GEO: Frau Schaffner, die Regale der Buchhandlungen sind voll mit Büchern, die uns helfen sollen, unsere Bedürfnisse ernster zu nehmen, sorgsamer mit uns umzugehen, uns zu entwickeln. Woher rührt der Erfolg dieser sogenannten Selfcare-Literatur?
Anna Schaffner: Es ist urmenschlich, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, Wege zu finden, für sich zu sorgen und sich weiterzuentwickeln. Dass wir heute weitaus mehr Angebote dafür finden, liegt einerseits daran, dass es mittlerweile eine weltweite Milliardenindustrie für dieses Urbedürfnis gibt: Bücher, Kurse, Coachings. Die wirtschaftliche Bedeutung solcher Angebote ist inzwischen riesig. Andererseits ist unser Appetit darauf besonders hoch, wenn sich die Welt für uns unsicher anfühlt.
Viele Menschen entwickeln dann das Bedürfnis, sich Gutes zu tun, oder suchen nach Möglichkeiten, für sich einen besseren Umgang mit dem scheinbaren Chaos zu finden. Aber dieser Wunsch ist keineswegs neu, er ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Und wir können viel lernen, wenn wir schauen, wie unsere Vorfahren über die Jahrtausende hinweg Selbstfürsorge betrieben haben. Wie sie Erfahrungen gesammelt haben, von denen wir heute profitieren können.
Das Wort "Selbstfürsorge" erscheint aber noch recht neu. Was ist gemeint?
Im Kern geht es darum, nicht nur mit seinen Mitmenschen und seiner Umwelt sorgsam umzugehen, nicht nur für andere zu sorgen. Sondern auch sich selbst gewissermaßen zu pflegen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen und nicht leichtfertig zu übergehen.
Aber drehen wir uns nicht alle schon genug um uns selbst?