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REISETIPPS Hip, Hipper - Neukölln

Ja, es ist hier und da dreckig und ja, es ist chaotisch. Neukölln muss man eben mögen und das tut unsere Autorin Isabel Ehrlich. Sie wohnt selbst mittendrin und verrät 10 Adressen, die sich lohnen
REISETIPPS: Dank Volksentscheid bleibt das Tempelhofer Feld vorerst unbebaut und die Spielwiese der Neuköllner
Dank Volksentscheid bleibt das Tempelhofer Feld vorerst unbebaut und die Spielwiese der Neuköllner
© Pierre Adenis/laif

"Muss man mögen", sagt die Freundin aus Hamburg und balanciert ihren Kinderwagen am dritten herrenlosen Sperrmüll-Fernseher vorbei. "Also, zum Ausgehen immer gerne, aber zum Wohnen… ich bleib‘ im bürgerlichen Tempelhof-Schöneberg", sagt die abtrünnige Ex-Nachbarin. Und ich sage: Okay, vielleicht ist es nicht ganz einfach, Neukölln seine uneingeschränkte Liebe zu schenken – zu laut scheppern hier die sozialen Gegensätze aufeinander, zu rasant steigen die Mieten der Altbauten, in die dann Zugezogene wie ich und haufenweise amerikanische und spanische Hipster einziehen. Und doch, meine Zuneigung ist stärker: Es ist das kreative, kulturelle und kulinarische Potenzial dieses kratzbürstigen Stadtteils, dessen Charme ich mich nicht entziehen kann. Irgendwo werden immer knarzend alte Rollläden hochgezogen, und zum Vorschein kommen temporäre Kunst-Galerien, Vintage-Modeläden oder schummerige Bars, an deren selbstgezimmerten Holztheken perfekte Whiskey Sours serviert werden. Und wer es etwas, sagen wir handfester mag, der trollt sich zur Hermannstraße und oder zur Sonnenallee, den Hauptschlagadern Neuköllns, und labt sich an einer unnachahmlichen Dichte von Dönerbuden, Spätis und Eckkneipen. Die Augen müssen sich vom Gewimmel und Geblinke erholen? Einfach mal an den Blick heben und entdecken, wie schön viele der Gründerzeitbauten oberhalb der Läden, Bars und Wettbüros im Erdgeschoss sind. Oder ab aufs Tempelhofer Feld und diese fast erschütternde Weite auf sich wirken lassen – und darauf warten, was die Abend bringt. Langeweile jedenfalls nicht.

REISETIPPS: "Arabboy" ist eine Inszenierungen des Theaters "Heimathafen" und poträtiert die Identitätskrise eines Kiezhelden
"Arabboy" ist eine Inszenierungen des Theaters "Heimathafen" und poträtiert die Identitätskrise eines Kiezhelden
© Verena Eidel

Zehn Adressen zum Warmwerden

Heimathafen Neukölln

"Neues Volkstheater aus Berlin" möchte der Heimathafen Neukölln bieten. Und das heißt in diesem Fall: Ein vielseitiges Programm aus Theater, Poetry-Slams, Konzerten und Lesungen, die gerne einen lokalen und auch politischen Einschlag haben dürfen. So etwa das vielgelobte Stück "Arabboy" um einen tragischen Neuköllner Kiezhelden zwischen Identitätskrise, Drogen und drohender Abschiebung. Lustiger, aber ebenfalls mit direktem Bezug zur lokalen Kneipenkultur ist der Kampf um die Neuköllner Eckkneipe "Zum Feuchten Eck an der Sonnenallee". Am besten schon eine Weile vor dem Besuch das Programm checken, denn die Tickets zum Bühnenprogramm sind oft heiß begehrt. Vielleicht auch, weil die Location im Rixdorfer Ballsaal so schön ist.

Karl-Marx-Straße 141, www.heimathafen-neukoelln.de

Berliner Unterwelten – Führungen in der ehemaligen Kindl-Brauerei

Neukölln hat nicht nur den Futschi (ein übles, aber von einigen Eckkneipen-Hipstern verehrtes Cola-Goldbrand-Mischgetränk), sondern auch sein eigenes Bier. In der Rollberg-Brauerei werden seit 2009 verschiedene Spezialitäten gebraut, und zwar auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei. Wie sich die Geschichte des Brauerhandwerks in Neukölln und speziell auf diesem historischen und teilweise denkmalgeschützten Areal entwickelt hat, und was es unter der Oberfläche zu entdecken gibt, können sich die Teilnehmer bei einer besonderen Führung der "Berliner Unterwelten"-Veranstalter zu Gemüte führen. Es geht hinab in die ehemaligen Gär- und Lagerkeller, und auch ein Besuch besagter Rollberg-Brauerei gehört zum Programm. Karten werden nur vor Ort ab 15 Minuten vor der Tour verkauft.

Berliner Unterwelten e. V., "Tour K", Treffpunkt Werbellinstraße 50, 12053 Berlin, www.berliner-unterwelten.de

Weserstraße

Für manche ist die Weserstraße der Inbegriff der Gentrifizierung in Neukölln – insbesondere die alteingesessenen Anwohner können oft nur noch ratlos den Kopf schütteln, wenn an ihrem ehemals relativ ruhigen Wohnhaus die Bier- und Mate-trinkenden Gruppen von einer neueröffneten Bar in die nächste ziehen. Deswegen eine kleine Moralkeule vorab: Ein bisschen Rücksicht ist angebracht, die Leute wollen auch mal schlafen. Umso lauter müssen die Gäste in den diversen Bars sprechen, denn sei es das Ä, das Tier oder das Fuchs und Elster (auch zum Tanzen gut!), es ist in der Regel rappelvoll und sehr laut. Am Späti International an der Weserstraße 190 wird dann das nächste Wegbier gekauft. Einfach vom Hermannplatz aus in die Weserstraße einbiegen und sich treiben lassen. Irgendwo ist es gut. Und Seitenstraßen mit noch mehr Bars gibt es genug.

Wesertraße, 12045 Berlin

REISETIPPS: Amerikanisch zünftig geht es im "California Breakfast Slam" zu. Wer hier aufschlägt, bringt besser großen Hunger mit
Amerikanisch zünftig geht es im "California Breakfast Slam" zu. Wer hier aufschlägt, bringt besser großen Hunger mit
© California Breakfast Slam

Floh- und Wochenmärkte am Maybachufer

Der tolle, jeden zweiten Sonntag stattfindende "Nowkoelln-Flowmarkt" mit ganz viel Second-Hand-Kleidung und -Nippes, Musik und Essensständen, hat leider bis zum Frühjahr Winterpause (vormerken!) – der selbsternannte "Türkenmarkt" am Dienstag und Freitag und der Stoffmarkt am Samstag sind dagegen das ganze Jahr am Start. Auf dem Wochenmarkt wird frisches Obst, Gemüse und türkische Spezialitäten in die Tüten gepackt, auf dem etwas hipperen Stoffmarkt gibt es internationale Imbisse, selbstgemachte Deko, Mode und Accessoires – und beide Märkte bieten jede Menge Stoff, Wolle und alles, was sonst noch zum Nähen nötig ist. Wichtige Anlaufstelle: Das kleine Büdchen mit der Orangensaftpresse am Eingang.

Maybachufer, 10999 Neukölln, www.tuerkenmarkt.de, www.neukoellner-stoff.de

California Breakfast Slam

Der Zuzug vieler junger US-Amerikaner hat einige positive Nebeneffekte: New York Cheesecake an jeder Ecke ist nur einer davon, das California Breakfast Slam ein weiterer. Vormals als Pop-Up-Frühstücksevent in verschiedenen Locations gestartet, hat das Konzept jetzt seinen festen Platz in einem Ecklokal am Kanalufer. Die turmhohen Sandwiches oder das Omelette mit Ziegenkäse sind üppig und geschmacksintensiv, die gestapelten Pancakes mit Beeren, Sirup und jeder Menge Butter ein absolutes Gedicht. Auch mittags und abends gibt es jetzt warme Gerichte, unter anderem Burger. Die minimalistisch-hippe Einrichtung inklusive guter Musikanlage sowie seltenes kalifornisches Bier machen die Location auch als Bar zu einer guten Anlaufstelle. Einziges Manko: Das Personal ist zwar charmant, könnte aber teilweise einen Zacken flotter am Gast sein.

Innstrasse 47, 12045 Berlin, Tel. 030 6869624, www.cabslam.com

Tempelhofer Feld

Oft sieht man schon von weitem die Drachen am Himmel, denn dafür ist diese windige Fläche natürlich ideal: Das ehemalige Flugfeld des historisch bedeutsamen Flughafens Tempelhof ist eine grüne Lunge mitten in der Stadt. Welchen Stellenwert diese riesige, seit 2010 öffentlich zugängliche Freifläche bei vielen Berlinern hat, zeigte erst kürzlich ein Volksentscheid, der eine geplante Teilbebauung vorerst verhinderte. Es gibt Grillflächen und von den Anwohnern angelegte Gärten, Führungen können gebucht und Go-Karts, Fahrräder, Picknickkörbe und vieles mehr ausgeliehen werden. Und wer sich auf den langen Weg über das rund 300 Hektar große Gelände macht, sollte unbedingt eine Führung durch das nicht minder beeindruckende ehemalige Flughafengebäude buchen. Das liegt dann zwar nicht mehr in Neukölln, ist aber den Ausflug wert.

Tempelhofer Feld, Eingänge in Neukölln u.a. an Oderstraße und Herrfurthstraße, www.thf-berlin.de

Nansen

Es ist gar nicht so leicht, sich zu entscheiden, denn die stetig wachsende und wirklich spannende Neuköllner Gastronomieszene bietet auch tolle japanische, vietnamesische oder mediterrane Restaurants. Aber ein Fokus liegt auf kreativ-regionaler Küche. Und das Restaurant Nansen ist eines dieser wirklich schönen Beispiele dafür, wie gut ambitionierte Rezepte und hochwertige Zutaten in entspannter, gemütlicher Atmosphäre schmecken. Klassische Gerichte werden hier gerne mit besonderen Zutaten und Beilagen gekreuzt – etwa Kalbsfilet mit Maronen-Cranberrie-Rosenkohl, Walnussofenschlupfer und Zitronenbutter. Auch Ausgefallenes wie Tintenfischcarpaccio sowie vegetarische Gerichte stehen auf der regelmäßig wechselnden Karte. Gute Weine und nettes Personal runden diesen kulinarischen Ausflug ab. Reservieren ist empfehlenswert!

Maybachufer 39, 12047 Berlin, Tel. 030-66301438, tägl. ab 18 Uhr, www.restaurant-nansen.de

REISETIPPS: Verrückt und heimelig sind die Fabrikhallen in dem der "Hüttenpalast" untergebracht ist. Die Gäste schlafen wahlweise in kleinen Hütten oder ausgebauten Wohnwagen
Verrückt und heimelig sind die Fabrikhallen in dem der "Hüttenpalast" untergebracht ist. Die Gäste schlafen wahlweise in kleinen Hütten oder ausgebauten Wohnwagen
© Jan Brockhaus

Böhmisches Dorf

Wenn man von der Karl-Marx-Straße abbiegt und die Häuser plötzlich immer kleiner werden, dann steht man wahrscheinlich schon mitten drin, im Böhmischen Dorf. Bis 1912 trug der Bezirk Neukölln den Namen Rixdorf, in dem sich 1763 diese kleine Gemeinde gründete. Einige der historischen Bauten, zum Beispiel die Rixdorfer Schmiede, haben es bis in die Gegenwart geschafft und können teilweise besichtigt werden. Nett ist auch das kleine Museum an der Kirchgasse 5 in einem ehemaligen Schulhaus. Aktuell: Vom 5. Bis 7. Dezember gibt es hier einen bezaubernden Weihnachtsmarkt. Und noch ein Geheimtipp: Der verwunschene Comenius-Garten an der Richardstraße 35. Wenn das Holztor zu ist – einfach den unscheinbaren Klingelknopf drücken. Bleibt das Tor dennoch verschlossen, dann muss man leider ein andermal wiederkommen. Wer mehr über Rixdorf wissen möchte: Unterhaltsame Stadtführungen bietet Reinhold Steinle an.

Böhmisches Dorf, zwischen Kirchgasse und Richardstraße, 12043 Berlin, Führungen: www.reinhold-steinle.de/stadtfuehrungen/

Hüttenpalast

Von außen relativ unscheinbar wird hinter der Tür eine ganz besondere Übernachtungskultur gepflegt: Im Hüttenpalast können die Gäste in umgebauten Wohnwagen übernachten. In zwei ehemaligen Fabrikhallen haben die Inhaberinnen Silke Lorenzen und Sarah Vollmer ihren ungewöhnlichen Fuhrpark untergebracht. Die "Kleine Schwester" oder das "Dübener Ei" sind teilweise echte Oldtimer und wurden mit einem Händchen für liebevolle Gestaltung in kuschelige Schlafzimmer umgestaltet. Die namensgebenden Hütten, zum Beispiel die aus natürlichen Baustoffen gefertigte „Berghütte“ sind die zweite Option – und wer eher auf die klassische Unterkunft steht, kann auf die nicht minder geschmackvoll eingerichteten Zimmer des Hotels mit eigenem Bad zurückgreifen. Die Wagen und Hütten können ab 59 Euro, die Zimmer ab 74 Euro bezogen werden. Das vorwiegend vegetarisch-regional kochende Bistro zum Frühstück oder zum Kaffee ist ein weiteres Argument, auch für Nicht-Hotelgäste.

Hobrechtstraße 65-66. 12047 Berlin, Tel: 030-37305806, www.huettenpalast.de

2a-Hostel

Das 2a-Hostel kombiniert günstige Preise mit gutem Komfort: Die Ein- bis Acht-Bett-Zimmern sind funktional, aber durchaus charmant und modern eingerichtet, das Personal ist freundlich, und, wie es sich für ein Hostel gehört, bieten die Aufenthaltsräume genug Möglichkeiten, mit den anderen internationalen Gästen ins Gespräch zu kommen – vielleicht ist ja jemand für die abendliche Kneipentour dabei? Zum Service gehört neben WL AN auf den Zimmern eine 24-Stunden-Rezeption, verschiedene Frühstücksangebote, ein Fahrradverleih und die Möglichkeit, Wäsche zu waschen. Die Lage direkt an der S- und U-Bahnstation Neukölln ist vielleicht nicht die allerschönste, dafür ist man ruckzuck an belebteren Ecken wie der Weserstraße oder in anderen Stadtteilen. Im Mehrbettzimmer schläft es sich schon ab 13 Euro pro Nacht, im Einzelzimmer ab 50 Euro.

Saalestraße 76, 12055 Berlin, Tel: 030 63226330, www.2a-hostel.de

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