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"Wir brauchen keine Klone!"

Die Tierärztin und Gentechnik-Expertin Dr. Anita Idel erklärt, warum sie die Vision von der Massenproduktion tierischer Klone für verheerend hält

Inhaltsverzeichnis

Unbedenklich oder nicht?

GEO.de: Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat erklärt, Fleisch von geklonten Tieren sei zum Verzehr genauso unbedenklich wie das Fleisch von konventionell gezüchteten Tieren. Die entsprechende Behörde der EU, die EFSA, hat schon angedeutet, dass sie diese Einschätzung teilt. Was sagen Sie dazu?

Anita Idel: Ob das Fleisch von geklonten Tieren unbedenklich ist, ist eine Detailfrage, die am Wesentlichen vorbeigeht. Bereits Anfang der 80er-Jahre hat man in der Klonforschung begonnen, mit dem Transfer von Zellkernen zu experimentieren. Dann hat es 13 oder 14 Jahre bis zum ersten lebenden Beweis gedauert: das Schaf Dolly, das erste geklonte Säugetier. Bis dahin wurden Zigtausende Tiere in Tierversuchen erfolglos verbraucht. Und das Klonen verursacht laut FDA und EFSA auch heute noch 95 bis 99,5 Prozent nicht lebensfähige Tiere. Dennoch sagt nun die FDA, "die Produkte können auf den Markt". Es hat sich aber nichts geändert, außer dass die FDA meint, Klonfleisch jetzt endlich zulassen zu müssen. Und das soll akzeptabel sein? Wer die Frage nach der gesundheitlichen Qualität stellt, nimmt in Kauf, dass weiterhin über 95 Prozent der geklonten Tiere eingehen. Das ist so unethisch wie absurd.

Dr. Anita Idel ist Tierärztin und Mitbegründerin des Gen-ethischen Netzwerks. Sie hat einen Lehrauftrag an der Uni Kassel für die ökologischen, tiergesundheitlichen und sozioökonomischen Auswirkungen der Gentechnik in der Landwirtschaft
Dr. Anita Idel ist Tierärztin und Mitbegründerin des Gen-ethischen Netzwerks. Sie hat einen Lehrauftrag an der Uni Kassel für die ökologischen, tiergesundheitlichen und sozioökonomischen Auswirkungen der Gentechnik in der Landwirtschaft
© Andreas Schölzel

Noch einmal: unbedenklich oder nicht?

Das kann niemand wissen, denn es handelt sich ja jeweils um Zufallsergebnisse. Bei diesen hat die FDA bestimmte Inhaltsstoffe verglichen, Fettsäuren, Proteine und so weiter. Und sie haben nur die Individuen untersucht, die augenscheinlich gesund sind. Die ganze Argumentation baut sich also auf einige wenige Zufälle auf. Warum sterben denn über 95 Prozent oder kommen missgebildet zur Welt? Dafür sind genetische Störungen verantwortlich. Außerdem haben wir fast keine Daten von einzelnen Tieren über einen längeren Lebenszeitraum oder gar über mehrere Generationen. Möglicherweise treten weitere Veränderungen im Erbgut aber erst Generationen später auf; deren Produkte werden dann aber nicht mehr automatisch untersucht.

Wieso weitere Veränderungen? Beim Klonen wird das Erbgut doch nicht verändert ...?

Es gibt beides: Klonen "pur" und in Verbindung mit gentechnischer Manipulation.

Aber auch beim Klonen "pur" kommt es zu Veränderungen des Erbguts. Die sind ungewollt, aber die Regel. Verändert wird dabei die Regulation, die so genannte Epigenetik. Diese nicht willentlichen Störungen führen zu den dramatisch schlechten Ergebnissen des Klonens.

Es wird jetzt immer betont, Klonen sei keine Gentechnik. Dabei ist klar: Wirklich rentabel werden Gentechnik und Klonforschung erst, wenn es gelingt, gentechnisch veränderte Tiere im großen Stil zu klonen und zu vermarkten. Sonst ist diese Forschung weiterhin ein Millionengrab.

Das heißt, die Klonforschung wird von ihren Misserfolgen angetrieben?

Der ökonomische Druck ist enorm. In diese Forschung wurden unglaubliche Summen investiert. Daher das große Interesse, diese Technik nun endlich als “marktreif“

zu deklarieren. Je mehr Geld versenkt wurde, desto größer wurde der Druck, dass irgendwann doch ein vermarktbarer Erfolg dabei herauskommt. Dabei gibt es zur Zeit keinen wissenschaftlichen Grund, anzunehmen, dass sich in absehbarer Zeit die Zahl der erfolgreichen Klonversuche entscheidend verbessert.

Die "Verfeinerung" der Technik

Klonforscher sprechen davon, man müsse die Klon-Technik noch weiter verfeinern ...

Ja, das sagen die seit 25 Jahren. Als Watson und Crick 1956 die Doppelhelixstruktur der DNA entschlüsselt hatten, hieß es: Jetzt wissen wir, wie's geht. Heute sehen auch die Forscher, dass das Genom komplex ist und Gentechnik und Klonen eben gar keine einfachen Techniken sind. Ich halte nicht die Genomforschung für verwerflich, sondern, dass man aus der Unwissenheit heraus gleich den Schritt in die Praxis - die gentechnische Manipulation und das Klonen - macht.

Wissenschaftliche Erfolge hin oder her: Wie steht es beim Klonen um die Tierethik?

Wir brauchen keine Klone! Man muss schon hoffen, dass die meisten Klontiere, die bereits als Embryo sterben, nicht viel mitbekommen. Von denen, die überleben, sterben viele kurz nach der Geburt. All diese Leiden und Schäden sind unethisch und schwer erträglich. Diese Tierversuche jetzt aber als "Praxis" weiterlaufen zu lassen, statt endlich aufzuhören - das schockiert mich.

Selbst Verbraucherminister Horst Seehofer hat ethische Bedenken gegen Klonfleisch geäußert - ist er ein guter Verbündeter?

Selbstverständlich, weil er ein wichtiger Verbündeter ist, jetzt, wo Fakten geschaffen werden sollen. Und genauso wichtig ist der deutsche Bauernverband. Der ist auch dagegen – wegen der Patentierung. Schon heute ist die Verfügungsgewalt über Zuchttiere weltweit auf immer weniger Zuchtunternehmen konzentriert. Sie kontrollieren mit Patenten auf Gene und ganze Tiere zunehmend die züchterischen Entscheidungen.

Was halten Sie von dem Argument, Klontechnik könne zur ausreichenden Ernährung der Weltbevölkerung beitragen?

Es wäre kein Beitrag zur Ernährungssicherung, sondern genau das Gegenteil. Denn es geht um Hochleistungs-Tiere mit hohen Futteransprüchen. Dafür würde noch mehr Regenwald abgeholzt, um - gentechnisch verändertes - Futter-Soja anzubauen. Genügsame Rinderrassen, die klimaverträglich gehalten werden können, sind natürlich völlig uninteressant für die Klonindustrie.

Manche Forscher meinen, die Klonforschung könne zur Erhaltung der Artenvielfalt beitragen ...

Ganz im Gegenteil: Das Klonen ist eine Bedrohung für die Biodiversität, weil von den jetzt schon ganz wenigen genutzten Rassen wiederum nur die leistungsfähigsten Tiere auswählt werden. Verstärkt werden die falschen bisherigen Tendenzen, die Mentalität "Immer mehr, immer billiger, in immer kürzerer Zeit". Schon jetzt gelten immer mehr Rassen als ökonomisch uninteressant und sind deshalb vom Aussterben bedroht. Aber wir brauchen keine Kühe, die 10 000 Liter Milch im Jahr und mehr geben.

Das Interview führte Peter Carstens.

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