Anzeige

Therapie Wenn Männer Hilfe brauchen: Von neuen Wegen aus der Depression

Frau umarmt ihren Partner
Männer gehen mit einer seelischen Krise oft anders um als Frauen, machen eher dicht, schweigen, ziehen sich zurück von Freunden und Familie
© Olga Murzaeva / Stocksy
Männer leiden heimlich. Bis nichts mehr geht: Oft vergehen Jahre, bis sie sich eine Depression eingestehen. Und dann? In einer Tagesklinik in Niedersachsen finden erkrankte Männerseelen Hilfe
Christopher Bonnen


Woche 1

Als Lukas Lorenz (alle Namen der Patienten geändert, d. Red.) die erste Psychotherapie seines Lebens beginnt, liegt sein Suizidversuch bereits drei Jahre zurück. Am Tag, an dem er sich töten wollte, setzte ihn seine Familie ins Auto und fuhr zur nächstgelegenen Psychiatrie. Er blieb einen Abend dort, die Ärzte gaben ein Antidepressivum, er nahm es über Monate. Die Zeit verging, aber die Depression nicht. 

Nun wird Lorenz sechs Wochen lang morgens in die TK Männer statt ins Büro fahren. Statt Großbauprojekte ans Stromnetz zu bringen, wird sein Vollzeitjob er selbst sein. 

Es ist Ende Oktober 2023, in der TK Männer riecht es nach neuen Möbeln. Im Flur lehnen Bilder und Tafeln, für die es noch keine Nägel in der Wand gibt. "Das Fachkrankenhaus für die Seele" steht über dem Portal des Neubaus, in den vor Kurzem die TK Männer gezogen ist, die Tagesklinik für psychisch erkrankte Männer. Sie gehört zum Klinikum Wahrendorff und widmet sich, im niedersächsischen Sehnde-Köthenwald, der Seele von Männern.

Im Gruppenraum B setzt sich Lorenz mit dem Rücken zum Fenster an den langen Tisch. Er trägt die dunklen Haare zu einem kleinen Zopf gebunden, die Schädelseiten kurz. In der Ecke hängen zwei Plakate, auf dem gelben stehen Wörter wie stolz, munter und motiviert, auf dem roten einsam, wütend, nervös. In täglichen Morgen- und Abschlussrunden sollen Lorenz und die anderen Männer formulieren, wie sie sich fühlen. Wenn ihnen die Worte fehlen, huschen ihre Augen zu den Plakaten. Schlecht ist kein Gefühl und verboten wie einfach nur gut.

Als Konflikt zwischen Wut und Gelassenheit beschreibt Lorenz seine Erkrankung. Wie Marvel-Held Bruce Banner will er sich mit dem Hulk in seinem Innern aussöhnen. Das Minischild von Captain America ist ein helfender "Skill", ein Spielzeug, das gegen die Anspannung hilft
Als Konflikt zwischen Wut und Gelassenheit beschreibt Lorenz seine Erkrankung. Wie Marvel-Held Bruce Banner will er sich mit dem Hulk in seinem Innern aussöhnen. Das Minischild von Captain America ist ein helfender "Skill", ein Spielzeug, das gegen die Anspannung hilft
© Jewgeni Roppel für GEO

Neben Lorenz sitzt ein Patient mit gebräunter Haut und Goldkettchen und zwei Plätze weiter ein Mann, dessen Kopf meist zwischen den Schultern versinkt. In den nächsten Wochen werden die drei oft gemeinsam kniffeln.

Der Mann trägt eine schwarze Sweatjacke und eine Brille, die automatisch abdunkelt, wenn die Sonne blendet. Dominik Auerbach ist 33 Jahre alt und Lkw-Fahrer. Auerbach ist schon seit einer Woche hier, auch wegen Depressionen. Für ihn ist es, wie für Lorenz, die erste Therapie seines Lebens. Auch er ist Vater eines kleinen Sohnes.

"Die ersten anderthalb Jahre seines Lebens hat der mich nicht interessiert", sagt Auerbach. "Das kann man sich nicht vorstellen, aber das war wirklich so. Die Gefühle waren komplett weg."

Mehr zum Thema