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"Operation Gomorrha" Bomben auf Hamburg: So erlebten Zeitzeugen den Feuersturm

Brennendes Haus während des Feuersturms in Hamburg
Mehr als 700 britische Kampfflugzeuge greifen in der Nacht auf den 28. Juli 1943 die Hansestadt an. Tausende Häuser und Wohnblöcke brennen. Die aufsteigende heiße Luft erzeugt in der Stadt einen orkanartigen Feuersturm mit Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius
© Beutler/Staatsarchiv Hamburg (720-1/343-1/BP000042)
In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 erreicht die "Operation Gomorrha" ihren Höhepunkt: Britische Bomber werfen mehr als 300.000 Brandsätze über Hamburg ab. Ganze Stadtteile werden zum Flammenmeer. Dies sind die Erinnerungen von Menschen, die das Inferno überlebten

Die Tage vor dem Feuersturm

Die Autos auf den Straßen durften schon lange nicht mehr mit vollem Scheinwerferlicht fahren. Die Scheinwerfer mussten bis auf kleine Schlitze abgedichtet sein. Das war ein seltsamer Anblick, es fuhren nur noch blinzelnde Schatten auf der Straße. Der ganze Röhrendamm wurde finster. Die Schaufenster, die Straßenbeleuchtung, alles Licht wurde bis auf das Minimalste herabgesetzt. Die Menschen wurden zu Schatten. Und zwischen diesen Schatten gab es Menschen, die noch schattenhafter wirkten. Sie hatten einen gelben Stern auf den Mänteln und Jacken. Magda Z.

Wir konnten uns ins Freie retten, bevor alles zusammenstürzte. Wir landeten gegenüber der Straße bei Schlachter Lampert, wo die meisten Nachbarn schon dicht gedrängt Obdach suchten. Rundherum schlugen die Bomben ein. Alles brannte. Herr Lampert, ein echter Bayer, bekannt für seine derben Redensarten, war völlig verändert. Er führte meine Mutter (65 Jahre) nach hinten in seine Wohnung. Wir durften mitkommen und erhielten einen Sitzplatz. Seine Ware im Laden bot er allen zur Selbstbedienung an. Nur leider konnte kaum einer davon Gebrauch machen. Der Hals war zugeschnürt. Charlotte F.

Als ich am Morgen mich erhob, stand über Hamburg eine einzige riesige Qualmwolke, die die Sonne vollkommen verdeckte. Man hat in der Stadt bis elf Uhr vormittags nur bei künstlichem Licht arbeiten können! So etwas von Brand ist noch nicht da gewesen. Bahnverkehr gab es nicht, Telefon ging nicht. Um in die Stadt zu gelangen, benutzte ich von Teufelsbrück aus einen Dampfer, der mich bis zu den Landungsbrücken Altona brachte. Beim Donnerschloss, das noch in Flammen stand, begann die Zerstörungszone. Zunächst folgten an dem Steilhang des Elbufers einige zerstörte Häuser, dann aber begann die ununterbrochene Reihe ausgebrannter oder eingestürzter Gebäude, Wohnhäuser, Speicher, Mühlen und dergleichen. Ganz Altona, vom Hauptbahnhof bis zum Heiligengeistfeld, war ein Trümmerhaufen, aus dem einsam der Turm des Michel herausschaute. Franz T.

GEO EPOCHE PANORAMA - Feuersturm
© GEO EPOCHE PANORAMA

Auszug aus dem Heft Feuersturm

Weitere Zeitzeugenberichte sowie eine detaillierte Aufschlüsselung der Geschehnisse vor und nach dem Luftangriff auf Hamburg, können Sie im GEO Epoche Panorama "Feuersturm" lesen.

Der Feuersturm am 28. Juli 1943

Beim Weltuntergang kann es nicht schauriger hergehen als in der Nacht auf den 28. Juli 1943 in Hamburg. Gegen 24 Uhr Alarm, zuerst etwas Schießerei der Flak, dann einige Zeit lang gar nichts, sodass wir im Keller schon annahmen, dass es wie üblich ablaufen würde, dass nämlich der Angriff nicht auf Hamburg geplant sei. Dann aber setzte es schlagartig ein in einem Ausmaß, wie wir es bisher noch nicht erlebt hatten. Zwei Stunden lang oder noch länger, ununterbrochen. Spreng- und Brandbomben, deren Einschläge sich in unserem Keller schaurig anhörten. Dann sprang ein Sturm ein, der das Feuer auf den Dächern von Haus zu Haus trieb, sodass bald jedes Haus um uns in hellen Flammen stand. Hermann H.

Das furchtbare und erstaunliche Schauspiel faszinierte mich. So weit ich auch sehen konnte, nur eine einzige Feuermasse. Man spricht immer von einem „Flammenmeer“, aber das Wort reicht nicht aus. Es war so hell, dass ich die Zielkarten lesen und das Bombenzielgerät einstellen konnte. Sergeant W. G. Lamb.

Bewohner im zerstörten Hamburg nach dem Feuersturm
Nachdem der Bombenangriff vorüber ist, wagen sich die Überlebenden wie hier in Altona aus U-Bahn-Schächten und Bunkern wieder hinaus und irren durch die Ruinen ihrer Stadt
© Erich Andres/Staatsarchiv Hamburg (720-1/343-1/A32_24_26)

Halb erschöpft, keinen Tropfen im Hals, hatte ich den Kleinen im Keller meinen Schweiß an die Lippen gerieben, weil sie so sehr nach Wasser jammerten. Nun, als ich rauskam, sagte ich immer nur laut: „Ich hol Wasser, ich hol Wasser.“ Ich traf keine Menschenseele in der Hammer Landstraße. Die Kleinen sagten immer, als wir über die Toten hinwegstiegen: „Was ist da, Mutti?“ Ich sagte ihnen: „Tritt mal nicht darauf, du fällst sonst, das ist ein Ast, der ist vom Baum gefallen.“ Else L.

Zur Brücke! Zur Böschung! Runter ins Wasser! Geh du vor! Kein Grund unter den Füßen. Das ist der Tod. Ich sank unter. Das war der Tod. Meine Mutter riss mich an den Haaren wieder hoch übers Wasser. Also doch durch den schlimmsten Sturm über die breite Straße auf die andere Seite. Das könnte der Tod sein, isses aber nicht. Der Soldat sah uns von unten. Er kommt uns entgegen. Er will uns übers Geländer helfen. Ein Steinbrocken von der Hochbahnbrücke erschlägt den Mann vor unseren Augen. Einen halben Meter vor uns. Das ist der Tod. Grimms Märchen: De Machandelboom. Der zermatschte Mann. Unter der U-Bahn-Brücke standen wir im flachen Wasser des Kanals. Wir drängten uns an den Pfeiler. Das tiefere Wasser. Die alte Frau, ihr Pappköfferchen unter Wasser, die offene Tasche und einen Koffer an der Hand, die schwammen noch halb. Dann lösten sich ihre Finger von den Griffen. Vor meinem Gesicht. Ein Koffer driftete ab. Die Frau sackte unter. Kein Wort. Das ist der Tod. Mama! Die nächsten kamen die Böschung runtergehetzt ins Wasser. Sie stellten sich auf die versunkene Alte. Wolf B.

Von draußen drangen gellende Schreie herein. Dann wurde gegen die Tür gehämmert; irgendwer schrie in einer fremden Sprache. In der Nähe stand eine Baracke mit Fremdarbeitern, Männern, die aus den besetzten Ländern zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren. Sie hatten keinen Bunker, und einer von ihnen musste in panischer Angst herübergekommen sein. Noch einmal schrie er auf, diesmal in gebrochenem Deutsch. „Um Gottes Willen, so lassen sie ihn doch herein“, sagte jemand aus der Dunkelheit. Aber Herr Braun blieb ungerührt. „Ich habe meine Befehle“, sagte er. „Die Bunker sind nur für uns Deutsche da.“ Hiltgunt Z.

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Als Hamburg im Feuersturm versank: Operation Gomorrha 1943 und die Folgen
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Der Morgen danach

Es war 11 Uhr, als wir wieder „Licht“ erblickten. Es war eine Dämmerung – ein schwarzgelber Himmel über Hamburg – der Feuersturm hatte ausgewütet. Ausgebombte Häuser neben brennender Glut, die Bäume entlaubt, die Straßen in wüstem Zustand. Ausgebrannte Möbel lagen umher. Wir hasteten an unserem aus Trümmern bestehenden Wohnhaus vorbei und landeten im Hammer Park. Dort wimmelte es von liegenden und umherirrenden Menschen. Am erschütterndsten war der Anblick der Kinder: Keines weinte. Charlotte F.

Ich konnte auf das alles nicht schauen. Die Asche von 30 Leuten haben wir mit der Bürste und … in die Ecke, in einen Korb, verbrannte Leichen, Asche, Knochen. Wir hatten die Gummihandschuhe und Gummistiefel. Dieses menschliche Fett … Es gab Bunker mit Tausenden Leuten. Wir mussten das alles auf Wagen laden, und die Wagen transportierten die Leichen auf den Friedhof. Wir waren so mit menschlichem Fett getränkt, dass man uns aus der Entfernung von einem halben Kilometer riechen konnte. Jozef S., Insasse Neuengamme

Der Brandgeruch – ich erinnerte mich an die Bücherverbrennungen, die Scheiterhaufen in der Stadt, auf denen alles, woran wir geglaubt hatten, in Flammen aufging und zu Asche wurde. Die schlurfenden Schritte am Morgen, der Strom von Menschen, die ihre letzte Habe mit sich schleppten – so wurden die Juden auf ihrem Todesmarsch gen Osten getrieben. Jetzt waren ihre Henker die Getriebenen. Hiltgunt Z.

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GEO Epoche Panorama Nr. 12 - Feuersturm

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