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Charakterbildung Die Persönlichkeit stärken

Meist werden schon früh im Leben die Weichen für ein zufriedenes Leben gestellt. Entscheidend dafür sind bestimmte Charaktermerkmale. Und die können Eltern deutlich beeinflussen
Charakterbildung: Die Persönlichkeit stärken
© Frank Höhne

Selbstkontrolle

Kinder, die ihre Emotionen im Griff haben und ihre Geduld trainieren, sind vergleichsweise erfolgreich in der Schule - und leben gesünder

Wie soll man einer solchen Versuchung nur widerstehen? Das kleine Kind sitzt auf einem Stuhl, vor sich auf dem Tisch ein äußerst leckerer Marshmallow. Der Erwachsene, der gerade zur Tür herausgegangen ist, hat gesagt, wenn er in 15 Minuten zurückkomme und die Süßigkeit sei dann nicht verzehrt, gebe es zur Belohnung noch eine zweite dazu.

Für die allermeisten der 600 Vorschulkinder, die an diesen Experimenten der amerikanischen Stanford University teilnahmen, dürften die Minuten schrecklich langsam verstrichen sein. Und tatsächlich gelang es nur jedem dritten Kind, den Impuls zum Verschlingen des Marshmallows unter Kontrolle zu halten und ihn nicht anzurühren.

Als die Kinder einige Jahre danach in der Pubertät waren, nahmen die Stanford-Psychologen erneut Kontakt zu den Eltern auf. Und es stellte sich heraus: Jene Jungen und Mädchen, die im Versuch die vollen 15 Minuten durchgehalten hatten, wurden von den Eltern als deutlich fleißiger in der Schule beschrieben. Zwei Jahre später kam die objektive Bestätigung: Bei den US-Studierfähigkeitstests erzielten die Teenager mit viel Selbstbeherrschung durchschnittlich erheblich bessere Ergebnisse als die Disziplinierten, obwohl sie nicht intelligenter waren (was nicht heißt, dass nicht auch einzelne Kinder mit zuvor geringer Selbstkontrolle erfolgreich studierten).

Eine weitere Langzeituntersuchung, die rund 1000 Kinder bis ins 32. Lebensjahr verfolgte, ergab: Dreijährige mit hoher Selbstkontrolle brachen in späteren Jahren weniger häufig die Schule ab und wurden seltener kriminell; ihre sozialen Lebensumstände und ihr Gesundheitszustand entwickelten sich überaus positiv.

"Das Ausmaß an Geduld und Selbstkontrolle in der Kindheit scheint eine bemerkenswerte Vorhersagekraft für den weiteren Lebensweg zu haben", erläutert der österreichische Ökonom Matthias Sutter, der auf dem Feld der Experimentellen Wirtschaftsforschung arbeitet und sich eingehend mit dem Phänomen Geduld beschäftigt hat. So zeigen Studien, dass es eine deutliche Korrelation gibt zwischen geringer Selbstkontrolle und Geduld auf der einen Seite sowie Alkoholismus, Spielsucht, sportlicher Untätigkeit und dem Hang zur Fettleibigkeit auf der anderen.

Die Fähigkeit zu Selbstbeherrschung entsteht vor allem im vorderen Teil des Gehirns, dem präfrontalen Kortex, der sich zum Ende der Pubertät voll ausbildet. Warum hatten dann etliche der Stanford-Probanden schon als kleine Kinder eine derart ausgeprägte Impulskontrolle? "Weil Erziehung und Umwelt in den ersten Jahren einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Selbstbeherrschung haben", so die Freiburger Verhaltensbiologin Gabriele Haug- Schnabel, die mit einem Team von Biologen und Erziehungswissenschaftlern seit Jahren die kindliche Entwicklung erforscht.

Daher gibt es für Eltern einfache Möglichkeiten, die Selbstkontrolle ihrer Kinder vom Grundschulalter an zu stärken. Etwa mit einem Wochenplan zu kleinen Haushaltspflichten wie: Mülleimer ausleeren, Zimmer aufräumen oder Kaninchenkäfig säubern.

Charakterbildung: Mitunter ist es ganz schön anstrengend, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. Langfristig zahlt es sich allerdings aus
Mitunter ist es ganz schön anstrengend, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. Langfristig zahlt es sich allerdings aus
© Frank Höhne

Um innere Widerstände gegen solche mitunter unliebsamen Tätigkeiten zu überwinden, können zunächst kleine Belohnungen eingesetzt werden. Indem das Kind auch mal seine Unlust überwindet, baut es Strukturen im Gehirn auf, die es ihm zunehmend einfacher machen, die Regeln zu befolgen. Und was einem leicht fällt, braucht man am Ende nicht mehr zu belohnen.

Auf diese Weise lernen Kinder, dass der Familienalltag wie auch die Gesellschaft nach Vereinbarungen funktionieren, an die man sich halten sollte, wenn man da zugehören möchte - und für die man momentane Bedürfnisse aufschieben muss. Fachleute gehen davon aus, dass sich Übungen in einem Bereich, etwa im Haushalt, auch auf andere Gebiete positiv auswirken, etwa in der Schule. Nicht förderlich sei hingegen strikte Disziplin. "Bei einem besonders strengen Elternhaus ist man nur deshalb diszipliniert, weil man dazu gezwungen wird und Angst hat", sagt Gabriele Haug-Schnabel: "Man lernt aber nicht, sein Verhalten bewusst zu kontrollieren."

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GEO WISSEN Nr. 54 - 11/14 - Wie Erziehung gelingt

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