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Astronomie Glasregen, Magmafelder und vielleicht eine zweite Erde: Die bizarre Welt der Exoplaneten

Exoplaneten: der Vertreter HD 189733 b
Ein Exoplanet, wie er lebensfeindlicher kaum sein könnte: Für das Blau auf HD 189733 b sind keine Ozeane verantwortlich, sondern feine Partikel aus geschmolzenen Silikatmineralen, die über seine Oberfläche fliegen
© M. Kornmesser / ESO
Die Existenz von Exoplaneten galt lange als unwahrscheinlich. Heute kennen Forschende über 5000 solcher Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – und suchen auf manchen nach Anzeichen für Leben

Als Bruce Campbell und Gordon Walker endlich am Ziel ihrer Forschung angelangten, trauten die kanadischen Astronomen ihren eigenen Daten nicht. Dabei war ihnen im Juni 1988 gelungen, wonach etliche Forschungsteams schon lange strebten. Sie hatten den ersten Beweis für die Existenz eines Exoplaneten erbracht: eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. 

Radialgeschwindigkeitsmethode heißt das Prinzip, nach dem Campbell und Walker den Exoplaneten aufspürten. Dank seiner großen Masse zieht ein Stern einen Planeten an, der ihn deshalb umrundet. Doch auch der Planet zerrt mit seiner Gravitation an dem umkreisten Stern und versetzt ihn so in Bewegung. Das lässt sich von der Erde aus messen: Entfernt sich der Stern auch nur minimal, erscheint sein Licht langwelliger, also rötlicher. Bewegt er sich auf uns zu, wird das Licht kurzwelliger, also bläulicher. 

Campbell und Walker hatten den Doppelstern Gamma Cephei auf diese Weise beobachtet und konnten zeigen, dass er sich ein wenig hin- und herbewegt. Die Ursache, so bestätigte eine Studie der Thüringer Landessternwarte im Jahr 2003 endgültig, war ein Planet. 

Auch weil die Reaktionen ihrer internationalen Kolleginnen und Kollegen im Sommer 1988 eher verhalten ausfielen, hielten Campbell und Walker es jedoch für wahrscheinlicher, dass die Sternenaktivität von Gamma Cephei selbst der Grund für die gemessenen Werte war. Der wissenschaftliche Durchbruch wurde erst einmal vertagt. 

51 Pegasi b: Ein Exoplanet im Fokus der Weltöffentlichkeit 

Sieben Jahre später, im Oktober 1995, heimsten andere den Ruhm ein. Michel Mayor und Didier Queloz, die als Astronomen am Observatorium in Genf arbeiteten, entdeckten einen Planeten, der um den Stern 51 Pegasi kreist. "Didium" wurde ihre Entdeckung später getauft: "die Hälfte". Der Name verweist auf die errechnete Masse, die etwa die Hälfte des Jupiter beträgt, und verdeutlicht die Sonderstellung des Exoplaneten. 

Eigentlich wird jeder Planet mit dem Namen seines Sterns und einem Kleinbuchstaben bezeichnet. "Didium" heißt offiziell 51 Pegasi b. Er gab den Startschuss für eine Flut an Entdeckungen. In den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten identifizierten Astronominnen und Astronomen weit über 5000 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Und entdeckten eine bis dahin ungeahnte Vielfalt. 

Manche der Exoplaneten gleichen der Hölle. Auf HD 189733b etwa herrschen Temperaturen von bis zu 3000 Grad Celsius, über seine Oberfläche wehen Winde mit bis zu 30.000 Kilometern pro Stunde. Der Exoplanet befindet sich circa 63 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Füchslein und umkreist seinen Stern in einer sehr engen Umlaufbahn. Für eine Umrundung braucht er nur 2,2 Tage. Seine blaue Farbe erhält der Planet nicht etwa durch flüssiges Wasser, sondern durch die vielen Silikatsplitter in seiner Atmosphäre – messerscharf pfeifen sie über die Oberfläche des Exoplaneten. 

Ebenso unbehaglich ist die eigentümliche Welt von 55 Cancri e. Der Exoplanet kreist circa 41 Lichtjahre von der Erde entfernt und wird auch als "Supererde" bezeichnet: Er ist aus festem Gestein, sein Durchmesser ist doppelt so groß wie der der Erde, seine Masse jedoch beträgt das Achtfache. Seinen Stern umrundet 55 Cancri e in nur 18 Stunden und wendet ihm dabei immer dieselbe Seite zu. Dort brodeln flüssige Magmamassen mit rund 2400 Grad Celsius. Sie könnten für das Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Kohlendioxid verantwortlich sein, das eine Forschungsgruppe jüngst mithilfe des James-Webb-Teleskops in der Atmosphäre des Exoplaneten ermittelt hat.

Die ersten Exoplaneten, die nicht um einen Stern kreisen, sondern allein durch das Universum trudeln, wurden im Jahr 2000 entdeckt. Seitdem sind über 70 weitere hinzugekommen. Die Vagabunden wurden während der Planetenentstehungsphase aus ihrem Sternensystem geschleudert und sind seither auf Wanderschaft. Sie zu entdecken ist eine echte Herausforderung. Fliegen sie durch das Sichtfeld zwischen Erde und einem hell leuchtenden Stern, lenkt ihre Masse das Licht des Sterns auf dem Weg zur Erde leicht, aber messbar ab. Gravitationslinseneffekt nennt die Astronomie diesen Vorgang. Der kleinste frei fliegende Exoplanet, der bislang entdeckt wurde, trägt den wenig klangvollen Namen OGLE-2016-BLG-1928 und wiegt etwa das 0,3- bis Zweifache der Erde. 

Eigentümliche Exoplaneten wie HD 189733b, 95 Pegasi b oder 55 Cancri e gibt es im All wie Sand am Meer. Sie zu entdecken, fällt Astronominnen und Astronomen mit modernen Teleskopen nicht mehr sonderlich schwer. Im Gegenteil, ständig kommen neue Exemplare wie WASP 107b oder Gliese 12b hinzu. Mittlerweile suchen die Forschenden jedoch fieberhaft nach einem ganz bestimmten Sandkorn: einem Exoplaneten, auf dem sich Leben entwickelt haben könnte. Nach einer zweiten Erde. 

Exoplaneten Rogue Planets
Planeten ohne Mutterstern, sogenannte "Rogue Planets", vagabundieren durchs All, ohne an ein Sonnensystem gefesselt zu sein (hier eine künstlerische Darstellung) 
© JPL-Caltech / NASA

Ein solcher Planet müsste in etwa die Masse unserer Erde aufweisen, er müsste von einer Atmosphäre umhüllt sein, die unter anderem die kosmische Strahlung abhält, und er müsste sich in der habitablen Zone seines Sterns befinden: in einer Entfernung, die Temperaturen ermöglicht, bei denen Wasser flüssig ist.  

Wolf 1069 b , Kepler 452b, Gliese 12b: Kandidaten für eine zweite Erde gibt es

Kandidaten für eine solche zweite Erde gibt es einige. Wolf 1069 b etwa, 31 Lichtjahre von der Erde entfernt, dessen sternzugewandte Seite lebensfreundliche Bedingungen verspricht. Oder Gliese 12b, 40 Lichtjahre von der Erde entfernt und erst im Mai 2024 entdeckt, dessen Oberflächentemperatur die Forschenden auf circa 40 Grad Celsius schätzen. Oder Kepler 186f, der nur unwesentlich größer ist als die Erde und in der habitablen Zone um seine Sonne kreist. Auch Kepler 452b wäre ein Kandidat: Der Exoplanet ist in etwa 1,63-mal so groß wie die Erde und von seinem Stern in etwa so weit entfernt wie Erde und Sonne. 

Eine 2020 im Fachmagazin "Astrobiology" erschienene Studie identifiziert 24 solcher Exoplaneten, auf denen sich potenziell Leben entwickelt haben könnte – eine theoretische Analyse, die je nach Gewichtung der Kriterien sehr verschieden ausfallen kann. 

Die Transitmethode revolutionierte die Suche nach Exoplaneten

Moderne Weltraumteleskope wie das James Webb-Teleskop ermöglichen es Forschenden, Exoplaneten auch empirisch genauer in den Blick zu nehmen: per Transitmethode. Dabei messen Astronom*innen die Helligkeitsschwankung, die immer dann auftritt, wenn ein Planet vor seiner Sonne vorüberzieht und dabei einen minimalen Teil des Lichts abschirmt.

Aus den Messungen der Transitmethode lassen sich Größe und Masse des Planeten berechnen und damit auch dessen mittlere Dichte. Aus ihr wiederum können die Forschenden in der Regel auf die Beschaffenheit des Trabanten schließen. 

Exoplaneten Kepler 452b
Auch Kepler 452b umkreist seinen Stern in der habitablen Zone. Seinen sonnenähnlichen Stern umrundet der Exoplanet binnen 384,8 Tagen
© NASA/Ames/JPL-Caltech

Die Transitmethode erlaubt es ihnen sogar, einen Blick in die Atmosphäre der Exoplaneten zu werfen: Jede chemische Verbindung innerhalb dieser Gaswolken schluckt bestimmte Wellenlängen des Lichts. Zerlegen die Forschenden auf der Erde das Licht also in seine Wellenlängen, offenbaren sich Lücken in dessen Spektrum. Aus ihnen schließen sie, welche Moleküle durch die Atmosphäre des Exoplaneten wabern. Manche Gase, Biosignaturen genannt, könnten dabei Hinweise auf die Existenz von Leben liefern – große Mengen an Sauerstoff etwa.

Die Hoffnung der Wissenschaft? Eines Tages nicht "nur" einen weiteren Exoplaneten zu entdecken, auf dessen Oberfläche Glassplitter umherfliegen oder große Magmafelder brodeln. Sondern auf dem eine außerirdische Form des Lebens gedeiht.  

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