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Besser schlafen Schlafstörungen: Weshalb Selbsthilfe oft die wirksamste Medizin ist

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Wir alle liegen oftmals in der Nacht wach. Wer allerdings nicht mehr zurück in den Schlaf finden kann, leidet auch bald körperlich
© mauritius images / Peter Casolino / Alamy
Fast jeder zweite Deutsche schläft schlecht, wacht oft mitten in der Nacht auf und fühlt sich tagsüber müde. Was lässt sich dagegen tun? Der Schlafforscher Jürgen Zulley erklärt, weshalb er ein großer Verfechter der Selbsthilfe ist – und wann Betroffene zum Arzt gehen sollten

GEO WISSEN: Herr Professor Zulley, wie weit verbreitet sind Schlafstörungen in Deutschland?

Prof. Dr. Jürgen Zulley: Da müssen Sie unterscheiden zwischen krankhaften Schlafstörungen im medizinischen Sinne – von denen in Deutschland etwa 15 Prozent der Menschen betroffen sind – und Störungen des normalen Schlafs, die nicht zwingend behandlungsbedürftig sind und über die noch einmal rund 30 Prozent klagen.

Was sind die häufigsten krankhaften Schlafstörungen?

Ganz oben steht die Insomnie – eine Ein- und Durchschlafstörung, bei der man nur schwer einschlafen kann, stundenlang wach liegt oder zu früh aufwacht. Häufig kommt auch die Schlafapnoe vor, die zu Atemproblemen in der Nacht und verminderter Erholung führt. Dann gibt es noch viele seltenere Schlafstörungen wie etwa die Narkolepsie, bei der Betreffende tagsüber plötzlich einschlafen oder zusammenbrechen.

Wie erkenne ich, ob ich an einer Schlafstörung leide?

Ärzte erfassen drei Merkmale: Inwiefern ist der Schlaf verändert? Seit wann halten die Beschwerden an? Und wie stark ist die Befindlichkeit am Tag beeinträchtigt? Diese Tagesmüdigkeit ist dabei das wichtigste Symptom: Wer drei Monate lang nicht normal schläft und tagsüber weniger leistungsfähig ist, hat eine Schlafstörung.

An welchen Arzt wendet man sich?

Zunächst an den Hausarzt. Der fragt die genauen Beschwerden ab und nimmt eine Blutprobe. Denn einer der häufigsten körperlichen Gründe für Schlafprobleme ist eine Schilddrüsenüberfunktion, die man gut behandeln kann. Auch in vielen anderen Fällen ist die Schlaflosigkeit nur das Symptom einer Erkrankung – etwa wenn chronische Schmerzen, Harndrang oder Herz-Kreislauf-Beschwerden die Ruhe rauben. Werden die gelindert, bessert sich auch der Schlaf. Umgekehrt ist guter Schlaf heilsam und vermindert das Schmerzempfinden. Oft findet sich aber kein eigentlicher Grund für die Schlafstörung, oder sie steht im Zusammenhang mit psychischen Problemen. Zudem prüft der Hausarzt, welche Medikamente eingenommen werden. Viele Wirkstoffe verschlechtern den Schlaf, und häufig gibt es Alternativen, die besser verträglich sind. Und schließlich fragt der Arzt noch nach dem Lebenswandel und gibt praktische Tipps, wie sich die Nachtruhe etwa durch regelmäßige Bettzeiten unterstützten lässt.

Und wenn das nicht hilft?

Dann verweist der Hausarzt an einen Spezialisten. Schnarcht der Patient, wird ihm ein HNO-Arzt empfohlen, der prüft, ob eine Schlafapnoe vorliegt. Wer darunter leidet, hat meist subjektiv das Gefühl durchzuschlafen, ist am Tag aber müde und nickt häufig ein. In der Regel finden Betroffene ihren Weg erst dann zum Arzt, wenn der Partner in der Nacht Atemaussetzer bei ihnen feststellt. In anderen Fällen überweist der Hausarzt den Patienten an einen Psychiater oder Neurologen. Denn häufig rufen depressive Verstimmungen oder Stress die Insomnien hervor. Kommen all diese Fachärzte zu keinem Ergebnis, führt der letzte Weg zum Somnologen.

Man geht ins Schlaflabor.

Ja, aber zuerst findet ein Vorgespräch statt. Es gibt zwei Arten von Schlaflaboren. Die meisten sind an Allgemein-Krankenhäusern, internistischen Kliniken oder Lungenfachkliniken angesiedelt. Dort wird oft nur geprüft, ob Patienten an einer Schlafapnoe leiden. Labore in psychiatrischen oder neurologischen Kliniken untersuchen dagegen in der Regel alle Arten von Schlafstörungen. Das sollte man wissen, damit man sich nicht ins falsche Labor begibt.

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Viele Menschen schreckt die Vorstellung ab, im Schlaflabor verkabelt eine Nacht zu verbringen.

Häufig ergibt das Vorgespräch ohnehin, dass eine stationäre Untersuchung im Schlaflabor nicht notwendig ist. Auch dienen die Nächte im Schlaflabor meist dazu, andere Schlafstörungen auszuschließen, und weniger dazu, die Schlafqualität an sich zu messen, wie viele meinen. Und wegen der langen Wartezeiten, die bis zu einem Jahr dauern können, vergeht meist viel Zeit bis zur eigentlichen Untersuchung. Wird aber schon aus dem Vorgespräch deutlich, dass es sich um eine Insomnie handelt, sollte spätestens jetzt auch die Ursache klar sein: Entweder die Insomnie tritt infolge einer anderen Erkrankung auf oder sie bildet ein eigenständiges Krankheitsbild.

Was ist damit gemeint?

Eine chronische Insomnie kann sich als Folge einer anderen Grunderkrankung entwickeln, etwa einer Schilddrüsenüberfunktion. Manche Insomnie wird auch durch einen unregelmäßigen Lebensrhythmus bedingt und verfestigt sich im Laufe der Zeit. Das Prinzip ist dabei immer das gleiche: Wer jede Nacht längere Zeit wach ist, dessen Organismus gewöhnt sich irgendwann daran. Nach etwa drei Monaten ist die Schlaflosigkeit dann chronisch geworden. Daher sollten diese Probleme immer so frühzeitig wie möglich angegangen werden.

Wie wird eine chronische Insomnie behandelt?

Oberstes Ziel ist es, Körper und Geist das unerwünschte Wachliegen wieder abzutrainieren. Dazu empfiehlt sich die Verhaltenstherapie. In Zusammenarbeit mit einem Therapeuten wird dabei durch gezielte Strategien – etwa wohldosierten Schlafentzug – der Schlafdruck erhöht, damit der Körper sich wieder an das Durchschlafen gewöhnt. Zusätzlich können etwa für eine begrenzte Zeit Schlafmittel verschrieben werden.

Was können Betroffene selber tun?

Ich bin ein großer Verfechter der Selbsthilfe – vor allem für all jene, die nur gelegentlich unter Schlafproblemen leiden. Zuerst sollte man sich darüber informieren, was Schlaf überhaupt ist: Wie sehen die einzelnen Schlafphasen aus? Wie hoch ist das Schlafbedürnis? Was kann ich tun, damit der Schlaf gewissermaßen von selbst kommt? Es gibt eine Fülle von Ratgebern, in denen diese Grundlagen anschaulich erklärt werden.

Ich selbst habe am Uniklinikum Regensburg mehr als 14 Jahre lang eine Schlafschule geleitet. Viele Leute wussten nicht, dass es eine große Bandbreite von Schlafbedürfnissen gibt: dass der eine Mensch vielleicht zehn Stunden ruhen muss, der andere mit nur fünf auskommt und beides im Rahmen des Normalen liegt. Solche Informationen helfen, die Qualität des eigenen Schlafs richtig einzuschätzen – und oft auch zu erkennen: Ich habe gar kein Schlafproblem – ich habe die falschen Erwartungen an meinen Schlaf. Beispielsweise, wenn ich nachts wach werde und mich jedes Mal ärgere, weil ich der festen Überzeugung bin, durchschlafen zu müssen.

Dabei wird ein durchschnittlicher Schläfer in einer Nacht ohnehin 28 Mal kurz wach – vor allem zu Beginn und am Ende einer Traumphase. Er vergisst es bis zum Morgen nur wieder, weil das Langzeitgedächtnis es nicht aufnimmt. Biologen vermuten, dass dem ein überlebenswichtiger Mechanismus zugrunde liegt: dass sich nämlich unsere Vorfahren, die im Freien schliefen, so nachts regelmäßig vergewissern konnten, dass keine Gefahr droht. Jemand, der sich aber morgens daran erinnert, denkt womöglich, er habe die halbe Nacht wach gelegen.

Kann man sich in ein Schlafproblem hineinsteigern?

Das ist eine große Gefahr. Aus Studien wissen wir: Betroffene überschätzen häufig die Zeit, die sie zum Einschlafen brauchen, sowie ihre Wachliegezeiten in der Nacht.

Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews in GEO WISSEN Gesundheit "Besser schlafen" und bei unserem digitalen Angebot GEOplus. Darin spricht Jürgen Zulley unter anderem über Tagesmüdigkeit, Apps, und die Angst, nicht einschlafen zu können.

GEO WISSEN Gesundheit Nr. 9 - Besser schlafen

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