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Selbstversorgung Hilfe, mein Gemüse schießt: Wie Sie verhindern, dass Salat und Co. vorzeitig blühen

blühende rot-grüne Salatpflanze
Sieht aus wie ein Mini-Baum, ist aber ein "geschossener" Kopfsalat kurz vor der Blüte. Wenn Salat derart in die Höhe schießt, hat das meist etwas mit der Tageslänge zu tun
© Chris Clark/Alamy/Alamy Stock Photos / mauritius images
Es ist einer der häufigsten Anbaufehler: Der mühsam vorgezogene Salat oder Kohl bildet keinen schönen Kopf, sondern geht in die Blüte. Die Ernte fällt aus. Dabei ließe es sich verhindern, wenn man ein paar Dinge beachtet. Alles über die Ursachen – und was man dagegen tun kann

Die Vorzeichen sind meist eindeutig: Salatblätter werden blass, ledrig und bitter. Nach ein paar Tagen schiebt sich aus der Mitte ein Stängel empor, der sich in zahlreiche Blüten verzweigt. Wenn Gemüse wie Salat oder Kohl anfangen zu blühen, spricht man vom "Schießen" oder "Schossen".

Dies geschieht häufig zur Unzeit, nämlich bevor man das Gemüse geerntet hat. Manchmal sogar, wenn die Pflanze erst wenige Zentimeter groß ist. Und einmal begonnen, lässt es auch nicht mehr stoppen. Selbst den Spross bis auf den Boden abzuschneiden, hilft nichts, die Pflanze bildet sofort neue Blütentriebe. Das ist ärgerlich, denn Gemüse selbst zu ziehen kostet Zeit und Ressourcen. Aber wie verhindert man es?

Wir können nicht beeinflussen, ob Gemüse blüht, sondern nur wann

Vorweg: Komplett an der Blüte hindern kann man Gemüse nicht. "Das sind natürliche Prozesse, die auf jeden Fall eintreten, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind", sagt der Gärtnermeister Robert Franz, der Landwirtschaftsbetriebe berät und das Problem aus der Praxis kennt. Denn fast ausnahmslos jede Pflanze hat einen natürlichen Drang, sich zu vermehren, indem sie Blüten und Samen bildet.

Aber man kann sehr wohl den Zeitpunkt beeinflussen, wann eine Pflanze in die Blüte geht. Bei zweijährigen Gemüsearten wie Kohl, Mangold oder Lauch geschieht dies in der Regel im zweiten Jahr zu Frühlings- oder Sommerbeginn. Unter widrigen Bedingungen kann es aber auch schon weitaus früher passieren. Und fast immer haben wir durch gärtnerische Fehler selbst dazu beigetragen. Im Folgenden werden die vier häufigsten Ursachen erklärt – und wie man sie vermeidet:

Fehler Nr. 1: Zu spät ernten

Dieser Fehler ist besonders leicht zu vermeiden, indem man einfach rechtzeitig das tut, was man ohnehin vorhatte: ernten. Wer sich den Winter über mit frosthartem Mangold, Grünkohl, Feldsalat, Postelein, Spinat, Winterkopfsalat, Asiasalat oder Lauch versorgt hat, kann damit rechnen, dass die Pflanzen im Folgejahr anfangen zu blühen, sobald es wärmer wird und die Tage länger werden.

Wer noch etwas von seinem Wintergemüse haben möchte, sollte es daher je nach Größe im Februar oder März ernten, rät Robert Franz. Allerspätestens bis Mai sollte alles abgeerntet sein. Das ist auch aus einem anderen Grund sinnvoll: Zu diesem Zeitpunkt kommen Sommergemüse wie Tomaten, Gurken und Zucchini ins Beet. Und die brauchen richtig viel Platz.

Fehler Nr. 2: Kälte treibt Kohl zur Blüte

Eigentlich sollten die meisten Kohlsorten, die zur Familie der Kreuzblütler zählen, als zweijährige Pflanzen erst nach dem Winter blühen. Falsche Temperaturen während der Anzucht können aber dazu führen, dass die Pflanze quasi einen Winter im Schnelldurchlauf durchlebt und sofort in die Blüte geht. "Das betrifft eigentlich alle Sorten von Kohl, egal ob Kohlrabi oder Kopfkohl", sagt Franz. Und es gilt auch für andere Kreuzblütler wie Asiasalat, Rucola, Radieschen oder Rettich.

gelb blühende Kohlblüten
Kälte übt auf Kohl einen besonders starken Blühreiz aus. Von vorzeitig blühenden Pflanzen sollte man aber lieber keine Samen gewinnen: Möglicherweise vererben sie ihre frühe Blühneigung weiter
© Naive/Alamy/Alamy Stock Photos / mauritius images

Doch wie genau wirkt die Kälte? Wird Kohl im Babystadium über Tage oder Wochen Temperaturen unter 12 Grad Celsius ausgesetzt, wird in der Jungpflanze ein Blühimpuls angelegt. Zwischen 5-8 Grad Celsius ist dieser Reiz sogar besonders stark. In der Fachsprache heißt das "Vernalisation".

Dies kann zum Beispiel leicht passieren, wenn man Kohl im Frühling im unbeheizten Gewächshaus aussät, um möglichst früh ernten zu können. Die Pflanzen mögen dort zwar vor hartem Frost geschützt sein, aber eben nicht vor Kälte. Auch in der Wohnung vorgezogener Kohl ist nicht davor gefeit, warnt Franz: Dann nämlich, wenn man ihn im Frühjahr auspflanzt oder draußen abhärtet, wenn es noch kalt ist.

Niedrige Temperaturen sind in der Anzucht von Kohl also unbedingt zu vermeiden. Bereits ins Beet gepflanztes Gemüse sollte bei anhaltender Kälte mit einem Vlies oder einer Haube geschützt werden. Haben sie trotz aller Vorsicht zu viel Kälte abbekommen, kann man zumindest bei Jungpflanzen in Töpfen gegensteuern: Werden die Kohlpflanzen eine zeitlang bei 20-22 Grad Celsius ins Warme gestellt, so Franz, baut sich der Blühimpuls wieder ab. Das nennt man "Devernalisation".

Kohl ist zwar am häufigsten betroffen, aber auch anderes Gemüse kann bei Kälte vernalisieren. In dieser Tabelle findet sich eine praktische Übersicht, welche Temperaturen über welchen Zeitraum kritisch sind. 

Eine Ausnahme bilden übrigens Kohlsorten, bei denen man die ungeöffnete Blüte isst: Brokkoli und Blumenkohl. Sie müssen sogar vernalisieren, damit sie einen schönen Kopf bilden. Hier das richtige Maß zu finden, erfordert allerdings einiges an Können.

Fehler Nr. 3: Die falsche Sorte zur falschen Zeit

Sobald der Hochsommer naht und es abends lange hell bleibt, gehen Salat und Spinat häufig sofort in die Blüte. Sie zählen zu den Langtagpflanzen. Das bedeutet: Wenn über längere Zeit 12 Stunden am Tag intensives Sonnenlicht auf sie fällt, treten die Pflanzen in die Vermehrungsphase ein. Das lässt sich nur verhindern, indem man sie auf dem Beet oder im Gewächshaus abdunkelt, was im Erwerbsanbau tatsächlich auch gemacht wird. Für den Garten ist es aber eher unpraktisch.

Allerdings gibt es immer mehr "schossfeste" Sorten im Handel zu kaufen, die dem Blühreiz länger widerstehen. Bei Salat kann es sich daher lohnen, je nach Saison unterschiedliche Sorten anzubauen; also im Sommer auf schossfeste Sorten zu setzen, zum Beispiel "Amerikanischer Brauner", und im Winter auf frostharte Sorten wie "Winterkönig". Auf den Saatgutpackungen ist meist vermerkt, ob es sich um Sommer- oder Wintersorten handelt.

Bei Spinat macht es dagegen kaum einen Unterschied. "Ich habe schon viele angeblich 'schossfeste' Spinatsorten ausprobiert. Keine funktionierte annähernd befriedigend", sagt Robert Franz, "Spinat ist halt einfach kein Sommergemüse. Ersetzen Sie Spinat im Sommer am besten durch Mangold".

Fehler Nr. 4: Stress, Trockenheit und Nährstoffmangel lösen eine "Notblüte" aus

"Eine Pflanze, die Stress bekommt, wird viel schneller in Blüte gehen", sagt Franz, "das betrifft erstmal alle Pflanzen." Das hat natürliche Ursachen: Sind die Gewächse extremen Bedingungen ausgesetzt, setzen sie alles daran, wenigsten das Überleben der nächsten Generation zu sichern, also möglichst schnell Blüten und Samen zu produzieren. Hat zusätzlich noch eine Vernalisation stattgefunden, gibt es kein Halten mehr.

Stress kann alles sein, was der Pflanze schadet: Schädlingsbefall, Nährstoffmangel, schlechte Erde, Staunässe, Trockenheit, Überdüngung, unreifer Kompost, Überhitzung, Kälte oder Platzmangel in zu winzigen Pflanzgefäßen oder durch zu enge Aussaat im Beet. Um das zu verhindern, braucht es etwas Erfahrung und eine Portion Glück. Denn manchmal spielt auch einfach das Wetter nicht mit oder eine Blattlausinvasion fällt plötzlich über den Salat her.

Den ersten Stresstest muss das Gemüse oft schon in der Anzucht überstehen: Harren die Pflänzchen sehr lange in winzigen Gefäßen aus, sind die Nährstoffvorräte in der Erde irgendwann aufgebraucht. "Die Blätter werden dann immer heller, ‚chlorotisch‘ nennt man das. Das ist ein Zeichen von Stickstoff-Mangel. Und der führt dann eben zur Blüteninduktion durch Hunger", sagt Franz.

Insbesondere Kohl steht oft recht lange, bevor er ausgepflanzt wird und braucht dabei deutlich mehr Nährstoffe als etwa Salat. Also gleich nährstoffreichere Erde nehmen oder den Pflänzchen einen größeren Topf mit mehr Erde gönnen. Auch hilft es, ein Tagebuch zu führen, in dem vermerkt wird, was funktioniert hat und was nicht. So wird man im Laufe der Zeit immer sicherer in der Anzucht.

Selbst Sommergemüse wie Paprika oder Tomaten können im Jugendstadium Notblüten bilden. Es ist bei ihnen nicht ganz so dramatisch, weil Blüten für die Fruchtbildung ja durchaus erwünscht sind, kann aber ein Warnsignal für akuten Stress sein. Der führt schlimmstenfalls dazu, dass die Pflanze aufhört zu wachsen oder eingeht. Viele schneiden daher die ersten Blüten ab, damit die Pflanze ihre Energie erstmal in das Wachstum steckt.

Und wenn es doch zu früh blüht? Einfach das Beste daraus machen!

Wer schnell reagiert, kann die allermeisten Gemüse trotzdem noch ernten und genießen, wenn sie anfangen zu schossen. Warten Sie aber zu lange, wird Salat meist zäh und bitter; Kohlrabi, Radieschen und Möhren werden holzig.

Das Blattgrün von Kohl(rabi), Möhren, Spinat, Zwiebel und Mangold lässt sich dagegen noch eine Weile verzehren. Mehrjähriger Schnittlauch und Hirschhornwegerich können sogar während und mitsamt der Blüte weiter beerntet werden. Kohlblüten und junge Radieschenschoten, in denen später die Samen reifen, machen sich zudem hervorragend als Salatzutat, die man in keinem Supermarkt bekommt. Einzig Petersilie sollte man nicht mehr essen, wenn sie blüht. Sie reichert dann giftiges Apiol in allen Pflanzenteilen an.

Blühende grün weisse ballartige Zwiebelblüten
Lauch, Porree und andere Zwiebelgewächse werden wegen ihre wunderschönen kugelrunden Blüten sogar als Zierpflanzen angebaut. Die Blüten ziehen zudem vielfälige Bestäuberinsekten an und sind äußerst schmackhaft
© Zoonar GmbH/Alamy/Alamy Stock Photos / mauritius images

Robert Franz erzählt, dass er einmal durch einen eigenen Fehler ein Feld mit schätzungsweise 4000 Schalotten hat blühen lassen. Die Schalotten waren hinüber. Um sich zu retten, vermarktete er stattdessen die kugelförmigen Blüten als besondere Delikatesse. Mit Erfolg: "Damit habe ich am Ende sogar mehr verdient, als ich für die Schalotten bekommen hätte", sagt Franz.

Aber selbst wenn Sie gar nichts tun, sondern dem Gemüse einfach beim Blühen zusehen, ist das kein Verlust. Die Blüten dienen Bienen und anderen Insekten als Nahrung. Darunter auch Nützlingen wie Schwebfliegen, deren Larven Blattläuse vertilgen. Und gerade im Frühling, wenn insgesamt noch wenig blüht, stürzen sich Hummeln mit Begeisterung auf Kohlblüten. "Wir sollten generell Gemüse öfter auch mal in Blüte gehen lassen", sagt Franz. Wir tun damit etwas Gutes für die Natur.

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