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Archäologie Älter als der Homo Sapiens: Diese Holzkonstruktion schufen Menschen vor 500.000 Jahren

Das Ausgrabungsteam legt die Holzstruktur frei
140 Zentimeter lang und mindestens 476.000 Jahre alt ist die Holzkonstruktion, die Forschende in Sambia freilegten
© Professor Larry Barham, University of Liverpool / dpa
Zwei gekreuzte Stämme, mit Werkzeug bearbeitet und durch eine Kerbe verschränkt: Die Struktur, die Forschende in Sambia ausgruben, ist der älteste Beleg für die Nutzung von Holz als Baumaterial. Sie deutet darauf hin, dass die Menschen der Altsteinzeit anders lebten als gedacht

Bereits vor einer halben Million Jahren haben Menschen eine Konstruktion aus Holz hergestellt. Die in Sambia entdeckten, bearbeiteten Baumstämme seien der älteste Beleg für eine solche Nutzung von Holz, schreibt das Team um Larry Barham von der Universität Liverpool im Journal "Nature". Die 476.000 Jahre alte Konstruktion stammt von Ausgrabungen bei den Kalambo-Wasserfällen. Sie besteht aus zwei quer übereinanderliegenden Baumstämmen. Beide zeigen Werkzeugspuren, einer hat an der Stelle ihrer Überlagerung eine absichtlich eingeschnittene Kerbe.

Zum Vergleich: Der Homo sapiens ist erst rund 300.000 Jahre alt. Wozu diese deutlich ältere Konstruktion aus der Altsteinzeit genau diente, wissen die Forscher nicht. Dennoch sagt Barham, der Fund habe sein Denken über die damaligen Menschen verändert. "Vergessen Sie die Bezeichnung "Steinzeit", schauen Sie sich an, was diese Menschen taten: Sie stellten etwas Neues und Großes aus Holz her", schwärmt er. "Sie veränderten ihre Umgebung, um sich das Leben zu erleichtern." Das könne etwa durch eine Konstruktion geschehen sein, auf der sie am Fluss sitzen konnten, um ihre tägliche Arbeit zu verrichten. "Diese Leute waren uns ähnlicher, als wir dachten."

Der obere Baumstamm ist nach Studienangaben 141,3 Zentimeter lang und 25,6 Zentimeter breit. Er enthält eine U-förmige Kerbe, mit der er quer auf einem längeren anderen Stamm liegt.

Foto und schematische Zeichnung der ältesten Holzkonstruktion
Eine schematische Zeichnung und ein Foto der Holzkonstruktion während der Ausgrabungen. In den oberen Stamm wurde eine Kerbe gearbeitet, in die der untere Stamm eingebettet ist
© Banham et al, Nature (2023)

Eine solche Konstruktion sei weder aus der afrikanischen noch aus der eurasischen Altsteinzeit bekannt, schreibt das Team. Das älteste bekannte bearbeitete Holz sei das Fragment einer einzelnen Planke aus Israel, deren Oberfläche auf einer Seite poliert sei. Es sei mehr als 780 000 Jahr alt. Die ersten hölzernen Werkzeuge für die Nahrungssuche und die Jagd seien vor rund 400 000 Jahren in Europa, China und möglicherweise auch in Afrika hergestellt worden.

In der Kalambo-Ausgrabungsstätte entdeckten die Forscher außer der großen Holzstruktur auch vier kleinere bearbeitete Holzstücke aus der Zeit von vor 390 000 bis 324 000 Jahren, darunter einen Keil und einen Grabstock. "Die Funde zeigen eine unerwartete frühe Formenvielfalt und die Fähigkeit, Baumstämme zu großen kombinierten Strukturen zusammenzusetzen", schreibt das Team in der Studie. Damit werde nicht nur die bekannte Altersspanne der Holzbearbeitung in Afrika erweitert, sondern auch das Wissen über die technischen Fähigkeiten der frühen Menschen.

Der umgebende Sand verrät das Alter des Fundstücks

"Diese Entdeckung stellt die vorherrschende Meinung in Frage, dass Steinzeitmenschen Nomaden waren", heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Universitäten Liverpool und Aberystwyth. "Am Kalambo-Wasserfall hatten diese Menschen nicht nur eine ganzjährige Wasserquelle, sondern der Wald um sie herum lieferte auch genug Nahrung, um sich niederzulassen und Strukturen zu errichten."

Zur Datierung der Funde nutzte Mitautor Geoff Duller von der Universität Aberystwyth in Wales unter anderem eine neuere Lumineszenz-Datierungstechnik. Er ermittelte damit, wann Mineralien aus dem Sand, der die Funde umgab, das letzte Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren und bestimmten so das Alter des Holzes. "Diese neuen Datierungsmethoden haben weitreichende Auswirkungen - sie ermöglichen es uns, die Funde viel weiter in die Vergangenheit zu datieren", sagt Duller.

Die Entdeckung von so alten Holzgegenständen sei selten, da sie nur in extrem trockener Umgebung oder in wasserreichen Standorten mit Sauerstoffmangel erhalten blieben, schreibt Annemieke Milks von der Universität Reading in einem "Nature"-Kommentar. 

Unsere menschlichen Verwandten könnten laut Milks schon sehr früh damit begonnen haben, solche Strukturen zu schaffen, um sich an ihre Umwelt anzupassen. "Tiere beschäftigen sich routinemäßig mit "Architektur", einschließlich dem Bau von Holzstrukturen wie Nestern und Biberdämmen." Anders als Tiere hätten die Menschen an den Kalambo-Fällen jedoch offensichtlich Werkzeuge genutzt, um den oberen Stamm zu so zu formen, dass er mit dem unteren zusammenpasse. 

Das Holz von Baumstämmen habe die Errichtung größerer Objekte ermöglicht, wofür aber Werkzeuge zum Fällen und Hacken erforderlich gewesen seien, heißt es in der Studie. Mit großen Schneidewerkzeugen des Acheuléen, einer Kultur der Altsteinzeit, seien diese Aufgaben zu bewältigen gewesen. Das Leben in einem immer wieder überschwemmten Gebiet könnte sich durch den Bau einer erhöhten Plattform, eines Stegs oder eines Fundaments für Behausungen verbessert haben.

Simone Humml dpa

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