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Biodiversität Social Distancing: Warum Tropenbäume Abstand zu Artgenossen halten

Die Entfernung zwischen den violett blühenden Bäumen der Art Dipteryx oleifera ist in Panama 5,5 Mal so groß wie erwartet
Die Entfernung zwischen den violett blühenden Bäumen der Art Dipteryx oleifera ist in Panama 5,5 Mal so groß wie erwartet
© Christian Ziegler/dpa
In den Tropen wachsen Bäume weiter entfernt von eigenen Artgenossen als zu anderen Bäumen. Dieses pflanzliche Social Distancing führt Forschern zufolge zu größerer Biodiversität in Regenwäldern

"Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm": Dieses Sprichwort gilt US-Wissenschaftlern zufolge nicht für tropische Regenwälder. Wie sie im Fachblatt "Science" berichten, wachsen Bäume in den Tropen in größerem Abstand zu Artgenossen als zu anderen Bäumen. Die Entfernungen seien dabei weiter, als es der Zufall oder die Grenzen der Samenausbreitung erwarten lassen - mit Folgen für die Biodiversität.

Der Artenreichtum tropischer Wälder zeigt sich nicht nur in der Tierwelt, sondern auch in der Pflanzenvielfalt. Auf gerade einmal einem Hektar Fläche können in diesen Regionen mehr als 250 Baumarten wachsen. Ein Forschungsteam der University of Texas hat sich nun der Frage gewidmet, wie auf relativ kleinem Raum eine derartige Artenvielfalt zustande kommt. Dafür untersuchte es die räumliche Verteilung erwachsener Bäume in einem Waldstück von der Größe von etwa hundert Fußballfeldern in Panama.

Jenes Waldstück befindet sich auf Barro Colorado. Diese künstliche Insel entstand 1914, als für den Panama-Kanal der Fluss Chagres aufgestaut wurde, um den Gatúnsee zu schaffen. Der Stausee überflutete eine mit dichtem Regenwald bewachsene Senke, deren Hügel zu Inseln wurden - darunter das mit 15 Quadratkilometern größte Eiland Barro Colorado, das heute als Mekka für Tropenbiologen und als eines der weltweit am besten erforschten tropischen Ökosysteme gilt.

Die Wissenschaftler um die beiden Ökologen Annette Ostling und Michael Kalyuzhny kombinierten Daten zu 41 Baumarten, die über 30 Jahre auf dieser Waldforschungsfläche gesammelt wurden, mit Computermodellen. Sie fanden so heraus, dass der Abstand zwischen Bäumen gleicher Art viel größer ist als die Entfernung, die Samen normalerweise zurücklegen.

Jeder Baum hat seine eigenen Feinde

"Aufgrund der Fülle der verfügbaren Daten über diesen Wald kannten wir den genauen Standort jedes Baumes und wussten auch, wie weit die Samen wandern", erläutert Kalyuzhny in einer Mitteilung. "Wir konnten uns fragen: Wie müsste der Wald aussehen, wenn sich die Bäume nur dort ansiedeln würden, wo die Samen gefallen sind?" Mit Berechnungsmodellen habe sich herausgestellt, dass der echte Wald überhaupt nicht so aussehe: "Die echten Bäume stehen viel weiter auseinander."

Den Wissenschaftlern zufolge muss es also Faktoren geben, die verhindern, dass Jungbäume Wurzeln in der Nähe von Elternbäumen schlagen. Ihre Computermodelle zeigten hier, dass jede Baumart bei ihrem Standort viel stärker von ihrer eigenen Art beeinflusst wird als von anderen Arten. Das liege wahrscheinlich daran, dass alle Baumarten eigene Feinde hätten: Um jeden Baum siedelten sich artspezifische Krankheitserreger wie Pilze und Pflanzenfresser an, welche die Abwehrmechanismen des Baumes herausforderten.

Diese Ansiedlung schaffe wiederum Raum für andere Baumarten, die von den jeweiligen Schädlingen nicht betroffen seien. Anders gesagt habe ein einzelner Baum eine höhere Überlebenschance, wenn er von verschiedenen Baumarten mit unterschiedlichem Ressourcenbedarf, Krankheitserregern und Pflanzenfressern umgeben sei. Insgesamt führe dieses Muster zu einem vielfältigeren Wald und verhindere, dass eine Art dominiere.

Ein besseres Verständnis davon, was Biodiversität bestimmt, sei insbesondere in einer Zeit wichtig, in der ein Massensterben der Arten stattfinde. Die Studie trage dazu bei, die Kluft zwischen teils gegensätzlichen Theorien darüber, wie Wälder geformt werden, zu überbrücken. Zudem liefere sie Informationen zur Frage, wie sich insbesondere tropische Wälder und ihre Bewohner im Laufe der Zeit veränderten.

Ökologe Kalyuzhny erklärt: "Bäume sind die Ressourcenlieferanten für das gesamte Ökosystem, und da die meisten Arten der Welt in den Tropen beheimatet sind, müssen wir besser verstehen, was die Artenvielfalt auf dem Planeten Erde aufrechterhält."

Alice Lanzke, dpa

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