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Anbindehaltung So viel verbotene Haltungsform steckt in Bio-Joghurt

Umdrehen, Fellpflege, Kontaktaufnahme zu anderen Tieren: Bei der Anbindehaltung wird Kühen fast jede Bewegungsfreiheit genommen
Umdrehen, Fellpflege, Kontaktaufnahme zu anderen Tieren: Bei der Anbindehaltung wird Kühen fast jede Bewegungsfreiheit genommen
© Sophie Caron / getty images
Laut EU-Bio-Verordnung ist es eigentlich verboten, Milchkühe im Stall zu fixieren. Recherchen der Zeitschrift "Öko-Test" zeigen nun: Es gibt Schlupflöcher. Von denen ausgiebig Gebrauch gemacht wird

Wer zu Milchprodukten aus Bio-Haltung greift, bezahlt ein bisschen mehr. Und bekommt dafür das Versprechen, dass es den Tieren besser geht als in den Ställen konventionell wirtschaftender Betriebe. Tatsächlich liegen die Vorgaben der EU-Bio-Verordnung deutlich über den Mindestanforderungen für die konventionelle Haltung. Etwa, was den Auslauf, den Platz im Stall, die Einstreu und das Futter betrifft. Noch besser sieht es meist bei den Bio-Anbauverbänden aus, die ihre eigenen Anforderungen formulieren, darunter Bioland, Demeter und Naturland.

Doch auch "bio" ist deshalb nicht frei von Tierleid. Das zeigen jetzt Recherchen der Zeitschrift "Öko-Test". Deren Tester hatten 20 Bio-Naturjoghurts unter die Lupe genommen. Und die Milcherzeugnisse nicht nur auf ihren Nährwertgehalt, sondern auch auf die Bedingungen für die Tiere durchleuchtet.

Mehr als die Hälfte aller Molkereien haben demnach Zulieferer, bei denen die Tiere zumindest zeitweise im Stall angebunden leben müssen. Die "Anbindehaltung", bei der die Tiere am Hals fixiert werden, bietet so gut wie keine Bewegungsfreiheit. Arttypisches Verhalten ist damit fast komplett unmöglich.

Reger Gebrauch von Ausnahmegenehmigungen

In der Bio-Haltung nach EU-Verordnung ist so etwas zwar verboten. Doch es gibt Schlupflöcher. So dürfen Kleinbetriebe mit einer Ausnahmegenehmigung, zum Beispiel weil sie zu wenig Platz für einen Laufstall haben, auf die sogenannte Kombinationshaltung ausweichen. Das bedeutet: Die Tiere müssen zwar Zugang zu einer Weide haben, dürfen aber den Winter über angebunden werden – solange sie mindestens zweimal pro Woche auf einem "Freigelände" laufen dürfen. Von den großen Bio-Verbänden geht nur Bioland über die EU-Verordnung hinaus. Hier ist die Anbindehaltung von bis zu einem Jahr alten Rindern auch in Kleinbetrieben verboten.

"Ausnahmeregelungen ermöglichen, dass sich selbst in Bio-Ställen nicht alle Tiere frei bewegen können, indem sie unter bestimmten Umständen die umstrittene Anbindehaltung erlauben", resümiert "Öko-Test". "Und auch Bio-Höfe können die Anforderungen zum Auslauf so umgehen, dass statt einer Weide lediglich ein sogenannter Laufhof zur Verfügung stehen muss."

Tierschutzverbände fordern seit Langem ein Ende der Anbindehaltung. Und bekommen dabei auch Unterstützung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Zwar plant Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, im Entwurf des überarbeiteten Tierschutzgesetzes, die Anbindehaltung generell zu verbieten. Allerdings sollen auch weiterhin Ausnahmen möglich sein. Dabei heißt es in demselben Entwurf: "Die Anbindehaltung ... führt bei den betroffenen Tieren häufig zu erheblichen Schmerzen, Leiden und/oder Schäden. So ist vor allem das eingeschränkte Bewegungsverhalten mit einem hohen Risiko für das Auftreten von Erkrankungen und Verletzungen sowie von Verhaltensstörungen verknüpft. " 

 

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