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Haarlem Kennen Sie schon Amsterdams hübsche Nachbarin?

Haarlem
Gemächlich zieht sich der Fluss Spaarne durch Haarlem
© Rene Mattes/hemis.fr
Amsterdams schöne Nachbarin will zu Fuß erobert werden, denn das Glück liegt auf den Goldenen Sträßchen, den Gouden Straatjes, rund um den Marktplatz

Inhaltsverzeichnis

Wo in anderen Straßen Laternen Spalier stehen, baumeln hier bunte Lampenschirme über dem Kopfsteinpflaster – und der Besucher fühlt sich beinah wie in einem Wohnzimmer. In der Korte Houtstraat am südlichen Rand der Innenstadt ranken Blumen an schmalen Backsteinhäusern empor, und Büsche lassen gerade noch Platz für Bänke, Stühle und Fahrräder. Vor den Haustüren plaudern Bewohner, trinken Kaffee und später Wein. Haarlem, Amsterdams schöne Nachbarin am Fluss Spaarne, ist mit ihren wohnlichen Straßen und Plätzen wie geschaffen für Flaneure.

»Nachbarin? Nicht nur. Haarlem ist die Schwester von Amsterdam«, sagt Walter Schelfhout, der mich durch die Stadt begleitet. »Aber die ältere und weisere. Wir erhielten schon 1245 die Stadtrechte, Amsterdam erst um 1300.« Da flackert Rivalität auf, was der guten Nachbarschaft aber keinen Abbruch tut. Schon 1839 verband die erste Eisenbahnlinie der Niederlande beide Städte. Haarlem bescherte sie einen Bahnhof in schönstem Jugendstil mit Wartesälen der ersten, zweiten und dritten Klasse, die erhalten sind, aber längst von einer klassenlosen Cafeteria beansprucht werden. Und wer will schon von Distanz sprechen, wenn nur 20 Minuten Zugfahrt zwischen beiden Städten liegen.

Harleem
Die Windmühle De Adriaan lässt nicht nur einen tollen Rundumblick auf Haarlem zu, sie funktioniert auch noch
© Berthold Steinhilber/laif

Was Sie in Haarlem nicht verpassen sollten

Haarlem hat fast alles, was Amsterdam auch hat, nur auf andere Art und Weise. Amsterdam hat Rembrandt, Haarlem hat Frans Hals. Seine kraftvollen Porträts der Schönen und Reichen, aber auch der deftigen Typen der Stadt sind im Frans Hals Museum zu bewundern, einem historischen Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, erbaut als Seniorenheim für Männer (Groot Heiligland 62, www.franshalsmuseum.nl). Wie das Anne-Frank-Haus erinnert das Corrie-Ten-Boomhaus an die Judenverfolgung während der Nazi-Besatzung. In dem Haus versteckte die niederländische Christin Juden und Widerstandskämpfer (Barteljorisstraat 19, www.corrietenboom.com). Man kann die Stadt vom Wasser aus erkunden, entlang der Grachten, mit den Haarlem Canal Tours nach festem Fahrplan (www.haarlemcanaltours.com). Oder von oben betrachten, von der Plattform der Windmühle De Adriaan aus, einer nach einem Brand originalgetreu wieder aufgebauten – und funktionierenden(!) – Holländermühle (Papentorenvest 1 a, www.molenadriaan.nl). Gern stellt Haarlem (www.haarlemmarketing.de) seine Besonderheiten heraus, zum Beispiel die Nähe zur Nordsee. Mit dem Fahrrad lassen sich die weiten Sandstrände von Zandvoort und Bloemendaal in rund 30 Minuten erreichen. Ich bevorzuge den etwas längeren Weg durch den Nationalpark Zuidkennemerland, vorbei an prunkvollen Landhäusern und ebensolchen Gartenanlagen. Auch Teylers Museum ist etwas Besonderes, nämlich das älteste Museum der Niederlande. Schwer zu entscheiden, was mich mehr fasziniert – das etwas verstaubte historische Interieur oder die verwirrend vielfältige Sammlung von Fossilien, physikalischen Geräten, Münzen und Gemälden, die der Textilkaufmann Pieter Teyler im 18. Jahrhundert anhäufte (Spaarne 16, www.teylersmuseum.nl).

Bloemendaal
Der weitläufige Strand Bloemendaal ist schnell ab Haarlem per Rad erreicht
© Kees van d Veen/Hollandse Hoogte

Eine Entdeckung für sich: Die Altstadt von Haarlem

Verwirrend ist die Anlage der Stadt, weil sich alles um den Grote Markt dreht. Von den mehr als 4000 denkmalgeschützten Gebäuden stehen hier die Schmuckstücke. An der Stirnseite das zinnenbewehrte Rathaus, dessen Ursprung ein Jagdschloss der Grafen von Holland war. Die mit Tierkopfornamenten geschmückte Vleeshal, früher der Fleischmarkt, und die neoklassizistische Verweyhal, ein ehemaliger Männerclub aus dem 19. Jahrhundert, flankieren den Platz, sind heute als De Hallen Haarlem ein Zentrum für moderne Kunst (Grote Markt 16, www.dehallen.nl). Als Gegenpol zur weltlichen Macht entstand zwischen 1370 und 1520 die Grote Kerk oder Sint-Bavokerk (Grote Markt 22, www.bavo.nl). In den Hauch von Geschichte mischt sich Kaffeeduft. Cafés und Restaurants mit Terrassen machen den Platz nicht nur an Markttagen zum lebendigen Mittelpunkt von Haarlem. in alle Richtungen gehen vom Grote Markt teils verwinkelte Straßen ab, Gouden Straatjes, Goldene Sträßchen, werden sie in Anlehnung an das Goldene Zeitalter im 17. Jahrhundert genannt. Ich bummele durch Gassen mit historischen Fassaden, kleinen unabhängigen Geschäften, Manufakturen und Cafés (www.goudenstraatjes.nl). Mode und Schuhe überwiegen in der Zijlstraat, die ich nach einem Frühstück mit pochierten Eiern auf Muffins im Café Vascobelo erkunde (Zijlstraat 94, www.vascobelo.be). Eine Tüte Lakritze kaufe ich in der wunderbar nostalgischen Drogerie Van der Pigge. Über deren Eingangstür prangt der schnurrbärtige gaper, ein mit offenem Mund staunender Männerkopf (Gierstraat 3, www.vanderpigge.nl). Der Spielzeug-Wunderladen Past Joys beamt mich mit seinen Lucky-Luke- Figuren, Blechspielzeugen und Ur-Steiff-Bären in die Kinderzeit zurück (Lange Veerstraat 32, www.pastjoys.nl). Was wären die Straatjes ohne die Hofjes? Oft hinter Toren und Zäunen versteckt, liegen Innenhöfe mit kleinen Gärten und Häusern. Mehr als 20 dieser Wohnanlagen, in vergangenen Jahrhunderten für mittellose Ältere oder betagte Frauen gegründet, existieren noch. Sie sind von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. »Aber bitte die Privatsphäre der Bewohner respektieren«, mahnt Walter Schelfhout, als er mich in das Hofje van Bakenes, das älteste, seit 1395 bestehende Hofje führt (Wijde Appelaarsteg 11). Mitten in der Stadt ein Ruhepol, weiß getünchte Häuser umstehen ein Gärtchen mit Bäumen und Büschen, ein hölzerner Baldachin überdeckt eine Wasserpumpe.

Die besten Restaurants und Cafés in Haarlem

Haarlem hat ein Händchen dafür, Altes zu erhalten und spielerisch mit modernen Elementen zu kombinieren. In der Fishbar Monk setzt eine alte OP-Lampe Austern ins rechte Licht, im Vintage-Ambiente entscheide ich mich aber für würziges Herings-Tatar (Turfmarkt 20, www.fishbarmonk.com). »Prost« statt »Amen« sage ich in der ehemaligen Jakobskirche, wo Braukessel im Seiten- und eine lange Theke im Mittelschiff stehen. Als Jopenkerk avancierte das 2010 zur Gaststätte umgebaute Gotteshaus zur »schönsten Bar der Niederlande«. Mein Begleiter Walter Schelfhout hat Braurezepte aus den Jahren 1407 und 1501 ausgegraben und damit eine Initiative für die Brauerei angestoßen. Das erste Bier wurde »Jopen« genannt, nach den 112-Liter-Holzbierfässern, in denen es früher transportiert wurde. Inzwischen braut Jopen bis zu 50 verschiedene Biere, passend dazu wird Deftiges wie in Bier geschmorte Haxe serviert (Gedempte Voldersgracht 2, www.jopenkerk.nl, www.jopenbier.nl).

Jopenkerk, Haarlem
Schlemmen mit Gottes Segen, das geht in der Jopenkerk
© Helene Wiesenhaan

Die besten Hotels und Unterkünfte in Haarlem

Vier lange Zeit leerstehende Häuser, eins davon eine Hufschmiede, formte Saskia Hurd zum liebenswert eingerichteten Boutiquehostel Hello I'm local. Die Gemeinschaftsschlafräume bieten Kojen wie auf Schiffen, das Familienzimmer punktet mit Versteckmöglichkeiten für die Kinder, und Pärchen können sich hinter Schranktüren in Alkoven zurückziehen (Spiegelstraat 4, www.helloimlocal.com,DZ ab 75 €). In der Nähe des Bahnhofs,
aber ruhig gelegen, ist das Boutiquehotel Staats ein weiteres Beispiel für Haarlems Kreativität. Designer Michel Ruijgrok und Gastgeberin Claudia van den Berg machten aus einer ehemaligen Schule ein Hotel mit 21 Zimmern, jedes anders gestaltet, alle mit hohen Decken, viele mit einem Bad von verschwenderischer Größe. Im Hotelrestaurant De Ripper erhalten Jugendliche ohne Schulabschluss unter fachkundiger Anleitung eine Ausbildung in Küche oder Service – es klappt und schmeckt ganz wunderbar! (Ripperdastraat 13 a,www.hotelstaats.nl, DZ ab 145 €).

GEO Saison Nr. 07/2018 - Island

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