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von GEO EPOCHE

Tang-China um 870 n. Chr. Cui Shi: Die furchtlose Adelige, die beim Polo auf dem Esel antrat

Cui Shi
Cui Shi ist mit einem der besten Polospieler Chinas verheiratet. Und betreibt den Sport wohl selbst voller Leidenschaft, allerdings mit einem Esel statt einem Pferd. In ihrem Grab haben Archäologen gleich mehrere der Tiere gefunden
© Timo Zett
Der Handel über die Seidenstraße macht das von der Tang-Dynastie beherrschte China so reich und offen wie nie. Als luxuriöser Zeitvertreib frönt der Adel dem Polosport. Auch die wohlhabende Cui Shi betreibt den Sport voller Leidenschaft, wie Archäologen bei der Einsicht in ihr Grab herausfanden

Cui Shi liebt das Spiel. Nicht irgendeines. Sondern das edelste, elitärste. Und eines der gefährlichsten Chinas: Polo. Das Spiel einer Ära, in der das Reich der Mitte weltoffener ist als je zuvor. So kosmopolitisch, dass eine Frau wie Cui Shi die sportliche Leidenschaft ihres Mannes Gao Bao nicht nur teilen, sondern auch ausleben kann: Der Beamte gilt im 9. Jahrhundert als einer der besten Spieler in der Millionenmetropole Chang’an.

Wegen seiner sportlichen Verdienste hat ihn Kaiser Xizong, selbst polobegeistert, bereits in den Stand eines Generals erhoben. Allerdings hat Gao Bao bei einem der hitzigen Wettkämpfe zu Pferd auch schon ein Auge verloren. Die Verletzungsgefahr ist hoch, Stürze enden mit Brüchen oder Kopfwunden, manchmal sogar tödlich. Doch das alles schreckt Poloanhänger wie ihn und seine Gattin nicht.

Etwa 250 Jahre zuvor, zu Beginn der Tang-Dynastie, hat sich das Reich der Mitte kulturell und politisch geöffnet. Ab 626 schafft Taizong, der zweite Kaiser des Herrscherhauses, inneren Frieden durch eine geordnete Verwaltung, reformiert das Steuersystem, fördert Beamte, die er durch Prüfungen auswählen lässt und die – wie später auch Cui Shis Mann Gao Bao – hohes Prestige genießen.

Gleichzeitig bringen Händler und Gesandte aus Byzanz, Korea, Japan und Indien über die verschiedenen Handelswege neue Moden, Musik und Dichtung in die kosmopolitische Kapitale Chang’an, die sich wie auf einem gigantischen Schachbrett mit elf Straßen von Nord nach Süd und 14 Straßen von Ost nach West erstreckt. In keiner anderen Stadt des Kaiserreichs leben so viele fremdländische Menschen, wer-den so viele Sprachen gesprochen und Religionen gelebt. In Chang’an gibt es Heiligtümer des Daoismus, Tempel des Buddhismus, selbst christliche Kultstätten. Über die Seidenstraße bringen Kaufleute exotische Tiere und Gewürze mit, in der Stadt sind bald Strauße, Nashörner und "tanzende" Elefanten zu bewundern.

Der Adel frönt dem Polosport als luxuriösem Zeitvertreib

Hochstehende Frauen profitieren von der Lebensart der Reitervölker aus den Weiten Asiens, die vermutlich durch das Leben und Reisen auf dem Rücken der Pferde auf mehr Gleichberechtigung gegründet war und sich kontinuierlich ab dem 6. Jahrhundert auch in China verbreitet: Die Damen tragen nun tief ausgeschnittene Gewänder, zeitweise sogar Männerkleidung. Sie schreiben, dichten, musizieren mehr als je zuvor, engagieren sich politisch, gehen mit dem Bogen auf die Jagd. Oder messen sich wie Cui Shi im Polosport, der wohl ursprünglich aus dem heutigen Iran stammt und spätestens seit dem 3. Jahrhundert in China betrieben wird.

Vor allem der Adel frönt dem Sport als luxuriösem Zeitvertreib, außerdem gilt er als gutes Training für den Krieg. Und als überaus unterhaltsam. Nicht wenige Zuschauer und Zuschauerinnen ergötzen sich an den Stürzen ungeschickter Reiterinnen oder schwacher Reiter.

Jede Partie gleicht einem Fest. Man spielt prächtig gewandet, die Reittiere sind mit Federn, roten Troddeln, klingenden Glöckchen und blitzenden Metallspiegeln geschmückt. Musik und Trommelwirbel begleiten das Match, bei dem die Mannschaften den Ball mit einem Holzschläger in das nur 40 Zentimeter breite Tor des anderen Teams treiben müssen.

Kein Pferd: Cui Shi kämpft auf einem Esel

Anders als ihr Mann sitzt Cui Shi wohl nicht auf einem Pferd, sondern auf einem Esel: Dieser ist kleiner – und steht im Ruf, Gefahren besser einzuschätzen als das nervöse Fluchttier Pferd. Selbst ein Kaiser hat unlängst den zuverlässigen Maulesel, eine Kreuzung aus Pferdehengst und Eselstute, beim Polo bevorzugt, wie Zeichnungen beweisen.

Frauen spielen in weiten Gewändern und im Reitersitz gegeneinander und wohl auch gegen Männer. Erhaltene Tonfiguren zeigen äußerst dynamische Damen auf galoppierenden Tieren, die Haare straff nach oben aus dem Gesicht gebunden, den Oberkörper gebeugt, wie sie mit der erhobenen rechten Hand kräftig ausholen zum Schlag.

Die Polospielerin Cui Shi stirbt, hochgeehrt, am 6. Oktober 878 mit 59 Jahren. Sie wird, wie andere Adelige der Zeit, in einer gemauerten Grabkammer beerdigt.

Erst im Jahr 2012 entdecken chinesische Archäologen ihre letzte Ruhestätte in Xi’an, dem einstigen Chang’an. Sie bergen unter anderem einen Gedenkstein mit ihrem Namen, die Reste eines Steigbügels. Und die Knochen von mindestens drei gut gepflegten und gefütterten Eseln, die nach Ausweis ihrer Gebeine wohl einst geritten worden sind. Das Grab einer Frau, die den Polosport so sehr liebte, dass sie ihn auch im Jenseits nicht missen wollte.

Erschienen in GEO EPOCHE Nr. 118 "Die Seidenstraße"

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