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Psychische Belastung Wie sich Arbeitsstress mit einfachen Tricks reduzieren lässt

Stress bei der Arbeit
Verdichtung der Arbeit, höheres Tempo, immer komplexere Anforderungen: Die psychischen Belastungen haben in der Arbeitswelt zugenommen
© mauritius images / Ikon Images / Gary Waters
Leistungsdruck, Multitasking, ständige Unterbrechungen: Der Beruf ist für die meisten Menschen die größte Quelle ­von psychischer Belastung und negativ empfundenem Stress. Doch mit einigen einfachen Tricks kann man dem entgegenwirken

Inhaltsverzeichnis

In fast allen Branchen hat sich die Arbeit in den letzten Jahrzehnten verändert, sie ist angenehmer und sicherer geworden. Angestellte arbeiten auf ergonomisch geformten Büro­stühlen in klimatisierten Räumen; sie haben ein Recht auf regelmäßige Pausen und müssen nicht mehr wie früher an sechs Tagen in der Woche schuften.

Auch in den Fabrikhallen plagen sich Beschäftigte weitaus seltener mit Schwerstarbeit, immer gleichen Bewegungen oder schädlichen Haltungen.

Doch während die körperlichen Belastungen in der Arbeitswelt geringer wurden, haben die psychischen zugenommen – vor allem durch Verdichtung der Arbeit, höheres Tempo, immer komplexere Anforderungen. Viele Beschäftigte fühlen sich zunehmend überfordert, gereizt und ausgelaugt. Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen haben daher in Deutschland dramatisch zugenommen.

Für die meisten Menschen ist der Beruf heute der entscheidende Auslöser für dauerhaften Stress. Besonders am Arbeitsplatz keimt jenes beklemmende Gefühl der Überforderung, das zu einem Burnout führen kann. Vor allem drei Faktoren bewirken Stress:

  • Termindruck
  • Multitasking
  • Fragmentierung der Arbeit

Doch obwohl längst nachgewiesen ist, dass psychische Belastungen langfristig schwerwiegende Folgen haben, werden sie noch immer wenig beachtet. So muss jeder selbst darauf achten, wie er Stress am Arbeitsplatz vermeidet. Als „instrumentelle Stresskompetenz“ bezeichnen Forscher die Fähigkeit, sich selbst zu führen; eigenständig zu agieren, statt nur auf Anforderungen zu reagieren, und das dazu nötige Selbstvertrauen aufzubauen.

Doch ebenso gilt es zu erkennen, welche Aspekte der Arbeit Stress auslösen – und wie sie sich durch Planung und Organisation minimieren lassen.

 

Fünf Regeln für weniger Arbeitsstress

1. Sich Zeit lassen

Oberstes Gebot ist es, souverän mit der eigenen Zeit umzugehen, sich nicht ständig vom allgemeinen Tempo mitreißen zu lassen.

2. Multitasking vermeiden

Aufgaben lassen sich schneller bearbeiten, wenn man sie nachein­ander angeht und nicht versucht, ­alles gleichzeitig zu erledigen.

3. Prioritäten setzen

To-do-Listen, Ablaufpläne und klare Priorisierungen helfen, den Überblick zu bewahren und sich nicht in kleinteiligen Arbeitsschritten zu verlieren.

4. Ruhe schaffen

Ständige Unterbrechungen durch Telefonate oder E-Mails sollten ­vermieden werden. Nur wer ungestört ist, kann entspannt arbeiten.

5. Arbeitsweise überdenken

Um langfristig effizient zu sein, ist es hilfreich, das eigene Tun ­immer wieder zu überprüfen und ­gegebenenfalls anzupassen.

Weitere Informationen gibt es auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mit umfassenden Informationen zu Arbeit und Gesundheit.

»Kein Stress mit dem Stress«: Broschüren der staatlich geförderten »Initiative Neue Qualität der Arbeit« mit Tipps zur Vermeidung von Stress bei der Arbeit (inqa.de).

1. Termindruck

Psychischer Druck wird heutzutage am häufigsten durch das Gefühl ausgelöst, nicht ausreichend Zeit für eine Aufgabe zu haben. Die meisten Beschäftigten klagen darüber, zu schnell arbeiten zu müssen. Sie fühlen sich gehetzt und rastlos.

Intuitiv versuchen viele, dem Druck standzuhalten, indem sie mehr Zeit für die Arbeit aufwenden. Sie gönnen sich keine Pausen, machen Überstunden, nehmen Urlaubs­tage nicht in Anspruch. Manche arbeiten 48 Stun­den pro Woche oder mehr. Die Folgen der hohen Belastung sind fatal: Es bleibt wenig Zeit, um einen Ausgleich zu schaffen, um sich zu erholen.

Mittlerweile gibt es zahllose Ratgeber und Seminare, die erklären, wie man seine Zeit optimal nutzt. Teilnehmer lernen dort unter anderem zu erkennen, was viel Zeit verschlingt und was wenig; zu welchen Tageszeiten sie welche Aufgaben am besten ausführen können; und gezielt Pufferzeiten einzuplanen, in denen un­vorhergesehene Aufgaben bearbeitet werden können.

Etliche dieser Maßnahmen mögen durchaus hilfreich sein, doch den dauerhaften Nutzen für den Einzelnen bezweifeln viele Forscher.

Die US-Psychologin Therese Macan hat in umfangreichen Untersuchungen versucht, Effekte von Zeit­managementkursen nachzuweisen, und herausgefunden, dass sich Teilnehmer von Lehrgängen anschließend tatsächlich besser gegen Stress gewappnet fühlen – doch schon nach wenigen Wochen empfinden sie wieder die gleiche Zeitnot wie vor dem Training.

Denn die eigentliche Herausforderung besteht eben nicht darin, keine Zeit zu verlieren, sondern Kontrolle über das eigene Tun zu gewinnen.

Wir können der Zeitnot auf Dauer nur auf eine Weise entrinnen: indem wir lernen, souverän mit der eigenen Zeit umzugehen, statt uns vom Tempo immerzu mitreißen zu lassen.

2. Multitasking

Um den permanenten Zeitdruck ein wenig zu verringern, neigen manche Menschen dazu, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen: Sie betreiben Multitasking. Das ist eine völlig natürliche Reaktion. Denn Menschen sind es gewohnt, dass sie mehrere Auf­gaben zugleich bewältigen – etwa ein Auto lenken und dabei den Straßenverkehr beobachten.

Wir erledigen unterschiedliche Aufgaben jedoch nur scheinbar gleichzeitig. Tatsächlich verarbeitet das Gehirn jedes Signal nacheinander, es arbeitet sequenziell. Richten wir die Aufmerksamkeit auf verschiedene Aufgaben, wechselt es immer wieder von der einen zur anderen – so schnell, dass wir glauben, wir handelten simultan.

Je schneller aber das Gehirn zwischen den verschiedenen Aufgaben wechselt, desto weniger kognitive Leistung kann es bei der Verarbeitung jeder einzelnen Information aufbringen. Wer also versucht, gleichzeitig eine E-Mail zu lesen und ein Telefonat zu einem anderen Thema zu führen, überfordert rasch die physiologische Kapazität des Denk­organs.

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Multitasking ist effizient? Diese Übung zeigt das Gegenteil

03:18 min

Wissenschaftler am Londoner King’s College haben sogar herausgefunden, dass bei Multi­taskern kurzfristig die Intelligenz sinkt und sie kognitive Fähigkeiten einbüßen.

Insgesamt verliert das Gehirn bei der vermeintlich gleichzeitigen Bearbeitung verschiedener Aufgaben zwischen 20 und 40 Prozent seiner Leistungs­fähigkeit. So nimmt beispielsweise ein Autofahrer, der während der Fahrt telefoniert, ein Drittel weniger von seiner Umwelt wahr als ­gewöhnlich.

Forscher des Massachusetts Institute of Technology konnten zudem nachweisen: Versuchen wir, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, benötigen wir für jede einzelne mehr Zeit, als wenn wir dem Gehirn die Chance geben, sich auf die Aktivitäten nach­einander zu konzentrieren.

Der Weg aus dem Dilemma: Wir müssen uns selbst disziplinieren – und uns stets vor Augen halten, dass Multi­tasking ein Mythos ist.

3. Fragmentierung

Unterbrechungen zählen zu den ­häufigsten Belastungen am Arbeitsplatz, 28 Prozent der Arbeit­nehmer in Deutschland fühlen sich dadurch gestört. Durchschnittlich elf Minuten können sich Büroarbeiter in den USA laut Studien mit etwas beschäftigen, bis sie die Aktivität aussetzen und auf einen äußeren Reiz rea­gieren müssen – ­etwa einen Anruf oder die Frage eines Kollegen.

Die Arbeit wird in Fragmente zerhackt. Immerzu bleibt etwas unerledigt, erscheint etwas anderes dringlicher als die aktuelle Tätigkeit. In der modernen Arbeitswelt treiben wir zwischen immer kleineren Einheiten hin und her und verlieren das Vertrauen, dass die Arbeit vorhersehbar und somit auch beherrschbar ist.

Um einen stetigen Aktivitätsfluss sicher­zustellen, gibt es nur einen Weg: Man muss sich eine strenge Planung auferlegen, darf Unterbrechungen nicht akzeptieren und muss die eigene Arbeit konsequent bis zu einem vorläu­figen Abschluss bringen.

Dabei gilt es vor allem, die Ressourcen Zeit und Energie effizient zu nutzen, sie also nur dann einzusetzen, wenn es zum erwünschten Ziel führt. Und das so präzise, dass Verluste vermieden oder gemindert werden. Erprobte Instrumente dafür sind To-do-Listen, Ablaufpläne und eine strenge Priorisierung.

All das zu beherzigen kann dem Einzelnen auch dabei helfen, selbst angesichts der heutigen, immer weiter in die Ferne rückenden Zielhorizonte seine Zuversicht nicht zu verlieren. Denn die Ära der ­Optimierung scheint keine Grenzen mehr zu kennen: Quartalszahlen in Unternehmen sollen immer weiter wachsen – und damit steigen zugleich die Anforderungen, dies zu erreichen, ins Unabsehbare.

Ein Burn­out entsteht aber nicht allein dadurch, dass man viel zu tun hat, sondern gerade auch durch das Gefühl, seine Ziele niemals erreichen zu können.

Wer ständig unter Druck steht, wäre gut beraten, einem Rat des Soziologen Hartmut Rosa von der Universität Jena zu folgen: „Wer sich reich an Zeit fühlen möchte, sollte hin und wieder einen Tag verschwenden, nichts planen und nichts Produktives tun.“

GEO WISSEN Nr. 63 - Strategien gegen Burnout

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