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Artenvielfalt Nacktschnecke nein, Schlange ja: Eine Studie zeigt, mit welchen Tieren Städter zusammenleben möchten

Eine Nacktschnecke auf einem Labkrautblatt
Nacktschnecken ärgern Gartenbesitzer, weil sie alles anfressen. Bei Städtern sind die Tiere so unbeliebt wie sonst nur Kakerlaken und Ratten. Die meisten Menschen antworteten auf die Frage, wo Nacktschnecken im Stadtgebiet vorkommen sollten: nirgends! 
© Sandra Standbridge / Getty Images
Je weniger wir ein Tier mögen, desto weiter weg soll es wohnen: Eine Studie hat untersucht, welche Lebewesen Städter im Garten, im Viertel oder im Park tolerieren. Dabei gibt es ungeliebte Verlierer, aber auch unerwartete Gewinner

Die Stadt mit ihren Straßen und Häusern gehört den Menschen, die Wildnis den Tieren: Die meisten Deutschen teilen die Welt wohl in Natur und Zivilisation ein, wie es ihre Landsleute seit der Aufklärung tun. Nur läuft das ziemlich an der Realität vorbei. Über dem Frühstückstisch summen Wespen, Füchse stöbern im Müll hinterm Haus, und Kaninchen hoppeln über die Verkehrsinsel. Sie leben dort, weil sie günstige Bedingungen finden – ob das den Menschen recht ist, fragen sie nicht.

Eine Studie unter anderem der Technischen Universität München hat genau das nun getan: Die Forschenden fragten Städter danach, welche Tiere an welchen Orten leben sollten. Außerdem wollten sie wissen, ob die verschiedenen Tiere eher positiv oder negativ beurteilt werden.

Zur Auswahl standen 32 Arten, die man in der Stadt beobachten kann, von der Ameise über die Meise bis zum Marder. Diese Tiere sollten die Teilnehmenden dann an Orte platzieren, an denen sie ihrer Meinung nach vorkommen sollten, entweder zu Hause (im Haus, auf dem Balkon oder im Garten), in der näheren Umgebung (im Viertel oder im Park), weiter weg (allgemein in der Stadt und außerhalb der Stadt) – oder nirgendwo.

Städter haben ein klares Lieblingstier

Das Ergebnis: Je lieber die Menschen ein Tier mochten, umso näher und häufiger durfte es einen Platz finden. „Es zeigt sich, dass die Präferenzen der Stadtbewohner klar mit ihren Einstellungen zu den Tieren korrelieren“, erklärt der Forscher Dr. Fabio Sweet. Der absolute Liebling ist das Eichhörnchen, dicht gefolgt vom Igel. Ersteres darf für manche sogar auf den Balkon. Eine Ausnahme macht die Eule: Sie ist zwar das drittliebste Tier der Städter, soll aber möglichst nur im Stadtpark einziehen oder ganz außerhalb der Stadtgrenzen bleiben.

Ein Dachs und ein Fuchs vor Bäumen
Füchse kann man in der Stadt oft beobachten – anders als Dachse, die nur selten in Parks oder Stadtwäldchen leben. Die dämmerungsaktiven, schwarz-weiß gemusterten Tiere gehen Menschen lieber aus dem Weg
© michal / stock.adobe.com

Die großen Verlierer in der Studie sind Kakerlaken, Nacktschnecken und Ratten. Nicht nur mögen diese Tiere die wenigsten, sie sollen am besten auch "nirgends" vorkommen. Die Nacktschnecke ist sogar noch unbeliebter als Wespen und Stadttauben, die zumindest im Park oder an den Stadträndern toleriert werden. Dabei erfüllen natürlich auch all diese Lebewesen eine Rolle im Ökosystem Stadt. 

Bitte nicht in der eigenen Nachbarschaft!

Es gibt noch andere Überraschungen: Schlangen etwa werden durchaus an einigen Orten geduldet, obwohl sie in früheren Studien oft die meisten Feinde fanden. Dafür sind Krähen etwa so unbeliebt wie Ameisen oder Schnecken, sogar die Maus schneidet besser ab. Und Spinnen dürften sogar in den Wohnungen der Befragten leben, als einzige Art neben der Hauskatze – obwohl sie erklärtermaßen kaum jemand mag.

Insgesamt sollten Tiere vor allem in ihren eigenen Gebieten bleiben, besonders der Stadtpark wird oft als Lebensraum genannt. Auf dem Balkon sehen die meisten Menschen nur Hummeln, Marienkäfer und Glühwürmchen gern. Dafür sollen Turmfalken, Kaninchen und Marder auch dem eigenen Garten möglichst fernbleiben. Das kann ein Problem sein: Schließlich sind private Gärten ein wichtiges Rückzugsgebiet für die Stadtflora und -fauna, wie Naturschutzorganisationen erklären.

Die Forschenden haben nur Menschen in München befragt. Doch sie gehen davon aus, dass sich die Ergebnisse übertragen lassen – schließlich ähneln sich die Lebensrealität und das Artenvorkommen in anderen deutschen Städten. Und die können einen wertvollen Beitrag für die Artenvielfalt leisten, zumal sich die urbanen Gebiete immer weiter ausbreiten. Die Studie will die Stadtplanung dabei unterstützen, Artenschutz so umzusetzen, dass er auch akzeptiert wird. „Wenn wir wissen, wo die Menschen bestimmte Tiere bevorzugen oder ablehnen, können wir potenzielle Konfliktpunkte vorhersehen“, sagt Prof. Wolfgang Weisser, Leiter des Lehrstuhls für Terrestrische Ökologie.

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