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Träume Nächtliche Fantasien bewusst steuern: Ein Klarträumer erklärt, wie das gelingt

Menschen, die ganz bewusst träumen, erscheint die Fantasiewelt in ihrem Kopf meist hell, gestochen scharf und völlig klar – daher sprechen Experten auch von "Klarträumen"
Menschen, die ganz bewusst träumen, erscheint die Fantasiewelt in ihrem Kopf meist hell, gestochen scharf und völlig klar – daher sprechen Experten auch von "Klarträumen"
© Marja Pirilä
Im Schlaf das beste Steak essen, mit Tieren sprechen oder an exotische Orte reisen: ein Klarträumer darüber, wie er in seinen nächtlichen Fantasien neue Ideen findet, mühelos davonfliegt oder ganze Welten erschafft

GEO: Herr Rausch, wann hatten Sie Ihren ersten Klartraum?

Simon Rausch: Das weiß ich noch auf den Tag genau – am 10. Januar 2011. Ich hatte vorher viel über das Phänomen gelesen und angefangen, mithilfe von Autosuggestion gezielt zu üben. Jede Nacht vor dem Schlafengehen habe ich innerlich immer wieder einen Satz wiederholt: „Heute erkenne ich, dass ich träume.“ Tatsächlich hat es schon nach weniger als zwei Wochen funktioniert. 

Was genau ist geschehen?

Es begann mit einem normalen Albtraum. Darin lag ich zu Hause in meinem Bett, und bedrohliche Wesen mit grünen Augen griffen mich an. Eines biss mir sogar in die Hand. Ich bekam Angst, wehrte mich, strampelte. Dann erkannte ich plötzlich, dass nichts von alldem real war, dass ich mich in einem Traum befand. Sofort verschwanden die Un­geheuer, und meine Wahrnehmung des Schlafzimmers wurde klar, fast gestochen scharf. Ich war mir meiner Situation vollkommen bewusst. Dar­aus schloss ich, dass ich mich in einem Klartraum befand – und nun tun konnte, was mir gefiel.

Und wonach war Ihnen?

Ich flog. Ich stieß mich mit den Füßen ab und schwebte Richtung Decke. Ich wirbelte durchs Zimmer, drehte Salti in der Luft. Ich hatte die volle Kontrolle, fühlte mich absolut frei. Dann bin ich aufgewacht. 

Von da an hatte ich mit­hilfe von Autosuggestion und Rea­lity-Checks – bei denen ich mir am Tage immer wieder gezielt bewusst mache, ob ich gerade wache oder träume – im Schnitt einen Klartraum pro Woche. Meistens treten meine Klarträume gegen Ende der Nacht auf. In der Regel an den Wochenenden, wenn ich morgens länger schlafen kann, oft so zwischen 8 und 10 Uhr. 

Erlebten Sie im Klartraum auch fast gottgleiche Kräfte?

Absolut. Einmal stand ich in einer Straße und wünschte mir, die Schwerkraft sei aufgehoben. Im nächsten Moment begann alles, was nicht fest im Boden verankert war, nach oben zu schweben: Autos, Personen, herumliegende Zeitungen. Es war unglaublich real, die Menschen haben sich sogar im Traum verdutzt umgeschaut, während sie da in der Luft hingen.

Was tun Sie, wenn Sie im Klartraum an einen anderen Ort reisen wollen?

Dann stelle ich mir meist eine Tür vor und überlege mir, wohin sie mich führen soll. Etwa an den Nordpol. Wenn ich dann die Tür öffne und hindurchgehe, gelange ich in eine bis ins letzte Detail ausgestaltete Schneelandschaft. Auf die gleiche Art könnte ich auch in den Dschungel reisen, eine Stadt besuchen oder auf dem Mars spazieren gehen. Ich gebe gewissermaßen das Stichwort vor, und mein Gehirn erschafft dazu eine Umgebung, die ich zu erkunden oder umzugestalten vermag.

Sie kennen viele Klarträumer. Welche Aktivitäten sind besonders beliebt?

Ganz klar: Fliegen und Sex. Das wollen am Anfang alle. Fliegen fühlt sich derart realistisch an, dass mir im Sturzflug jedes Mal mulmig im Bauch wird. Sex wiederum funktioniert genauso wie in Wirklichkeit, nur dass man dabei die volle Kontrolle hat und den Partner frei wählen kann. 

Was gefällt Ihnen selbst am meisten?

Ich gehe gern in Gebäude, um sie mir von innen anzuschauen. Wohnhäuser sind im Klartraum komplett eingerichtet: In den Regalen stehen Bücher, die ich alle in die Hand nehmen und betrachten kann. An den Wänden hängen Bilder, und wenn ich die Schränke öffne, finde ich darin Geschirr, Gerümpel oder verschiedenste Kleidungsstücke. Das fasziniert mich immer wieder: Es ist eine ganze Welt, die da erschaffen wird, ohne dass ich jedes Detail planen muss. Gleichzeitig kann ich, wenn mir danach ist, alles verändern. Zum Beispiel das Zimmer völlig neu einrichten, es schrumpfen oder ganz verschwinden lassen.

Porträt des Klarträumers Simon Rausch
Simon Rausch ist Autor eines Buches über Klarträume und gibt Klartraumkurse und - vorträge

© Privat

Einmal wollte ich mir einen spe­ziellen Wunsch erfüllen: das beste Steak der Welt zu essen. Und als ich dann einen Klartraum hatte, stand tatsächlich ein Teller mit einem saftigen Filetstück vor mir. Ich habe davon probiert und das Fleisch war so zart, dass es fast auf der Zunge schmolz. Leider habe ich bislang in der Realität noch kein Steak gegessen, das auch nur annähernd so delikat war.

Klarträume lassen sich auch produktiv nutzen. Wie halten Sie es?

Man kann sich sehr gut inspirieren lassen. Man kann beispielsweise in eine imaginäre Galerie gehen, sich dort die Gemälde genau anschauen und die im wahren Leben nachmalen. Die Motive der Klartraumgemälde hat man dann auch nach dem Erwachen oft in guter Erinnerung. Selbst wenn man nicht jedes Detail in Erinnerung behält, so ist die kreative Grundlage bereits vorhanden – und das ohne große Mühe. Oder man besucht einen Konzertsaal und lässt sich dort neue Musikstücke vorspielen. Manche nutzen die Klarträume auch, um Phobien zu bewältigen. Wer beispielsweise panische Angst vor Schlangen hat, kann sich den Tieren im Klartraum gefahrlos nähern und so nach und nach seine Scheu überwinden.

Sind Klarträume manchmal auch anstrengend?

Nein. Die meisten fühlen sich danach regelrecht befreit. Es ist mehr wie ein kleiner Urlaub. Ich kann es nur jedem empfehlen.

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