Carlo Rovelli hat seine wissenschaftliche Laufbahn Themen verschrieben, die Laien die Hirnwindungen verdrehen. Der Natur von Raum und Zeit etwa, die sich in der Physik so ganz anders darstellen als in unserer Erfahrung. Dehnbar, stauchbar, womöglich nicht einmal kontinuierlich. Das Staunen über die Absonderlichkeit einer solchen Realität hat er dabei nie verloren – und auch nie die Begeisterung dafür, dass der menschliche Geist sie erkennen und beschreiben kann.
Ihr neuestes Buch handelt von Weißen Löchern: bizarren Objekten im Universum. Warum ein ganzes Buch über etwas, das womöglich nicht einmal existiert?
Ich arbeite gerade an diesem Thema – es ist sozusagen lebendig. Außerdem schildere ich im Buch anhand dieses Beispiels, wie Grundlagenforschung funktioniert: wie Ideen entstehen, wie man sie ergründet und infrage stellt.
Als Theoretischer Physiker denken Sie viel über Objekte nach, die fern von allem sind, was wir aus dem Alltag kennen. Wie können Sie sicher sein, dass wir Menschen solche Dinge überhaupt begreifen und entschlüsseln können?
Absolut sicher sein können wir nicht – wohl aber zuversichtlich. Das menschliche Gehirn ist ein großartiges Werkzeug, um aus Hinweisen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das zeigt uns die Geschichte der Wissenschaft. Mit den Methoden, die wir in der Physik anwenden, wurden wieder und wieder korrekte Vorhersagen getroffen, daher verlassen wir uns darauf, dass sie auch in Zukunft funktionieren werden. Schwarze Löcher sind ein großartiges Beispiel dafür. Ihre Existenz ergibt sich aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, die mehr als hundert Jahre alt ist. Doch reale Daten haben wir erst im vergangenen Jahrzehnt sammeln können. Die Wissenschaft konnte uns zeigen, wie Dinge sind, bevor wir sie sehen konnten.