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Mentale Gesundheit Wer oft in die Natur geht, fühlt sich besser – und "verdient" 1000 Euro mehr im Jahr

Familie mit Kindern geht über Holzsteg im Wald spazieren
Ausflüge in die Natur tun allen gut. Doch am meisten profitieren Menschen mit geringem Einkommen, wie eine Studie der Universität Wien zeigt
© Trevor Adeline / DEEPOL / plainpicture
Menschen mit hohem Einkommen sind oft gesünder und zufriedener als Menschen mit finanziellen Sorgen. Jetzt zeigt eine Studie: Wer wenig verdient, aber oft in die Natur geht, steigert sein Wohlbefinden und sein "virtuelles" Gehalt

Wohl jeder kennt das: Nach anstrengender Büroarbeit, bei Sorgen und Problemen tut kaum etwas so gut wie ein Gang in die Natur: Das Rauschen der Zweige und Blätter im Wind, der Gesang der Vögel, der Anblick eines fließenden oder ruhenden Gewässers, der Wind im Gesicht – all das macht den Kopf frei, lenkt ab und "erdet". Dass Spaziergänge in Wald und Wiese helfen, Stress zu bewältigen und das Immunsystem stärken, dass sie zu einem besseren Schlaf verhelfen und die Lebenszufriedenheit verbessern, ist mittlerweile wissenschaftlich gut belegt. Doch nicht alle Menschen profitieren gleichermaßen von der wohltuenden Wirkung der Natur. Offenbar tut der Gang ins Grüne vor allem Menschen gut, die vergleichsweise wenig Geld verdienen. Das zeigt zumindest eine Studie der Universität Wien.

Das österreichische Forschungsteam befragte 2300 Österreicherinnen und Österreicher unter anderem zu ihrer Einkommenssituation, ihrem Wohlbefinden und ihrem Freizeitverhalten. Wenig überraschend, waren die Wohlhabenderen – unabhängig davon, ob und wie oft sie sich in der Natur aufhielten – insgesamt zufriedener als die ärmeren Befragten.

Bei den Geringverdienern dagegen zeigte sich ein anderes Bild: Diejenigen von ihnen, die oft in die Natur gingen, gaben ein deutlich höheres Wohlbefinden zu Protokoll als diejenigen von ihnen, die nicht oder nur wenig Kontakt zur Natur suchten. Wer von den ärmeren sogar mehrmals pro Woche in die Natur eintauchte, erreichte auf der Skala des Wohlbefindens sogar einen annähernd so hohen Wert wie die reichsten Befragten. Im ländlichen Raum ebenso wie in der Millionenstadt Wien.

In puncto Wohlbefinden sind häufige Naturbesuche bares Geld wert

Den Autor*innen der Studie zufolge lässt sich der positive Effekt von Naturbesuchen auf das Wohlbefinden sogar als virtuelle Gehaltszulage interpretieren. Um die Auswirkungen von regelmäßigen Naturbesuchen einerseits und Einkommenszuwächsen andererseits auf das Wohlbefinden vergleichbar zu machen, werteten sie die Befragungsbögen nach einem Punktesystem aus. "Geht man das ganze Jahr über mindestens einmal pro Woche in die Natur", resümiert die Doktorandin und Hauptautorin der Studie, Leonie Fian von der Universität Wien in einer Presseerklärung, "ist der positive Nutzen für das Wohlbefinden ähnlich groß, wie wenn man 1000 Euro mehr Netto-Einkommen pro Jahr erhält."

Aus den Fragebögen ließ sich auch ableiten, dass das Verhalten der Menschen – also das aktive Aufsuchen der Natur – für ihr Wohlbefinden offenbar wichtiger ist als die bloße Anzahl von Bäumen und Grünflächen in ihrer Umgebung. Die Schlussfolgerung der Forschenden: Aus Sicht einer gesundheitsorientierten Stadtplanung sind nicht nur die Begrünung von Stadtteilen und ein attraktives Angebot an Naherholungsgebieten wichtig; es müssen ausreichend Informationen über die Natur in der Umgebung bereitgestellt werden – und sie muss auch für ärmere Menschen gut erreichbar sein.

"Gerade für Menschen mit geringerem Einkommen spielen Informationen über attraktive Naturerholungsgebiet in der Nähe und deren Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Nahverkehr eine wichtige Rolle", sagt Arne Arnberger von der an der Studie beteiligten Universität für Bodenkultur Wien. "Daher sollten diese auch am Wochenende mit dem öffentlichen Nahverkehr gut erreichbar sein."

Wie wichtig die Ergebnisse gerade für Menschen mit geringem Einkommen sind, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Langzeitstudie aus dem Vereinigten Königreich. Demnach sind finanzielle Sorgen der wichtigste Auslöser für krank machenden psychischen Dauerstress – noch vor dem Verlust eines nahestehenden Menschen oder langen Erkrankungen.

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