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Plastikmüll im Meer "Verwende keine Strohhalme!"

Regisseur Craig Leeson
Craig A. Leeson mit der Biologin Jennifer Lavers. Sie fand Hunderte Stücke Plastik in den Mägen einzelner Seevögel
© Plastic Oceans Limited
Acht Millionen Tonnen Plastik gelangen jedes Jahr ins Meer - und damit in die Nahrungskette. Über die Folgen hat der Filmemacher Craig Leeson hat einen aufrüttelnden Film gedreht. Im Interview erklärt er, was ihn antreibt

GEO.de: Herr Leeson, andere filmen die Schönheit von Stränden oder die Faszination der Unterwasserwelt. Warum haben Sie sich entschieden, einen Film über etwas so Unappetitliches wie Plastikmüll in den Ozeanen zu machen?

Craig A. Leeson: Eine Freundin, die Biologin und spätere Produzentin des Films, Jo Ruxton, machte mich 2010 auf das Problem aufmerksam. Sie plante damals gerade eine Expedition, um den Pazifischen Müllstrudel zu erforschen, und fragte mich, ob mir auf meinen Reisen und Surf-Trips das Plastik im Meer und an den Stränden aufgefallen sei. Ich sagte ihr: nein, aber ich würde mal darauf achten. Und in dem Moment, als ich anfing, danach zu suchen, sah ich es überall. Ich hatte mich so an den Anblick gewöhnt, dass es für mich unsichtbar geworden war.

Als Jo von ihrer Expedition zurückkam, hatte sie zwar keine riesige Plastikinsel gefunden, dafür aber etwas viel Heimtückischeres: einen Ozean voll mit Mikroplastik. Es war klar, wir haben hier ein großes Problem. Was wir nicht wussten, war, wie sehr die anderen Ozeane betroffen waren. Auch die Auswirkungen auf die Meerestiere kannten wir nicht. Das wollten wir herausfinden. Es war der Beginn einer vierjährigen Expedition zu 20 Orten rund um den Planeten.

Plastik ist hässlich, und wenn Meerestiere und -vögel es fressen, ist es für sie oft tödlich. Aber inwiefern ist es für Menschen gefährlich?

Diese Frage stellten wir uns auch, als wir sahen, wie viele Meerestiere Plastikteile verschlucken. Denn viele dieser Tiere sind Teil unserer Nahrungskette. Das Problem ist, dass die Schwermetalle und Giftstoffe aus der Industrie, die in die Ozeane gelangen, sich im Wasser nicht auflösen, sondern sich an feste Gegenstände anlagern. Plastik ist dafür ideal, es saugt die Toxine auf wie ein Schwamm. Und in der Nahrungskette der Meereslebewesen, vom Plankton bis zum Hai, reichern sich diese Giftstoffe an. Am Ende dieser Nahrungskette steht oft der Mensch. Forscher haben herausgefunden, dass diese Giftstoffe Krebs verursachen können, aber auch Diabetes, sie können Entwicklungs- und Lernstörungen verursachen, Autoimmunkrankheiten auslösen und unsere Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Wird die Menschheit das Problem in den Griff bekommen?

Im Moment ist die Situation völlig außer Kontrolle. Allein in diesem Jahr werden wir 300 Millionen Tonnen Plastik produzieren, die Hälfte davon für den einmaligen Gebrauch. Wir werden in diesem Jahrzehnt mehr Plastik verbrauchen als in allen Jahren seit seiner Erfindung. Ein großer Teil davon landet in den Ozeanen, acht Millionen Tonnen jedes Jahr – von denen70 Prozent auf den Meeresboden sinken. Was wir an der Oberfläche sehen, ist also nur ein kleiner Teil des Problems.

Plastikmüll im Meer
In allen Ozeanen fand Craig Leeson ins Meer gespültes Plastik. Das meiste davon sinkt irgendwann zum Meeresboden
© Plastic Oceans Limited

Der Film "A Plastic Ocean" wird auf der International Ocean Film Tour gezeigt. Das Festival tourt noch bis Mai durch ganz Deutschland. Alle Tourdaten und weiter Informationen:

Haben Sie während der Dreharbeiten selber noch etwas dazugelernt?

Ja: dass Plastik niemals verschwindet. Wenn wir es wegwerfen, ist es nicht weg – sondern zum Beispiel im Hals oder im Magen anderer Arten. Ich war geschockt, als mir dämmerte, dass ich sogar persönlich verantwortlich war. Die Dinge, die wir achtlos wegwerfen - Zahnbürsten, Plastikverpackungen, Strohhalme -, das sind genau die Sachen, die wir in den Mägen von Vögeln wiederfinden.

Was tun Sie heute, um die Ozeane zu retten?

Wir vergessen gern, dass die Erde mit ihrer hauchdünnen Atmosphäre eine winzige, merkwürde Insel des Lebens ist, die mit Tausenden Stundenkilometern durch das All rast. Wir haben nur die eine Chance, jetzt das Richtige zu tun. Für mich persönlich sind die Filme und Geschichten, die ich als Journalist mache, Vehikel, um mehr Verständnis für die Probleme dieses Planeten zu wecken. Persönlich, zu Hause und im Studio, recyceln wir alles, kompostieren Essenreste – und auf dem Kompost ziehe ich Gemüse.

Und was kann jeder Einzelne von uns tun?

Aufmerksam sein. Sieh dir alles an, was du wegwirfst, und frage dich, ob du es nicht noch irgendwie verwenden kannst, ob es recycelt werden kann. Habe immer eine Stahlflasche mit Leitungswasser dabei. Oft ist Leitungswasser sogar besser als Mineralwasser aus Plastikflaschen – und manchmal bis zu 1000 Prozent günstiger. Verwende keine Strohhalme! Allein in den USA werden jeden Tag 500 Millionen Strohhalme verwendet. Nimm eine wiederverwendbare Tasche mit zum Einkaufen und kaufe Gemüse, das nicht in Plastik eingeschweißt ist. Verwende keine Duschgels oder Zahnpasta, die Mikroplastik enthalten. Das Zeug haben wir in jedem Ozean gefunden, den wir besucht haben. Benutze Seifenstücke statt flüssiger Seife für Hände, Haare und Körper – solche Gels bestehen ohnehin größtenteils aus Wasser und brauchen unnötig viel Verpackung. Wasche deine Fleece-Kleidung so selten wie möglich! Denn bei jedem Waschgang gelangen mikroskopisch kleine Plastikteilchen in die Flüsse und Meere. Und das Wichtigste: Wende dich an die lokalen Politiker und fordere, dass Unternehmen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Plastik verpflichtet werden. Deutschland hat in dieser Beziehung schon viel erreicht – etwa mit der Einführung des Grünen Punkts im Jahr 1991.

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