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Medizin im Mittelalter Da müssen wir wohl bohren: Die Zahnheilkunde der Wikinger war erstaunlich fortgeschritten

Ein bärtiger Wikinger mit Fellumhang steht vor einem Schiff: schreiend
Kampfbereiter Wikinger: Zähne und deren Gesundheit waren bei den Nordmännern anscheinend wichtig
 
© agefotostock / imago images
Ein kranker Zahn ist nicht nur schmerzhaft, eine unbehandelte Infektion kann sogar zum Tod führen. Das war auch den Wikingern bekannt. Nun beweist eine neue Studie: Die Nordmänner des Mittelalters wussten sich anscheinend hervorragend zu helfen

Bei Ausgrabungen hinter der Klosterkirche von Varnhem in Västergötland, Schweden, haben Archäologen nicht nur zwei Vorläuferbauten des Gotteshauses aus der späten Wikingerzeit freigelegt, sondern auch einen Friedhof mit Tausenden Bestattungen aus dem 10. bis 12. Jahrhundert. Zahlreiche Gräber bewahrten gut erhaltene Skelette und Zähne. 300 Bestattungen wurden nun von einem Forschungsteam der Universität Göteborg gezielt untersucht. Die Fragestellung: Wie war es um die Zahngesundheit der mittelalterlichen Gemeinschaft bestellt?

Die Forschenden untersuchten 3.293 Zähne von 171 Männern, Frauen und Kindern. Erstaunlich gut ist der Gebisszustand der Kinder. Ihre Milch- und auch die frühen Erwachsenenzähne zeigten überhaupt keine Kariesläsionen. Doch mit zunehmendem Alter verschlechtert sich der Zustand der Zähne, Karies nimmt zu. 49 % der Bevölkerung hatten eine oder mehrere Kariesläsionen. Oft traten diese am Zahnhals auf, was darauf schließen lässt, dass sich kaum jemand die Mühe gemacht hatte, seine Zähne regelmäßig zu putzen. Auch das Risiko einen Zahn zu verlieren, wächst mit zunehmendem Alter. Im Laufe ihres Lebens hatten Erwachsene durchschnittlich 6 % ihrer Zähne eingebüßt, Weisheitszähne nicht mitgezählt.

Zahnschmerzen waren in Varnhem alltäglich

Die Ergebnisse der in PLOS one veröffentlichten Studie deuten darauf hin, dass Karies, Zahninfektionen und Zahnschmerzen unter den Wikingern in Varnhem häufig vorkamen. Die Studie zeigt aber auch, dass man zuweilen versucht hat, Zähne zu pflegen oder sogar zu retten.

"Es gab mehrere Anzeichen dafür, dass die Wikinger ihre Zähne verändert hatten, darunter Hinweise auf die Verwendung von Zahnstochern, das Feilen der Vorderzähne und sogar die zahnärztliche Behandlung von Zähnen mit Infektionen", sagt Carolina Bertilsson, die führende Autorin der Studie von der Abteilung für Kariologie am Institut für Zahnheilkunde der Universität Göteborg.

Schädel, Röntgenbild und Fotos von Zähnen der Wikingerzeit
Funde aus Varnhem: Schädel bei der Röntgenaufnahme der Backenzähne; Röntgenbild von Kariesläsionen an zwei benachbarten Backenzähnen; Abnutzung durch intensive Benutzung von Zahnstochern; manipulierte Schneidezähne eines Mannes; aufgefeilter Backenzahn (von links oben nach rechts unten) 
© Carolina Bertilsson / Henrik Lund

Anspruchsvollere Verfahren sind etwa an Backenzähnen nachzuweisen, in die man Löcher von der Zahnkrone bis ins Mark gefeilt hat, wahrscheinlich um den Druck durch die Infektion zu verringern und so die Schmerzen zu lindern.

Das Vorgehen ähnelt heutigen Behandlungsmethoden

"Das ist sehr aufregend zu sehen und ähnelt den Zahnbehandlungen, die wir heute durchführen, wenn wir in infizierte Zähne bohren. Die Wikinger hatten offenbar Kenntnisse über Zähne, aber wir wissen nicht, ob sie diese Eingriffe selbst durchführten oder Hilfe hatten", so Bertilsson.

Die in Form gefeilten Vorderzähne könnten eine Art Identitätsmerkmal gewesen sein. Alle bisher bekannten Fälle waren stets männlich.

mit Material von idw-online

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