Vielen Menschen fällt es in der heutigen Leistungsgesellschaft schwer zuzugeben, dass sie überfordert sind oder es ihnen nicht gut geht. Deshalb funktionieren sie nach außen weiter und leiden im Stillen. Dass das nicht nur krankhaft, sondern auch gefährlich werden kann, zeigt der Fall der US-Amerikanerin Cheslie Kryst.
Von außen betrachtet schien ihr Leben perfekt: Sie war eine erfolgreiche Anwältin, gewann zahlreiche Schönheitswettbewerbe und wurde 2019 gar zur Miss USA gewählt. 2022 nahm sie sich – für Außenstehende völlig unerwartet – das Leben. Später stellte sich heraus: Cheslie Kryst litt unter einer hochfunktionalen Depression. Einem Krankheitsbild, das bis dahin nur wenig Aufmerksamkeit erfahren hatte. Was es damit auf sich hat und wie Betroffenen geholfen werden kann, erklärt Dr. Martin Rein, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie in der Oberberg Tagesklinik München, im GEO-Interview.
GEO: Dr. Rein, seit ein paar Jahren wird – insbesondere in den Sozialen Medien – vermehrt über das Thema hochfunktionale Depression gesprochen. Was kann man sich unter dieser Form der Depression vorstellen?
Martin Rein: Was diese Depression so tückisch macht, ist die Tatsache, dass Betroffene im Alltag zu funktionieren scheinen. Sie pflegen Freundschaften, wirken engagiert im Job und dadurch könnte man von außen betrachtet meinen, alles wäre gut.