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Las Palmas In der ersten Krakenfabrik der Welt sollen jedes Jahr eine Million Tiere sterben – doch der Widerstand wächst

Octopus Vulgaris
Weltweit gibt es rund 300 Krakenarten (im Bild: ein Gewöhnlicher Krake, Octopus vulgaris), von denen mehr als 100 in freier Wildbahn mit Netzen, Reusen, Leinen und Fallen gefangen werden. Nach vorsichtigen Schätzungen werden jedes Jahr mindestens 350.000 Tonnen Kraken gefischt
© Gerard Lacz / mauritius images
Im Hafen von Las Palmas auf der Kanareninsel Gran Canaria plant ein Fischereiunternehmen die erste Krakenzuchtanlage der Welt im industriellen Maßstab. Tierschutzorganisationen und Forschende aus aller Welt protestieren. Die intelligenten und empfindsamen Kraken, so der wichtigste Einwand, seien für die Massentierhaltung völlig ungeeignet

Kraken zählen im Tierreich zu den Superschlauen. Sie lösen knifflige Probleme, tarnen, täuschen und tricksen. Und sie fühlen. Das Vereinigte Königreich hat 2022 als erstes Land der Welt Kraken offiziell als "fühlende Wesen" (sentient beings) anerkannt. Mehr noch: Die achtarmigen Meeresbewohner besitzen offenbar auch so etwas wie eine Persönlichkeit.

Tierschutzorganisationen und Forschende waren daher entsetzt, als Pläne von Nueva Pescanova bekannt wurden. Das spanische Fischereiunternehmen will im Hafen von Las Palmas auf 50.000 Quadratmetern – das entspricht etwa der Fläche von fünf Fußballfeldern – Gewöhnliche Kraken (Octopus vulgaris) in Wassertanks züchten, schlachten und vermarkten. Nach Recherchen der Tierschutzorganisationen Eurogroup for Animals und Compassion in World Farming (CIWF) sollen in der Anlage jährlich 3000 Tonnen Krakenfleisch erzeugt werden. Das entspricht etwa einer Million geschlachteter Kraken. Die Anlage wäre die weltweit erste dieser Art.

"Kraken sind aus einer Reihe von Gründen für die Zucht völlig ungeeignet", sagt Elena Lara von CIWF gegenüber GEO. "Sie sind Wildtiere und von Natur aus Einzelgänger, sodass sie sich unter den beengten Verhältnissen und der hohen Besatzdichte, die für Massentierhaltungsanlagen typisch sind, nicht wohl fühlen würden." Experimente zur Aufzucht von Tintenfischen hätten gezeigt, dass die Sterblichkeitsrate in diesen Systemen bei etwa 20 Prozent liegt. Eines von fünf Tieren würde also den gesamten Produktionszyklus nicht überleben.

"Vor allem aber gibt es keine 'humane' Methode zur Schlachtung von Kraken im industriellen Maßstab", sagt die Tierschutzexpertin für Aquakulturen. Nach ihren Informationen ist geplant, die Tiere in Becken mit Eiswasser zu töten – was für die Tiere einen langsamen und qualvollen Tod bedeutete. Rechtsvorschriften, die das Wohlergehen von Kraken in Zuchtbetrieben gewährleisten, gebe es keine, beklagt Lara.

Fischereiunternehmen: "Schutz der Tiere hat für uns Priorität"

Von Unternehmensseite heißt es dazu auf Nachfrage, die Anlage werde "den Druck auf die Wildbestände verringern und zur Nachhaltigkeit der Meeresressourcen beitragen". Doch genau das bezweifeln die Gegner: Denn die Kraken müssen mit frischem Fisch gefüttert werden. Der Druck auf die ohnehin stark dezimierten Fischbestände in der Region, so ihre Befürchtung, würde dadurch weiter erhöht.

Auf Tierschutzbedenken angesprochen, teilt Nueva Pescanova mit: "Wir halten uns strikt an die spanischen und europäischen Rechtsvorschriften für Aquakultur und Umweltschutz. In diesem Sinne möchten wir hinzufügen, dass der Schutz der Tiere für uns Priorität hat."

Noch steht das Ergebnis des entscheidenden Environmental Impact Assessment – also der behördlichen Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt – aus. Doch für die Kritiker geht es um mehr: Sie befürchten, dass auf den Kanaren der Startschuss für die Massentierhaltung einer weiteren intelligenten Spezies fallen könnte.

"Wir haben die Möglichkeit, die Krakenzucht zu stoppen, bevor sie beginnt", sagt Elena Lara, "um das Leiden zu vermeiden, das Schweinen, Hühnern und anderen Tieren in Massentierhaltung zugefügt wird – sowie die Schäden, die diese Systeme für unsere Umwelt und die Gesundheit der Menschen verursachen." Unterstützung erhielten die Tierschützenden im Oktober 2023 von 75 Organisationen und Forschenden, die in einem offenen Brief an die Regierung der Kanaren appellierten, die Zuchtanlage nicht zu genehmigen.

Ginge es nach den Kritikern, würde nicht nur die Farm in Las Palmas verhindert – sondern die Krakenzucht komplett verboten. Beispiele dafür gibt es schon. Erst vor Kurzem verabschiedete der US-Bundesstaat Washington ein Gesetz zum Verbot der Tintenfischzucht – das weltweit erste dieser Art. In Kalifornien und Hawaii sind entsprechende Gesetze in Vorbereitung.

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