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"Klonen ist keine Gentechnik"

Der Reproduktionsbiologe Heiner Niemann warnt vor einer Verteufelung des Klonens

Inhaltsverzeichnis

Wann kommt das Klonfleisch?

GEO.de: Professor Niemann, wann kommt bei uns "Klonfleisch" auf den Tisch?

Heiner Niemann: Wohl nicht in absehbarer Zeit. Einfach deshalb, weil die Anzahl der Tiere, die bisher erfolgreich geklont wurden, sehr gering ist. In Deutschland gibt es rund 15 Millionen Rinder, davon weniger als 50, die geklont wurden - ausschließlich für Forschungszwecke. Weltweit gibt es zur Zeit nicht mehr als schätzungsweise 3500 bis 4000 geklonte Rinder. Vereinzelt versucht man, sehr wertvolle Vater- oder Muttertiere zu klonen, um auf diese Weise deren genetisches Potenzial in der Zucht stärker zu verbreiten. Wenn zum Beispiel eine Besamungsstation Sorge hat, dass ein Hochleistungs-Bulle aus irgendeinem Grund keinen Samen mehr spenden kann, dann könnte man durch Klonen sicherstellen, dass man das genetische Potenzial auch später noch zur Verfügung hat.

Das heißt, es gibt noch viel zu tun für die Klonforscher ...

Das Klonen ist eine wahnsinnig interessante Technologie. Mit dem erfolgreichen Klonen des Schafes "Dolly" im Jahr 1996 ist ein langjähriges Dogma der Biologie gefallen. Bis dahin dachte man, wenn eine Zelle einmal differenziert ist, dann ist das unumkehrbar. Inzwischen wissen wir, was für eine ungeheure Plastizität es in der genetischen Entwicklung gibt. Das hat eine über die rein praktische Anwendung weit hinausgehende Bedeutung, besonders für die naturwissenschaftliche Forschung und die Entwicklung von neuen Verfahren der regenerativen Medizin. Die Anwendung sehe ich zunächst primär im Bereich der Medizin, wo man mit der Reprogrammierung von somatischen Zellen Hoffnungen verbindet, viele bis heute unheilbare Erkrankungen zu behandeln. In Verbindung mit der Gentechnik könnte das Klonen zukünftig mal eine Rolle auch in der Landwirtschaft spielen.

Heiner Niemann ist Leiter der Abteilung Biotechnologie am Institut für Nutztiergenetik (FLI) in Mariensee bei Hannover und außerplanmäßiger Professor für Reproduktionsbiologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Heiner Niemann ist Leiter der Abteilung Biotechnologie am Institut für Nutztiergenetik (FLI) in Mariensee bei Hannover und außerplanmäßiger Professor für Reproduktionsbiologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover
© privat

Klonen und Gentechnik sind zwei verschiedene Sachen?

Ja. Das zeigen ja auch die Stellungnahmen der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA und der EFSA, ihrem Pendant in Europa: Es geht nicht um genetisch veränderte, also transgene Tiere, sondern ausschließlich um das Klonen ohne genetische Veränderung. Und das ist eine Biotechnologie wie zum Beispiel die künstlichen Besamung oder der Embryonentransfer. Die künstliche Besamung ist doch keine Gentechnik, nur weil man dabei auch gentechnisch veränderten Samen benutzen könnte. Das muss man differenziert sehen.

Unbedenklich oder nicht?

Ob Gentechnik oder nicht - die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat nun erklärt, Fleisch von geklonten Tieren sei zum Verzehr genauso geeignet wie das Fleisch von konventionell gezüchteten Tieren. Sehen Sie das auch so?

Ja, die Daten sind überzeugend. Man hat mehrere tausend Parameter geprüft, und Fleisch und Milch in allen ihren Bestandteilen untersucht. In jedem Fall ist herausgekommen, dass die Produkte, die von geklonten Tieren stammen, denen von konventionellen Tieren vergleichbar waren. In der ganzen Tier- und Lebensmittelproduktion gehen wir ja davon aus, dass gesunde Tiere gesunde Produkte liefern. Das gilt auch für Klontiere.

... und für deren Nachkommen?

Für die erst recht. Die haben ja mit dem eigentlichen Klonprozess wenig zu tun, außer, dass sie einen Klon-Vater oder eine Klon-Mutter haben.

Kritiker sprechen von einer unverändert hohen "Ausschussquote" beim Klonen. Die meisten Embryonen oder Jungtiere überleben den Prozess nicht. Gibt es Hoffnung, dass sich diese Quote verbessert?

Die Erstellung von lebensfähigen Embryonen als Basis für die Zucht von Klontieren muss zweifellos optimiert werden. Aber in einzelnen Bereichen sind wir schon gar nicht so schlecht. Beim Schwein gibt es Fehlbildungen und Abnormitäten in der Entwicklung nach der Geburt kaum noch. Es gibt zwar noch erhöhte embryonale Verluste, man muss aber wissen, dass bei Schweinen auch von den konventionell produzierten Embryonen mehr als 50 Prozent natürlicherweise absterben. Beim Klonen sind wir jetzt vielleicht bei einer Sterblichkeit von 70 oder 80 Prozent. Beim Rind ist das etwas anders. Da kann man noch einen Anteil von etwa 20 bis 25 Prozent Abnormalitäten, insbesondere übergroße Kälber, beobachten.

Haben Sie, wie Horst Seehofer, "ethische Bedenken" gegen Klonfleisch?

Nein, bei einem verantwortungsbewussten Einsatz nicht. Wenn man die Geschichte der Tierzucht nüchtern betrachtet, dann wird deutlich: Der Mensch hat zur Tierzucht immer die besten Hilfsmittel eingesetzt, die ihm zur Verfügung standen. Von der Domestikation bis zur Klon- und Gentechnik. Nehmen Sie nur die künstliche Besamung. In den 50-er und 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts hat es einen wahren Glaubenskrieg um den Einsatz dieser Technik gegeben. Heute spricht keiner mehr darüber. 95 Prozent der weiblichen Rinder werden heute künstlich besamt. Nun ist das Klonen zwar eine andere Technik, aber ich glaube, dass es irgendwann in den kommenden acht oder zehn Jahren einen festen Platz im Arsenal der Züchtungstechnologien haben wird, und dass die Produkte, die daraus resultieren, genauso akzeptiert sein werden, wie das heute bei der künstlichen Besamung der Fall ist. Angesichts der Situation mit einer weiter stark wachsenden Weltbevölkerung und den limitierten Ressourcen werden in der Landwirtschaft neue Entwicklungen dringend benötigt, um Zucht und Produktion so effektiv und umweltschonend wie möglich zu gestalten.

Das Interview führte Peter Carstens.

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