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Fleece und Co. Wie Outdoormode der Umwelt schadet – und worauf man beim Kauf achten sollte

Nahaufnahme eines Fleece
Wer die Umwelt schützen möchte, sollte bei Outdoor-Kleidung auf die Materialien achten
© Nomad_Soul / Adobe Stock
Einsame Gipfel, traumhafte Küstenpfade oder idyllische Bergseen – die Hersteller von Outdoormode werben gern mit Bildern intakter Natur. Aber ausgerechnet ihre Kleidung belastet die Umwelt mitunter sehr. Welche Textilien ökologisch sind

Die chemischen Rückstände von Allwetterjacken wurden schon in Flüssen und Gletschern entdeckt, das Mikroplastik von Fleecepullis und Funktionsshirts finden Forscher im Schnee der Arktis genauso wie an den Stränden der Karibik. Und da die Kleidungsstücke meist aus Synthetikfasern (auf Mineralölbasis) gefertigt werden, verbraucht auch ihre Produktion enorme Mengen an Energie. Das ist die eine Seite. Die andere: Outdoorjacken gelten als Alleskönner der Modebranche. Sie sind leicht, auf Kleinstformat knüllbar, halten warm, verhindern Schweißausbrüche, schützen vor Regen genauso wie vor Wind oder Sonne. Die meisten Naturfasern scheitern an den hohen Anforderungen: Wollfilz etwa hält zwar warm, wiegt aber deutlich mehr als die Konkurrenz aus Kunststoff. Gewachste Regenjacken schaffen nur einen kurzen Schauer. Bleibt also doch nur der Griff zum Plastik?

"Wer gern in der Natur unterwegs ist, kommt an Synthetikfasern kaum vorbei, dafür sind viele dieser Materialien einfach zu gut", räumt auch Kai Nebel ein, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen. Wichtig sei deshalb, Outdoorkleidung gezielt auszuwählen und sie nach dem Kauf lange zu tragen, erklärt der Experte für Nachhaltigkeit in der Mode.

"Und braucht es wirklich je eine spezielle Hose fürs Radfahren am Morgen, für die kurze Wandertour am Nachmittag und für den Yoga-Kurs am Abend?", fragt der Forscher kritisch. Viele wären selbst für Harztouren ausgestattet wie für Hochgebirgsexpeditionen. Dabei hätte das einfachere Modell nicht nur Geld gespart, sondern auch Chemie.

Helfen kann ein Blick auf das Etikett

Doch wie finden Verbraucher die eine Hose, die für vieles taugt und nicht die Umwelt belastet? Bleibt nur der Blick aufs Etikett. In Verruf geraten ist zum Beispiel Regenkleidung mit sogenannter PFC-Beschichtung. Sie ist immer noch verbreitet, dabei stehen die dafür eingesetzten Chemikalien in Verdacht, krebserregend zu sein. Umweltverbände wie Greenpeace warnen seit Jahren vor dem Stoff, der auch in vielen Imprägniersprays oder in Membranen wie Gore-Tex enthalten ist. Das Umweltbundesamt setzt sich für ein europaweites Verbot ein. Erste Modehersteller reagieren: Sie bieten Regenkleidung mit Beschichtung aus Ecorepel oder Bionic-Finish Eco an. Beide gelten als deutlich weniger schädlich. Ganz auf PFC verzichtet auch der Nässeschutz von Sympatex – die Membran wird vor allem in Regen- und Sportkleidung, Skijacken und Wanderschuhen verarbeitet.

Lange Zeit stand auch Kleidung aus Fleece in der Kritik. Denn der flauschige Stoff gibt beim Waschen Mikroplastik ab: bis zu zwei Gramm pro Waschgang. Über das Abwasser gelangen diese Partikel in die Umwelt.

Zweites Leben

Besonders nachhaltig ist Outdoormode, die lange genutzt, verliehen – oder gleich gebraucht gekauft wird. Zu finden zum Beispiel auf secondhandoutdoor.de. Auch der Ausrüster Globetrotter bietet mittlerweile Secondhand-Modelle an: Wenig genutzte Outdoormode, Retouren und Equipment können im Onlineshop über secondhand.globetrotter.de erstanden werden. In Zürich hat sogar der erste Secondhand-Shop für Outdoor-Kleidung eröffnet: 2ndpeak.ch. Kleidung mieten kann man beim schwedischen Hersteller houdinisportswear.com.

Zwar ist nach wie vor unklar, ob die Faserreste Mensch und Natur wirklich schaden. "Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, die Zahl der Fremdpartikel in der Umwelt zu reduzieren", sagt Maike Rabe von der Hochschule Niederrhein. Die Textilingenieurin forscht seit Jahren zu den Emissionen von Kleidung. In etlichen Testwaschgängen mit verschiedenen Filteranlagen fand sie heraus, dass Fleece 60 Prozent des Mikroplastiks in den ersten beiden Waschgängen freisetzt, weshalb auch sie empfiehlt, Fleece-Jacken möglichst lange zu tragen, "mindestens fünf bis sechs Jahre". Fleecekleidung sollte zudem stets in gut gefüllten Maschinen gewaschen werden, rät die Expertin. Sonst würde das Material zu sehr hin- und hergeworfen, wobei besonders viele Fasern aus dem Gewebe brechen.

Zum Glück hat sich in der Materialforschung einiges getan. Umweltfreundlichere Fleece-Varianten kombinieren Synthetikfasern mit Garnen aus Zellulose, etwa Viskose oder Lyocell. Die Stoffe sind dabei so gewebt, dass sich beim Waschen nicht die Synthetik-, sondern vor allem die Zellstofffasern lösen – die bauen sich in der Natur schnell ab. Im Handel sind Pullis aus diesem Material meist unter dem Markennamen Tencel-Fleece zu finden.

Wer sich dagegen für pures Synthetik-Fleece entscheidet, sollte zu Recyclingstoff greifen: Die Modelle sind meist aus gebrauchten PET-Flaschen gefertigt. "Sinnvoller wäre natürlich, wenn diese Stücke aus Altkleidern hergestellt wären, doch leider fehlt den meisten Firmen in der Modebranche noch immer ein funktionierendes Recyclingsystem", bemängelt Rabe.

Outdoor ohne Synthetik

Wer ganz auf Synthetikverzichten will,wählt Shirts aus Merino. Die feine Schafwolle entwickelt sich derzeit zu einem der beliebtesten Materialien der Outdoorbranche: Sie wärmt, kratzt nicht, lässt Luft zirkulieren, nimmt große Mengen an Feuchtigkeit auf, ohne sich nass anzufühlen, und nimmt dabei kaum Gerüche an – selbst nach schweißtreibenden Touren reicht es meist, die Kleidungsstücke über Nacht zu lüften. Aber auch hier ist nicht alles gut, nur weil der Stoff aus der Natur kommt. Damit Merino-Schafe mehr Wolle produzieren, wurden ihnen Hautfalten angezüchtet. Im Schwanzbereich setzen sich dort oft Parasiten fest, sodass die Falten häufig ohne Betäubung oder Schmerzmittel entfernt werden. Vor allem in Australien, mit 90 Prozent Marktanteil wichtigster Exporteur von Merino, ist dieses sogenannte "Mulesing" stark verbreitet. Einige Schafzüchter achten aber aufs Tierwohl: Sie scheren die Hinterteile ihrer Tiere mehrmals im Jahr, damit sich dort kein Ungeziefer festsetzen kann. Zu erkennen ist ihre Wolle beispielsweise durch Siegel wie dem "ZQ"-Zertifikat oder dem "Responsible Wool Standard".

Besser wäre natürlich, die etwas kratzigere lokale Wolle aus Europa zu verwenden. "Die meisten Kunden lehnen sie für den direkten Hautkontakt ab – auch wenn unsere Großeltern sogar noch Socken daraus getragen haben", erklärt Christine Ladstätter, Produktentwicklerin bei Salewa.

Der Trick: Die Wolle wird mit einer Schicht weicherem, synthetischen Stoff unterlegt. Viele Jacken des italienischen Outdoor-Spezialisten sind mit der speziell aufbereiteten Tirolwool aus den Alpen gefüttert. Die Salewa-Wolle stammt aus zwei Tälern ganz in der Nähe und wird auch in Italien gewaschen und gekämmt. Über Jahre hinweg dümpelten die Preise für Alpenwolle im Keller, Schafzüchter mussten ihre Schur sogar oft als Sondermüll entsorgen. "Viele Züchter fühlen sich und ihre Arbeit endlich wieder gewertschätzt", sagt Ladstätter. Die Schafe wiederum spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem der Alpen: Sie halten die Vegetation im Zaum. So finden Blumen und Kräuter auch weiterhin ihre Ökonische auf den Almen.

Eine Renaissance erlebt dadurch eine zuletzt kaum noch verbreitete Art: das Villnösser Brillenschaf aus Südtirol. Die alte Haustierrasse wurde kaum noch gezüchtet, seit wenigen Jahren wächst nun der Bestand. Mittlerweile gibt es sogar wieder eine kleine Herde mit dunkelbraunem Fell. Salewa produziert Mützen daraus: Gemischt mit herkömmlichen Weiß ergibt sich ein warmes Mittelbraun – und das ganz ohne Farbstoffe.

 

Durch den Markendschungel

  • Vaude: Kein PFC in Kleidung, dafür Tencel-Fleece und Daunen unter anderem aus gebrauchter Bettwäsche; Reparatur- und Ersatzteilservice. Verliehen wird auch.
  • Patagonia: Ähnlich konsequent, viele Stücke mit "Bluesign"- Siegel. Reparaturanleitungen online. Eigene Secondhand-Kleidung im Berliner Store   
  • Jack Wolfskin, Fjällräven, Radys, Rotauf: PFC-freies Material  Hess Natur: Fleece aus Biobaumwolle  
  • Bleed, Tierra, Odlo: Outdoor-Mode aus Tencel-Fleece  
  • Icebreaker, Ortovox, Devold, Engel Sports, Kaipara: Mulesing-freie Merinowolle  
  • Mammut: Etwa Funktionsshirts aus gebrauchten Kletterseilen  
  • Klättermusen: Nylon aus Recycling-Material  
  • Pyua: Kleidung aus Recycling-Materialien  
  • Ortovox, Salewa: Regionale Alpenwolle (Swisswool oder Tirolwool)
GEO SAISON 12/2021

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