandards deutlich angehoben würden. Und zwar mindestens auf Bio-Niveau. Das Siegel "Made in Germany" wäre dann auch ein ernst zu nehmender Standortvorteil für deutsche Erzeuger*innen.

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