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Tierschutz Nach den Bauernprotesten: Vergesst die Tiere nicht!

Deutsche Kühe leiden nicht nur in Deutschland: Im Dezember 2023 erlaubten die Richter*innen des Verwaltungsgerichts Osnabrück den eigentlich verbotenen Transport von mehr als 100 schwangeren Rindern nach Marokko (Symbolbild)
Deutsche Kühe leiden nicht nur in Deutschland: Im Dezember 2023 erlaubten die Richter*innen des Verwaltungsgerichts Osnabrück den eigentlich verbotenen Transport von mehr als 100 schwangeren Rindern nach Marokko (Symbolbild)
© Faba-Photograhpy / Getty Images
Die ersten Opfer einer zunehmenden Industrialisierung in der Landwirtschaft waren die Tiere: Das Leid, das sie durchleben, gilt nichts. Doch die profitorientierte, massenhafte Tierproduktion hat so wenig Zukunft wie die Wesen, die sie hervorbringt

Landwirtschaft war mal eine Erfolgsgeschichte: Nach zwei verheerenden Kriegen musste ein ganzer Kontinent mit billigen Nahrungsmitteln versorgt werden. Das gelang, und man sollte das nicht geringschätzen.

Was den Erfolg möglich gemacht hat, waren die Mechanisierung, der Einsatz von Gift und Dünger, die Tier- und Pflanzenoptimierung, Flurbereinigungen – kurz, eine immer effizientere Produktion. Doch die Industrialisierung der Landwirtschaft, das sehen wir heute, bringt nicht nur billige Lebensmittel für Märkte in aller Welt hervor, sondern verursacht auch immense Schäden: Immer größere Flächen werden von immer weniger Menschen und Betrieben bewirtschaftet, Arbeitsplätze gehen massenweise verloren. Böden verlieren durch die intensive Bewirtschaftung ihre Fruchtbarkeit, im Grundwasser sammelt sich Nitrat aus den überschwappenden Gülletanks der Megaställe.

Pflanzengifte und sterile Monokulturen sorgen für einen katastrophalen Rückgang der Insekten; Vögel und andere Tiere, die sich von ihnen ernähren, verschwinden gleich mit. Antibiotikaresistenzen treiben Mediziner*innen Sorgenfalten auf die Stirn. Zudem leidet die Landwirtschaft unter den zunehmenden Wetterextremen der Klimakrise – und befeuert sie zugleich selbst, durch ihre hohen Emissionen. Es ist ein Wirtschaften nicht mit, sondern gegen die Natur.

Doch da ist noch etwas. Es ist allerdings nicht messbar, es summiert sich nicht zu gesundheitsschädlichen Konzentrationen. Es ist das Leid der sogenannten Nutztiere.

Sie waren die ersten Verlierer der Industrialisierung der Landwirtschaft. In den Zuchtanlagen, den Mast- und Megaställen führen sie ein Leben ohne Freude, ohne Zukunft, optimiert bis zum Zusammenbrechen für einen maximalen Profit. Ihr Daseinszweck erfüllt sich im gekachelten Wartebereich der Schlachthöfe, in den Elektrobädern, CO2-Gondeln und an den Bolzenschussgeräten. Viele von ihnen werden zuvor auch noch tagelang in Länder gekarrt, in denen der sogenannte Tierschutz gar nichts mehr gilt.

Tierschutzgesetze schützen Tiere nicht – sondern regeln die Ausbeutung

Man kann nicht sagen, dass wir uns das mal anders vorgestellt hätten: Die Gesetze zu Tierhaltung und -transport sind demokratisch legitimiert. Und sie schützen die Tiere nicht davor, im Interesse der Kostenoptimierung buchstäblich bis auf die Knochen ausgebeutet zu werden.

Das deutsche Tierschutzgesetz spricht zwar eingangs von einer Verantwortung des Menschen für die Tiere – strotzt dann aber, ebenso wie die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, vor Leerstellen und Ausnahmeregelungen. Erlaubt ist, fühlende Tiere lebenslang auf engstem Raum einzusperren, Rinder ununterbrochen anzubinden, Schweine- und Hundeschwänze abzuschneiden, Hörner auszubrennen – der ganze grausige Katalog der beschönigend "nicht-kurativ" genannten Amputationen und Eingriffe, die einzig den Zweck haben, das Tier restlos in den Produktionsprozess einzupassen.

Nebenbei bemerkt: Es war nicht immer nur die Bauernschaft, die sich gegen bessere Haltungsbedingungen für ihre Tiere sperrte. So soll zurzeit das Tierschutzgesetz überarbeitet, zahlreiche Ausnahmen gestrichen werden. Doch die FDP blockierte das Verfahren monatelang. Unter anderem, weil der Bundesfinanzminister und leidenschaftliche Jäger Christian Lindner sich sorgt, dass Jagdhunden zukünftig nicht mehr die Schwänze abgeschnitten werden dürfen.

Das Tier in der durchgetakteten Produktion als Ware zu behandeln, hat vielen über Jahrzehnte gute Profite beschert – weil das Leid und die Schmerzen jedes einzelnen Tieres schier unbegrenzt verfügbare Ressourcen sind. Sie werden nicht eingepreist, nirgendwo verbucht, kompensiert oder gar wiedergutgemacht. Sie verschwinden mit dem namenlosen Tier, das sie empfand. Daran werden auch eine "Tierwohl"-Abgabe oder 19 Prozent Mehrwertsteuer, wie sie jetzt wieder ins Gespräch gebracht werden, wenig ändern.

Dürfen wir uns damit arrangieren? Dürfen wir uns erlauben, wegzusehen? Dürfen wir uns damit freisprechen, dass wir ja nur noch "ganz wenig Fleisch" essen, und dann auch nur vom Bio-Metzger nebenan? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch ob die Landwirtschaft die Achtung, die sie bei einem Teil der Bevölkerung verloren hat, zurückgewinnen kann, ob sie an ihrer Erfolgsgeschichte weiterschreiben kann – das wird auch davon abhängen, wie sie in Zukunft mit Tieren umgeht.

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